Ermittlungen wegen illegaler Sportwetten in Italien: Der Fotograf, der drei Namen ins Spiel brachte, will nun – vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen England im Wembley-Stadion – weitere Profis nennen.
Kader dezimiertSkandal wegen illegaler Sportwetten in Italien: Profis unter Verdacht
Der 4:0-Heimsieg der italienischen Nationalmannschaft vom Samstag gegen Malta war ein Lichtblick in diesen trüben Tagen. In der Woche vor dem EM-Qualifikationsspiel in Bari war nämlich alles drunter und drüber gegangen im italienischen Fußball. Zunächst war bekannt geworden, dass gegen Nicolò Fagioli (22), Mittelfeldspieler von Juventus Turin, wegen Teilnahme an illegalen Glücksspielen und Sportwetten ermittelt wird.
Am Donnerstag rückten dann die Carabinieri ins Trainingszentrum der Azzurri in Coverciano bei Florenz ein: Auch die jungen Nationalspieler Sandro Tonali (23, Newcastle United) und Nicolò Zaniolo (24, Aston Villa) sollen in die Affäre verwickelt sein. Nach einem Verhör reisten beide überstürzt aus dem Trainingslager ab und fehlten gegen Malta.
Weitere Enthüllungen am Dienstag?
Verantwortlich für die Dezimierung des Kaders war Fabrizio Corona, eine in Italien gleichermaßen bekannte wie umstrittene Figur. Der ehemalige „König der Paparazzi“ war vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er eine langjährige Strafe wegen diverser Delikte, darunter Erpressung, abgesessen hatte. Das Geschäftsmodell des Fotografen bestand darin, Prominente in verfänglichen Situationen abzulichten und sie danach mit den Fotos zu erpressen. Eben jener Corona postete die Namen der Jungstars Fagioli, Tonali und Zaniolo auf seinen Social-Media-Kanälen. Am Wochenende kündigte er an, dass sich „mindestens zehn“ weitere Spieler „aus fünf bis sechs Vereinen“ an illegalen Wetten beteiligt hätten. Deren Namen will er am Dienstag bekannt geben – wenn Italien im Wembley-Stadion gegen England spielen wird.
Natürlich wurde auch Corona von der Polizei einvernommen – zum ersten Mal in seinem Leben nicht als Beschuldigter, sondern als „informierte Person“. Die Ermittler wollten wissen, woher er seine – anscheinend zutreffenden – Informationen über die Spielleidenschaft der Fußballer habe. Gegenüber dem „Corriere della Sera“ erklärte der Ex-Paparazzo, sein Informant sei der „Onkel eines früheren Spielers von Inter Mailand und ein guter Freund von Ex-Stürmer Mario Balotelli“. Wahrscheinlicher ist, dass die Spielernamen von einem „Maulwurf“ in der Justizverwaltung von Turin an ihn durchgestochen wurden: Die dortige Staatsanwältin Manuela Pedrotta ermittelt gegen illegale Wettplattformen und ist bei ihren Recherchen offenbar auf die Namen der Spieler gestoßen.
Opfer ihrer Spielleidenschaft geworden?
Italien hat einen „Wettskandal“. Dabei ist diese Bezeichnung wahrscheinlich zu hoch gegriffen, denn zu einem Wettskandal gehören Spielmanipulationen. Doch im Fall von Fagioli, Tonali und Zaniolo fehlen Hinweise darauf, dass sie Spiele manipuliert oder auf Partien der eigenen Mannschaft gewettet haben. Zaniolo gibt an, keine Sportwetten getätigt zu haben, sondern „Online-Poker und Online-Blackjack“ gespielt zu haben. Das kann eine Schutzbehauptung sein, Coronas Quelle sagt, Zaniolo habe auch auf Fußball gewettet. Insgesamt deutet vieles darauf hin, dass die Profis Opfer ihrer Spielleidenschaft geworden und auf illegale Plattformen ausgewichen sind, weil es dort keine Beschränkungen der Einsätze gibt. Fagioli soll über eine Million Euro verzockt haben.
So oder so könnten sich die drei strafbar gemacht haben – nicht nur strafrechtlich, möglicherweise auch bezüglich der Sportjustiz: Diese verbietet Sportlern, Wetten in der eigenen Sportart zu tätigen. Fest steht zudem, dass Italiens neuer Nationalcoach Luciano Spalletti auch im Wembley-Stadion erneut auf die Hoffnungsträger Tonali und Zaniolo wird verzichten müssen: Gegen sie wird offiziell ermittelt. (RND)