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Kommentar

NRW-Bildungskrise
Wer selbst mit der deutschen Sprache ringt, kann sein Kind nicht unterstützen

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ARCHIV - 18.08.2021, Nordrhein-Westfalen, Wuppertal: Vier Schulranzen stehen bei der Einschulung auf einer Bank. Nach sechseinhalb Wochen Sommerferien beginnt für die meisten der gut 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler am Mittwoch in Nordrhein-Westfalen wieder der Unterricht. (zu dpa: «Rund 2,5 Millionen Schüler starten ins neue Schuljahr») Foto: Bernd Thissen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Das neue Schuljahr in NRW beginnt. Viele Kinder haben Förderbedarf.

Warum die Maßnahmen, die Schulministerin Feller zum Start des Schuljahres plant, nicht ausreichen. Auch die Eltern werden überfordert.

Keine Frage: Alle Ideen, die NRW-Schulministerin Dorothee Feller zum neuen Schuljahr umsetzen will, sind richtig. Mehr Unterricht in Deutsch und Mathe in der Grundschule und ein digitales Screening für die künftigen Erstklässler, um frühzeitig Förderbedarf zu diagnostizieren – das sind wichtige Bausteine für eine verbesserte Schulbildung.

Aber die Antwort auf die entscheidende Frage bleibt die Ministerin noch schuldig: Wer soll die aufwändig ermittelten Mängel angehen und diese Kinder fördern, bevor sie in die Schule kommen? In den Kitas – zumal in herausfordernden Lagen – gibt es schon jetzt zu wenig Personal. Die Aufgabe jetzt erst mal den Eltern umzuhängen, erscheint hilflos. Wer selbst mit der deutschen Sprache ringt, wird sein Kind schlicht nicht unterstützen können.

Schulen in NRW: Viele Erstklässler kennen die Worte nicht, die sie lesen sollen

Wir stecken in einer tiefen Bildungskrise. Wer mit Grundschulleitungen in herausfordernden Stadtteilen spricht, dem wird mulmig: Da sitzen Erstklässler, die sich die Jacke nicht allein anziehen können. Viele können keinen Stift halten oder sich keine fünf Minuten konzentrieren. Immer mehr Kinder hinken im Spracherwerb noch so hinterher, dass sie die Worte, die sie lesen sollen, schlicht nicht kennen. Da braucht es Lösungen, die der Größe der Probleme entsprechen.

Hier führt das Startchancenprogramm von Bund und Ländern, das in dieser Woche beginnt, erstmals in die richtige Richtung: Nach Sozialindex verteilt fließen über zehn Jahre 20 Milliarden Euro gezielt in die Schulen, welche ein hoher Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besucht. Erstmals ist ein Programm so langfristig angelegt und startet in allen 16 Bundesländern gleichzeitig. Außerdem fördert es hauptsächlich Grundschulen – setzt also dort an, wo die Wurzeln des Problems liegen. Es bietet die Möglichkeit, endlich multiprofessionelle Teams an den Schulen zu stärken.

Startchancenprogramm erreicht nur zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler

Aber: Das Startchancenprogramm allein und ein paar Korrekturen bei den Grundschulen werden uns nicht aus der Krise ziehen. Zwei Milliarden Euro jährlich, das kann allenfalls ein Anfang sein. So wie es jetzt ausgestaltet ist, erreicht das Startchancenprogramm nur gut zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler. Das ist zu wenig. Allein der Anteil der Kinder, die unter Armut leiden oder armutsgefährdet sind, liegt bei über 20 Prozent.