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Tausende russische Soldaten bereits totWarum Putins Armee im Krieg so sehr versagt

Lesezeit 4 Minuten
Russland Panzer Truppen Lugansk

Ukrainisches Militär in der Region Lugansk am Donnerstag

Kiew – Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Freitag den Krieg in der Ukraine als „heldenhaften“ Einsatz der russischen Armee gelobt. Es würden alle Pläne umgesetzt, sagte Putin am Freitag in einer Rede vor Zehntausenden jubelnden Russinnen und Russen im Moskauer Luschniki-Stadion, die im russischen Fernsehen übertragen wurde. Die Propagandashow dürfte darauf abzielen, die Kriegsmoral in der Bevölkerung zu steigern. Denn Tausende russische Soldaten hat Putins Krieg bereits das Leben gekostet.

Der Militärexperte Gustav Gressel von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations geht davon aus, dass die Verluste in der russischen Armee deutlich höher als unter den ukrainischen Streitkräften seien. „Die Ukraine spricht von 14.000 toten Soldaten auf russischer Seite. Ich halte etwa 10.000 für realistisch“, sagte Gressel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Für die vielen Toten macht der Experte unter anderem viele Fehler der russischen Armee verantwortlich. „Sehr überraschend ist die mangelhafte Koordination unter den Bataillonskampfgruppen und zwischen den Teilstreitkräften.“

Viele taktische Fehler der russischen Armee

Gressel vermutet, die russische Führung habe gedacht, der Krieg sei sehr schnell vorbei und habe daher keine Kommandostruktur geschaffen, um Unterstützung zu koordinieren. Außerdem sei die Kommunikation zwischen den Militärbezirken der Russen sehr schlecht. Ein weiterer Patzer: Die russische Flugabwehr habe lange nicht gewusst, welche ihre eigenen Luftstreitkräfte sind. „Deshalb waren die Russen sehr zurückhaltend dabei, das Feuer auf die ukrainische Luftabwehr zu eröffnen.“ Das habe die Ukraine genutzt und oft die russische Luftabwehr überrumpelt und ausgeschaltet. Oft sei dies in den vergangenen Wochen vorgekommen.

Russischer Panzer 180322

Ein zerstörter russischer Panzer steht nach Kämpfen auf einer Hauptstraße in der Nähe von Brovary, nördlich von Kiew. 

Der Generalleutnant a. D. der Bundeswehr, Heinrich Brauß, wies auf viele taktische Fehler hin. „Wenn Militärs im Westen einen solchen Auftrag bekommen hätten wie der russische Generalstabschef, dann hätten wir versucht, die ukrainische Armee militärisch auszuschalten und nicht zuerst die großen Städte anzugreifen“, sagte er dem RND. Denn wer die gegnerische Armee ausschalte, dem falle auch das Land zu.

Militärische Führung habe sich offenbar verkalkuliert

Doch für einen Angriff auf die ukrainische Armee brauche man Kommandeure vor Ort, die selbst entscheiden und eigenständig führen können. „Offensichtlich sind die russischen Kommandeure dazu nicht genügend in der Lage“, bilanziert Brauß, der zuletzt für die Nato tätig war. Hinzu komme, dass sich die russische militärische Führung offenbar verkalkuliert habe. „Ihre logistischen Kapazitäten reichen für großräumige Operationen offensichtlich nicht aus.“

Dabei habe Russland laut Militärexperte Gressel bereits in Syrien und anfänglich im Donbass bewiesen, dass die Armee zu geschickten taktischen militärischen Schritten in der Lage sei. Doch davon sehe man jetzt nichts mehr. „Die russische Luftwaffe fliegt seit dem zweiten Tag Angriffe mit vielen Bomben und ungelenkten Raketen, ohne dabei Präzisionswaffen einzusetzen.“

„Die Russen haben sich in Hinterhalte locken lassen“

Entweder sei das Arsenal der Russen sehr beschränkt oder Moskau halte die Präzisionswaffen absichtlich noch zurück. Ebenfalls auffällig für den Experten: Im Donbass habe Russland viel häufiger Kleindrohnen eingesetzt als im Rest der Ukraine. „Die Russen haben sich nun in Hinterhalte locken lassen, ohne vorher Aufklärungsdrohnen einzusetzen“, sagte er im Gespräch mit dem RND.

Für Kopfschütteln sorgte in Militärkreisen auch der 64 Kilometer lange Militärkonvoi, der tagelang östlich vor Kiew stand. Die ukrainische Armee habe „Panzer, Flugabwehrgeschütze und Tanklastzüge einzeln herausschießen“ können, so Brauß. Für ihn sei das „ein Zeichen militärisch-taktischer und logistischer Inkompetenz“. Militärexperte Gressel berichtete, es habe einige Überfälle von kleinen Hinterhaltkommandos auf den Konvoi gegeben.

Koordinierung der russischen Streitkräfte viel schlechter als angenommen

Große Angriffe seien aber nicht möglich gewesen, da die Ukrainer durch die russischen Linien bis zum Konvoi durchkommen mussten. „Mit Drohnen hat die Ukraine den Konvoi aber auch angegriffen und für eine große Verwüstung bei den russischen Munitionskolonnen gesorgt.“ Außerdem habe die ukrainische Armee Brücken gesprengt und Dämme eingerissen, um die Wege des Konvois zu überfluten.

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Auch die Koordinierung der russischen Streitkräfte sei viel schlechter, als Experten vor wenigen Wochen angenommen hatten. „In russischen Militärkreisen hatte man noch vor Monaten die Fortschritte beim Datenaustausch, bei der Digitalisierung und der Koordination gelobt – davon sieht man jetzt nichts.“ Das mache sich auch bei dem Einsatz der Funktechnik bemerkbar.

Neue Angriffswelle im April?

„Im Donbass hatte Russland eine viel umfangreichere elektronische Kampfführung und den Funk und Mobilfunk unterdrückt“, so Gressel. Doch in den anderen Teilen der Ukraine sei die russische Armee mit so schlechten Funkgeräten ausgestattet, dass sie bei einer Störung selbst vom Funkverkehr abgeschnitten worden wären. Davon profitierte die ukrainische Armee, die so weiterhin ungestört kommunizieren konnte.

Gressel rechnet mit einer neuen Angriffswelle im April. Dann könnte auch die Hauptstadt Kiew eingekesselt werden. „Zurzeit reichen die russischen Streitkräfte nicht aus und die Russen haben auch nicht genug Reserven.“ Doch bis Kiew auch erobert sei, dürfte es laut dem Experten noch Monate dauern, wenn nicht sogar Jahre.