Krise am GasmarktRettung für Uniper – deswegen erhält der Gaskonzern Milliardenhilfen
Berlin – Die Bundesregierung will den Energiekonzern Uniper mit einer Hauruck-Aktion vor der Insolvenz retten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Dienstag – ohne Uniper wörtlich zu erwähnen: „Die Lage am Gasmarkt ist angespannt und wir können eine Verschlechterung der Situation leider nicht ausschließen. Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass sich die Lage zuspitzt“.
Laut Ministerium soll es per Gesetzesänderung leichter werden, Unternehmen im Energiesektor mit staatlichen Hilfen „zu stabilisieren“. Dies könne notwendig sein, um Marktprozesse aufrechtzuerhalten und Kaskadeneffekte zu vermeiden.
Beteiligung und Kredit vom Bund geplant
Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge will der Bund Uniper mit bis zu neun Milliarden Euro unter die Arme greifen. Ein Teil davon soll als Kredit ausgezahlt werden. Ein anderer Teil könnte in einer direkten Beteiligung bestehen: Der Bund kauft neue Aktien von Uniper und stockt damit Kapital des Unternehmens auf. Das käme einer Teil-Verstaatlichung gleich – wie einst bei der Lufthansa während der Pandemie.
Diese Stützen sollen helfen, sogenannte „Preisanpassungsmechanismen“ zu verhindern. Gleichwohl will Habeck die Regelungen dafür präzisieren. Zudem soll ein neues Instrument eingeführt werden: das sogenannte saldierte Preisanpassungsrecht. Eine Art Umlage um Gaspreiserhöhungen gleichmäßig auf alle Kunden verteilen zu können.
Das Ministerium machte aber ausdrücklich klar, dass Letzteres aktuell nicht aktiviert werden soll. Die neuen Regelungen sollen noch in dieser Woche durch den Bundestag gebracht werden.
Jeden Tag wohl 30 Millionen Euro Verlust
Seit der massiven Drosselung der russischen Erdgaslieferungen Mitte Juni macht Uniper nach Berechnungen von Experten jeden Tag rund 30 Millionen Euro Verlust. Eine Insolvenz würde eine Kettenreaktion auslösen.
Denn Uniper könnte dann kein Gas mehr ein- und weiterverkaufen. Davon wären dann auch zahlreiche große Industrieunternehmen und hunderte von Stadtwerken betroffen, die die Kunden der Düsseldorfer Firma sind. Ohne Uniper geht etwa der Energieversorgung Leverkusen das Gas aus. EVL bezieht über eine Tochter der Rhein-Energie Gas von Uniper.
Die Folgen für den gesamten europäischen Gasmarkt wären unabsehbar. Habeck hat mehrfach davon gesprochen, dass ein „Lehman-Effekt“ vermieden werden müsse – der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers hatte 2008 eine globale Krise ausgelöst.
Ein Drittel des Gasbedarfs beschafft Uniper
Uniper ist hierzulande der wichtigste Importeur von russischem Gas. Nach Angaben von Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach importierte seine Firma einst jährlich rund 370 Terawattstunden Gas - etwa einem Drittel des gesamten Bedarfs von Deutschland.
Zudem sind die Düsseldorfer die größten Betreiber von Gasspeichern, die dringend für die Heizperiode benötigt werden. Außerdem soll Uniper mit der Jahreswende am ersten hiesigen Terminal für flüssiges Erdgas (LNG) das Anlanden organisieren. Das Ziel: die Abhängigkeit vom russischen Brenn- und Rohstoff reduzieren.
Der russische Staatsmonopolist Gazprom hatte Mitte Juni die Lieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 um 60 Prozent reduziert – angeblich wegen technischer Probleme, was Habeck als vorgeschoben bezeichnet hat. Am nächsten Montag wird der Gastransport über die Rohrleitung komplett eingestellt, weil routinemäßige Wartungsarbeiten anstehen. Habeck befürchtet aber, dass Pumpen danach nicht mehr hochgefahren wird.
Russland würde damit als Lieferant fast vollständig wegfallen. Und Uniper wäre akut insolvenzgefährdet.
Akute Verschärfung durch weiter gestiegenen Gaspreis
Schon Ende voriger Woche hatte das Management um Staatshilfe gebeten. Wobei das Unternehmen noch über eine Kreditlinie bei der Staatsbank KfW über zwei Milliarden Euro verfügt, die bislang nicht gezogen wurde. Aktuell hat sich die Lage noch dadurch verschärft, dass die Förderung auf mehreren norwegischen Gas- und Ölfeldern am Dienstag gestoppt wurde.
Schon die Reduktion der Importe aus dem Osten hatte Uniper gezwungen, fehlende Mengen kurzfristig an den Energiebörsen zu beschaffen. Die aktuellen Preise sind zuletzt massiv gestiegen. Der maßgebliche Kontrakt zur Lieferung im August kostete am Dienstagnachmittag 166 Euro pro Megawattstunde, das ist fast etwa acht Mal mehr als vor einem Jahr.
Uniper muss zugleich bestehende Vereinbarungen mit der Industrie und mit Stadtwerken bedienen, deren Konditionen weit unter den aktuellen Preisen liegen – daher die aktuellen massiven Verluste. Die Düsseldorfer könnten diese Verträge außer Kraft setzen, wenn die Bundesregierung den Notstand erklärt. Dann würden die berüchtigten Preisanpassungen ziehen und die Kosten auch an Stadtwerke weitergereicht, was diese wiederum zwingen würde, die Tarife für Privathaushalte mindestens zu verdreifachen.
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Einen solchen Preisschock in voller Brutalität will die Bundesregierung verhindern. Aber Kerstin Andreae, Chefin des Energiedachverbandes BDEW, betonte, dass die gesamte Lieferkette weiter funktionieren müsse. „Dazu gehört auch die Möglichkeit, erhöhte Kosten schnellstmöglich weitergeben zu können.“ Deshalb plädiert sie für die vorgeschlagene Umlage, die die Mehrkosten solidarisch verteile.
Da eine solche Umlage aber nur zeitversetzt funktioniere, müsse dies der Bund vorfinanzieren. Auch eine Staffelung bei der unvermeidlichen Erhöhung der Gaspreise ist in der Diskussion – um die Folgen abzumildern und in der Hoffnung, dass die Großhandelspreise vielleicht im nächsten Jahr wieder nachgeben.
Bei all dem fragt sich: Welche Unternehmen aus der Gasbranche es noch erwischen kann. Bislang hat kein weiterer Gas-Importeur um staatliche Hilfe gebeten. Branchenkenner schätzen, dass die BASF-Tochter Wintershall DEA noch verhältnismäßig gut dasteht, da sie nicht nur im Gas-, sondern auch im globalen Ölgeschäft aktiv ist, das derzeit enorme Gewinne bringt.
Der ostdeutsche Importeur VNG hatte bereits im April mitgeteilt, mit der KfW einen Kreditvertrag mit einer Laufzeit bis zum April 2023 unterzeichnet zu haben. Zusammen mit der Erweiterung der Darlehen vom Hauptaktionärs, den Energiekonzern EnBW, werde der Finanzierungsrahmen um eine Milliarde Euro erhöht – für den Fall extremer Marktentwicklungen. Diese sind indes eigentlich längst eingetreten.
Habeck betont: „Es geht darum, alles zu tun, um auch im kommenden Winter die grundlegende Versorgung aufrechtzuerhalten und die Energiemärkte, so lange es geht, am Laufen zu halten, trotz hoher Preise und wachsender Risiken.“