In den vergangenen Wochen und Tagen hat es viel geregnet. Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt, ob die Niederschläge für die Böden gereicht haben und wie trocken es dieses Jahr wird.
WasserknappheitWo die Regenfälle den Böden geholfen haben
In den letzten Tagen und Wochen war es an einigen Orten in Deutschland sehr regnerisch. Ist das ein Tropfen auf den heißen Stein oder verändert es wirklich etwas für die Böden?
Fred Hattermann: Die Niederschläge haben sich wie ein Band durch Mitteldeutschland gezogen. Hier hat der Regen den Pflanzen und teilweise dem Oberboden durchaus geholfen. Das ist natürlich erst mal gut. Es löst aber nicht das große Problem, dass die Böden insgesamt immer trockener werden und sich zu wenig Grundwasser neu bildet. In weiten Regionen Ostdeutschlands und teilweise auch Südwestdeutschlands sinkt der Grundwasserspiegel immer mehr.
Die Niederschläge, die jetzt gekommen sind, dringen nicht zum Grundwasser durch, wenn sie nicht sehr heftig sind. Kurzfristig hilft der Regen den Pflanzen natürlich trotzdem. Aber die verdunsten die Feuchtigkeit auch sehr schnell wieder. Für den Moment war der Regen gut, aber eine wirkliche Wende ist das natürlich nicht.
Was müsste passieren, damit sich wieder mehr Grundwasser neu bildet?
Grundwasser bildet sich vor allem im Winter, weil die Pflanzen da kein Wasser verdunsten. Da die Winter aber immer kürzer und wärmer werden, kann sich immer weniger Grundwasser neu bilden.
Die Vegetation wächst immer früher und länger. Sobald die Pflanzen anfangen zu wachsen, ziehen sie Wasser. Deshalb hilft der Regen im Sommer meist nicht den tieferen Bodenschichten und dem Grundwasser. Je wärmer es ist, desto mehr Wasserstress haben die Pflanzen und desto mehr Feuchtigkeit ziehen sie.
Was bedeutet das langfristig für die Böden?
Wir müssen uns vor Augen führen: Wenn der Niederschlag über die Jahrzehnte gleich bleiben würde, würde trotzdem weniger in die tiefen Bodenschichten und ins Grundwasser kommen, weil die Verdunstung durch die höheren Temperaturen gestiegen ist. Wir müssten eigentlich jedes Jahr mehr Niederschlag haben, um das zu kompensieren.
Konnte sich denn im vergangenen Winter genug Grundwasser neu bilden?
Der Winter war überdurchschnittlich feucht, das war gut. Aber wir kamen aus einem insgesamt sehr trockenen Jahr 2022. Die Grundwasserneuerung fängt ungefähr im November an, weil die Pflanzen dann nicht mehr wachsen und keine Feuchtigkeit mehr aus dem Boden ziehen. Der vergangene November war aber noch sehr trocken. Januar, Februar und März waren schön feucht. Aber in großen Regionen Deutschland, gerade auch in Ostdeutschland, hatten wir sogar niedrigere Grundwasserpegel als vor einem Jahr, weil die Zeit davor eben so trocken war. Das Wasser muss dann erstmal die trockenen Bodenschichten durchströmen, ehe es beim Grundwasser ankommt.
Anfang Juli war es ja sehr trocken. Konnten die Regenfälle der letzten Tage das ein Stück weit trotzdem kompensieren?
Das lässt sich nicht allgemein sagen, da muss man von Region zu Region schauen. Für schluffige Böden waren die Regenfälle sehr gut. Für sandige Böden haben sie nicht so viel gebracht.
Was bedeutet schluffig?
Das ist ein Fachwort für lehmige und feinere Böden. Die halten das Wasser besser und können auch längere Trockenperioden gut überstehen, wenn sie vorher genug Nässe bekommen haben. Für sandige Böden ist es natürlich auch gut, wenn nach einer längeren Trockenperiode wieder Regen fällt. Aber dann ist die Vegetation oft schon geschädigt.
Wo sind Böden in Deutschland sandig?
In vielen Regionen Ost- und Norddeutschlands.
Der Juli 2023 war wahrscheinlich der weltweit heißeste Monat seit Jahrtausenden, laut Forschenden der Weltwetterorganisation. Wie wirkt sich das auf die Dürre in Deutschland aus?
Die Hitze verschärft die Situation auf jeden Fall, weil der Wasserbedarf durch die Verdunstung steigt. Verdunstung kühlt und wenn es jetzt heißer wird, führt das natürlich zu höherem Wasserbedarf. Wir haben jetzt ein Jahr, in dem ein Monat nach dem nächsten der wärmste überhaupt ist.
Das kommt auch daher, dass wir jetzt in das Wetterphänomen El Niño kommen. Die Meeresoberfläche auf dem Atlantik ist überdurchschnittlich warm, genauso wie der südliche Pazifik. Dieses Phänomen gibt es alle Jahre mal und ist dafür bekannt, dass es für Rekordtemperaturen sorgt. Dieses Jahr wird wahrscheinlich weiterhin heiß sein, aber auch das nächste wird voraussichtlich Rekorde brechen. Die Durchschnittstemperaturen in diesem und nächstem Jahr werden sicherlich die 1,5-Grad-Marke brechen. Es wäre das erste Mal, dass diese Schranke überschritten wird.
Im Mai 2023 hat der DWD erwartet, dass die Böden in den folgenden Monaten noch deutlich trockener werden. Hat sich diese Befürchtung Ihrer Einschätzung nach bewahrheitet?
Ja, definitiv. März und April waren zwar in Deutschland teilweise überdurchschnittlich nass. Dann gab es aber erst mal nur noch ganz wenig Niederschlag. Schuld sind sogenannte Blockadewetterlagen, bei denen Hoch- und Tiefdruckgebiete länger stehen bleiben. Diese Situation gibt es schon länger. Seit 2018 sehen wir aber, dass sie immer stärker wird.
Das hängt damit zusammen, dass der Jetstream tendenziell schwächer wird und deshalb Wetterlagen hier länger stehen bleiben. Wahrscheinlich spielt auch der Klimawandel eine Rolle, die Verbindung ist aber noch nicht ganz klar.
Wie war das Juliwetter für die Wälder?
Das ist regional sehr unterschiedlich. An der insgesamt sehr schwierigen Situation hat sich jedenfalls nichts geändert. Selbst ein einzelnes nasses Jahr hat da keine riesigen Auswirkungen, weil die Prozesse sehr langsam laufen. Für die Wälder ist die Situation schon länger kritisch, weil die Schädlinge in den warmen Wintern nicht mehr absterben und dann die Bäume befallen. In Brandenburg sind nur 8 Prozent der Bäume nicht beschädigt.
Das ist auch deshalb fatal, weil wir ja eigentlich den Wald brauchen, um Kohlenstoff zu speichern. Im Moment emittiert der deutsche Wald aber eher Kohlenstoffdioxid, weil viel verbrennt und abstirbt.
Konnten die Juliniederschläge den Flüssen helfen?
Die Wasserstände sind nach wie vor sehr tief, besonders in Ostdeutschland und der Elbe. Daran hat sich nichts geändert. Wenn wir mal eine Langzeitperspektive einnehmen, ist das auch völlig logisch. Viele Flüsse werden nämlich unter anderem durch Schnee gespeist. Insgesamt fällt aber immer weniger Schnee, weil es immer wärmer wird. Im Sommer haben die Flüsse dann sozusagen weniger Puffer und trocknen schneller aus.
Die ganzen Grundwasserspeicher füllen sich, wie gesagt, im Winter auf. Für Elbe, Oder, Weser, Ems und so weiter ist das Grundwasser sehr wichtig. Bei der Elbe macht es zum Beispiel 80 Prozent des Abflusses aus. Weil sich aber insgesamt immer weniger Grundwasser im Winter neu bildet, sind diese Flüsse sehr gefährdet.
Worauf stellen Sie sich dieses Jahr noch ein in Bezug auf Dürre und Trockenheit in Deutschland?
Ich erwarte, dass es keine Wende geben wird. Ich denke, dass der Oberboden durch die Niederschläge, die wir nun hatten, relativ gut dasteht. Für die tieferen Bodenschichten und das Grundwasser sieht es nicht gut aus und das wird sich meiner Einschätzung nach auch nicht so bald ändern. Es kommt ganz darauf an, wie die nächsten Jahre werden. Eine Wende ist bisher nicht in Sicht. (RND)