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Traumspiele des 1. FC KölnAls der FC in Rostock das Schlimmste verhinderte

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Die Mannschaft des 1. FC Köln jubelt nach dem 1:0-Sieg von Rostock.

  1. Am 18. Mai 1996 ging es für den 1. FC Köln darum, den Abstieg in die Zweite Liga zu verhindern.
  2. Die Tabellenkonstellation vor dem letzten Spieltag war brisant: Wenn der 1. FC Kaiserslautern gegen Leverkusen gewonnen und der FC in Rostock verloren hätte, wäre der Abstieg besiegelt gewesen.
  3. Lesen Sie in dieser Folge unserer Serie „Traumspiele – Eine Zeitreise des Fußballs“ über den Karrierehöhepunkt von Holger Gaißmayer und wie sich der eigentlich beleidigte Sunday Oliseh doch noch zum Jubeln durchrang.

Köln – Der 18. Mai 1996 war an der Ostsee ein strahlend schöner Tag. Die Mannschaft des 1. FC Köln erlebte seinen Morgen direkt am Meer im legendären Hotel Neptun, das zur Raststation aller großen Fußball-Klubs geworden war, die seit der Vereinigung des deutschen Fußballs 1991 in Rostock spielten. Die kurze Anreise ans Ostsee-Stadion nahmen alle gern in Kauf. Doch für die heiter-maritime Stimmung des Seebades hatte keiner der Reisegruppe aus dem Rheinland einen Sinn. Es ging um die nackte Existenz. Nie in seiner Geschichte war der FC in die Zweitklassigkeit gerutscht. Doch an diesem Tag hätte es geschehen können.

Trainer Peter Neururer war gerade sieben Wochen im Amt. Am 1. April hatte er auf einem Abstiegsplatz den Job von Stephan Engels übernommen, der kurz nach Saisonbeginn für Morten Olsen gekommen war. Eine Saison mit drei Trainern geht selten gut. Unter dem forschen Westfalen hatte sich jedoch ein Aufschwung eingestellt, der von einem Mediengewitter begleitet wurde, seit Christoph Daum beim Heimspiel gegen Frankfurt auf der Tribüne gesehen wurde.

Christoph Daum spaltet die FC-Führung

Die FC-Führung unter Präsident Klaus Hartmann war zwiegespalten. Die einen wollten den Erfolgstrainer zurück, der sechs Jahre zuvor unter dubiosen Umständen entlassen und danach mit dem VfB Stuttgart Meister geworden war. Die anderen wollten das unter keinen Umständen. Daum hatte offenbar Bedingungen für einen radikalen Personalumbau gestellt, weshalb „schwarze Listen“ im Umlauf waren, auf denen die Namen der halben operativen Einheit des Klubs standen. Neururer löste das Problem kurzfristig mit einem 3:0-Sieg über Frankfurt, dessen Zeuge Daum war. Aber als am strahlenden 18. Mai das FC-Team in Warnemünde aufwachte, drohte immer noch der erste Abstieg der Klubgeschichte.

Der FC balancierte auf Platz 15 zwei Punkte über dem Abgrund, nur durch die Tordifferenz getrennt vom 14. Leverkusen. Auf dem ersten Abstiegsplatz – es gab in dieser Zeit keine Relegation – rangierte der 1. FC Kaiserslautern, der am letzten Spieltag in Leverkusen antreten musste. Ein Sieg der Pfälzer beim Werksklub und eine Kölner Niederlage in Rostock hätten das Schicksal des FC besiegelt.

Brodeln und Brummen im Ostsee-Stadion

Hansa Rostock hatte als Aufsteiger unter Trainer Frank Pagelsdorf eine sagenhafte Saison mit Siegen über Bayern und Dortmund hinter sich. Mit einem Erfolg über Köln hätte sich der letzte Meister des Ostens für den Uefa-Pokal qualifiziert. Es war ein Brodeln und Brummen im Ostsee-Stadion, das mitten in der Renovierung stand. Sitzen und arbeiten konnten die Journalisten nicht gut. Aber der Weg an den Spielfeldrand war unversperrt, weshalb auch sie vor allem in der Zweiten Halbzeit direkt an der Auslinie standen und Teil des Dramas wurden.

Ein Transistor-Radio war das Smartphone dieser Zeit. Jeder hatte eines. Zwischenstände waren alles. Und medizinische Fachkräfte. Dietmar Beiersdorfer, der damals beste und wichtigste Abwehrspieler des FC, war mit Magen-Darm-Grippe fiebernd nach Rostock angereist. Hinterher verrieten die Mediziner, dass ein Einsatz noch am Morgen unmöglich schien und auch bei jedem anderen Spiel der Saison nicht in Erwägung gezogen worden wäre. Aber es ging um alles. Es musste gehen.

Thiam ersetzt Oliseh

Peter Neururer hatte seine Mannschaft gegenüber der 1:2-Niederlage gegen das damals mächtige Werder Bremen in der Vorwoche nur auf einer Position verändert. Pablo Thiam, damals 22, spielte anstelle des stolzen Sunday Oliseh im Mittelfeld. Der spätere Olympiasieger nahm das persönlich und verfolgte das Spiel zunächst sehr reserviert.

Rostock mit seinen Jungstars Stefan Beinlich und René Schneider war von der Größe der Aufgabe überfordert. Auch ein gewisser Steffen Baumgart, heute Trainer des SC Paderborn, stand in der Startaufstellung. Die Kölner spielten kompakt und ließen wenig zu, auch wenn sie in der siebten Minute ein vermeintlicher personeller Rückschlag traf. Stefan Kohn, der an der Seite von Toni Polster stürmte, schied mit einer Muskelverletzung aus. Für ihn kam der als Joker erprobte Holger Gaißmayer. Nach knapp einer Stunde Spielzeit brach Unruhe aus im FC-Lager. Pavel Kuka hatte den 1. FC Kaiserslautern in Leverkusen mit 1:0 in Führung gebracht. Ein Tor von Rostock hätte den FC in den Abgrund stoßen können. Ein einziges Tor.

Gaißmayer erlebt seinen Karrierehöhepunkt

Aber das erzielte in der 72. Minute Holger Gaißmayer aus kurzer Distanz nach einem wunderschönen Pass von Pablo Thiam für den FC. Nachdem Markus Münch Leverkusen in der 82. Minute mit dem 1:1 gerettet hatte, waren die Dinge auch in Rostock klar. Nach dem Abpfiff von Schiedsrichter Krug stürmten alle, auch der zuvor beleidigte Oliseh, auf den Torschützen zu, der damals noch nicht wusste, dass er mit 25 Jahren den Höhepunkt seiner Karriere erlebte.

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Die Feierlichkeiten der Kölner endeten mit einer Runde Bier des Vorstandes auf dem Flughafen Rostock-Laage. Das Schlimmste war nicht geschehen. „Niemals Zweite Liga“ sangen die Fans auf der langen Heimreise, um die Dämonen der Zukunft gnädig zu stimmen. Die Stadt ging mit einem kollektiven Stoßseufzer der Erleichterung in die Sommerpause. Für Peter Neururer ging eine intensive Zeit in Köln weiter, deren größter Sieg nach Rostock ein spektakuläres 4:0 über Bayer Leverkusen war, mit dem der FC dem Rivalen im Mai 1997 eine Meisterschaft versaute.

Holger Gaißmayer blieb noch sieben Monate länger als der am 30. September entlassene Peter Neururer und erlebte den Alptraum des ersten FC-Abstiegs 1998 selbst mit. Nach einer Vielzahl von Stationen landete er beim Wuppertaler Stadtteil-Klub SV Vohwinkel und erzielte zwischen 2005 und 2008 in 88 Spielen 101 Tore.