Der neue FC-Coach Timo Schultz bekommt bei der Generalprobe in Essen deutlich vor Augen geführt, wo er jetzt ansetzen muss.
Vor dem ersten HeimspielViel Arbeit und kaum Zeit für Kölns neuen Trainer Timo Schultz
Wer gerade erst einen neuen, noch dazu äußerst schwierigen Job übernommen hat, wird nicht gleich alles in Grund und Boden stampfen. In einer ohnehin schon misslichen Situation hilft das auch nicht weiter. Eher wird man darauf bedacht sein, die positiven Aspekte hervorzuheben – und die negativen zwar nicht auszublenden, sie vor allem jedoch intern anzusprechen.
Timo Schultz, der neuer Trainer des FC, bildete da nach seiner Premiere auf der Kölner Trainerbank keine Ausnahme. In der Gesamtheit dürfte dem 46-Jährigen nicht gefallen haben, was er von seiner Mannschaft im Testspiel bei Rot-Weiss Essen (4:4) sah. Vier Gegentore bei einem Drittligisten sind selbst in 120 Minuten Gesamtspieldauer zu viele. Und es hätten noch mehr sein können, vor allem in den ersten 60 Minuten vergaben die Gastgeber beste Torchancen gegen einen in der Defensive bisweilen desolaten FC. Eine Woche vor dem Bundesliga-Neustart mit dem Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim (Samstag, 15.30 Uhr) bekam Schultz deutlich vor Augen geführt, welche Baustellen er hat.
1. FC Köln: Desolates Abwehrverhalten in der Anfangsphase
Viel Arbeit liegt vor ihm. Und wenig Zeit. Der Ostfriese hat nach dem trainingsfreien Montag nur vier Einheiten, um an den Schwachstellen zu arbeiten. Und davon gibt es einige. „Mit der ersten halben Stunde war ich überhaupt nicht zufrieden. Wir haben uns dann aber reingekämpft“, resümierte der Trainer. Das muss man erst einmal hinbekommen: Das Defensiv-Drama bei der Schultz-Premiere ging bereits nach 24 Sekunden los. Nach einem Ballverlust im Mittelfeld kassierten die Gäste früh das erste Gegentor. Dass der Torschütze auch noch Marvin Obuz hieß, war bezeichnend. Denn der an diesem Tag stark aufspielende 21-jährige Offensivspieler ist vom FC an RWE ausgeliehen.
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Auch in der Folge patzten die Kölner mehrfach. Da darf nicht als Ausrede gelten, dass der ramponierte Rasen an der Hafenstraße schwer zu bespielen war. Timo Hübers, zuletzt noch der beständigste Kölner Abwehrspieler, hatte einen gebrauchten Tag erwischt. Erst mit der Einwechslung von Jeff Chabot ab der 61. Minute, der nach einem Infekt noch Trainingsrückstand hat, wurden die Kölner stabiler.
„Wir wollten mutig sein und mit Ball unsere Aktionen haben, wollten auch immer wieder in die Schnittstellen reinspielen. Leider hatten wir zu viele Ballverluste und haben zu viele Chancen zugelassen. Da waren wir in der Absicherung nicht gut. In der letzten Linie waren Situationen dabei, in denen wir zu viel Risiko eingegangen sind. Wir werden an Kleinigkeiten arbeiten und defensiv stabiler werden müssen. Das wird der Schwerpunkt nächste Woche sein“, sagte Schultz, der auf eine 4:1:3:2-Grundordnung setzte, in der Eric Martel vor der Abwehr fungierte. Im Mittelfeld brachte Schultz Kapitän Florian Kainz, der bei Steffen Baumgart keine feste Position mehr hatte, wieder auf der linken Seite. „Florian hat seine größten Stärken, wenn er nach innen ziehen kann, wenn er selbst torgefährlich werden und seine Mitspieler in Szene setzen kann. Ich habe heute viele gute Aktionen gesehen. Ich reduziere die Spieler nicht auf einzelne Positionen, aber grundsätzlich sehe ich ihn im linken offensiven Raum“, erklärte Schultz. Neben Davie Selke stürmte von Beginn an Mark Uth, aber der fällt nach seiner in der 32. Minuten erlittenen Knieverletzung jetzt mehrere Wochen aus.
Lichtblicke in den zweiten 60 Minuten – Talente deuten Potenzial an
Schultz sah allerdings auch, dass die Mannschaft, die in den zweiten 60 Minuten auflief und nominell eigentlich schwächer besetzt war, konzentrierter, stabiler und auch mit mehr Zug und Ideen im Offensivspiel einen besseren Eindruck hinterließ. Erfreulich war insbesondere der Auftritt des bereits ab der 48. Minute eingewechselten Jaka Cuber Potocnik, der somit zu seinem Profi-Debüt für den FC kam. Kurzfristig ist der 18-jährige Stürmer keine Hilfe, da er nach dem Cas-Urteil noch bis Mitte März für Pflichtspiele gesperrt ist.
Justin Diehl, ein weiteres großes Talent, präsentierte sich in seinem Kurzeinsatz als sehr spielfreudig, der 19-Jährige ist ein Offensivspieler für die besonderen Dinge und sucht die Dribblings. Diehl tut es offenbar so gut, dass er nun wieder bei den Profis mitspielen darf. „Man sieht seine enorme Qualität. Er sucht immer das Eins-gegen-eins, er muss sich nur noch etwas an die Körperlichkeit gewöhnen. Es ist aber normal, dass jemand wie er Lehrgeld bezahlen muss“, sagte Schultz. Auf den auch erst 21-jährigen Jan Thielmann kann er sich ohnehin verlassen. Auch wenn dem Außenspieler technisch nicht immer alles gelingt, so ist er doch ein Vorbild an Einsatz, Energie und Ehrgeiz. Thielmann geht voran – und übernahm nach der Kainz-Auswechslung die Kapitänsbinde.
Schultz versteht sich als Trainer, der aktiv, aggressiv und offensiv spielen lassen will. In Ansätzen sah man das in Essen. „Wir hatten unfassbar viele Chancen im letzten Viertel. Das will ich positiv hervorheben. Die Moral war gut. Ich habe eine Truppe gesehen, die lebt, die Lust hat, Dinge umzusetzen“, befand der Coach, der aber weiß, dass der kommende Gegner Heidenheim ein anderes Format hat als ein ambitionierter Drittligist.
Schultz muss jetzt seine Startelf finden, er wird seine Lehren aus der Generalprobe gezogen haben. „So ein Spiel hilft mir natürlich weiter, um zu sehen, wer im Wettkampf ready ist und vielleicht auch die anderen mitziehen kann. Wir brauchen jeden Spieler. Nicht nur, weil wir die Transfer-Sperre haben. Die Saison wird lang sein, da benötigen wir einen langen Atem. Wir können das nicht in acht bis zehn Spielen korrigieren. Deswegen liegt unser Augenmerk nicht nur auf den 14 oder 15 Spielern, sondern auf jedem im Kader“, sagte der Ostfriese, der selten laut wird und umgänglich wirkt. Der aber auch konsequent, direkt und hart sein muss, wenn sein Team auftritt wie in der Anfangsphase in Essen. „Wenn ich sehe, dass die Spieler alles reinwerfen und mit Begeisterung dabei sind, werden sie mit mir nie ein Problem kriegen. Wenn ich das Gefühl habe, dass sie nachlässig werden oder zu viel Risiko gehen, dann kann man auch mal ein Problem mit mir kriegen, dann werde ich auch lauter. Aber immer auf einer Sachebene“, sagte Schultz.