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Derby gegen GladbachFC-Geschäftsführer Alexander Wehrle stellt die Sinnfrage

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Blick ins leere Rhein-Energie-Stadion

Köln – In der offiziellen Stellungnahme, die der 1. FC Köln am Freitagmittag verbreitete, klang Alexander Wehrle angemessen enttäuscht; so ein rheinisches Derby ohne Zuschauer ist ja auch eine traurige Angelegenheit. „Das tut mir sehr leid für unsere Fans und für unsere Mannschaft, der die Unterstützung im Derby richtig gutgetan hätte“, ließ sich der Geschäftsführer des 1. FC Köln zitieren. So weit, so schade – immerhin gestatteten die Behörden dem FC am Freitagabend, 300 Zuschauer auf die Ränge zu lassen. Was dem Verein zwar auf der Einnahmenseite nicht hilft, die Atmosphäre aber merklich verbessert.

Schon gegen Hoffenheim ohne Publikum

Doch offenbar spürte Wehrle mehr als Mitgefühl mit Dauerkartenkunden und Spielern, als rund 30 Stunden vor dem Anpfiff der Partie feststand, dass der 1. FC Köln wie schon zum Saisonstart gegen die TSG Hoffenheim (2:3) ohne Publikum auskommen muss. Der 45-Jährige scheint an den Grenzen dessen zu sein, was er hinnehmen kann. „Die Corona-Schutzverordnung sieht vor, dass bei einem Wert über 35 keine Zuschauer zugelassen werden können. Das müssen wir akzeptieren, und wenn wir unseren Teil dazu beitragen können, dass wir die pandemische Entwicklung in Köln damit in den Griff bekommen, machen wir das sehr gern“, hob Wehrle an. Um dann jedoch mitzuteilen, dass es auch an der Zeit sei, „ein paar Fragen zu stellen“.

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Eine bezog er auf das Konzept des 1. FC Köln, das mit dem Gesundheitsamt besprochen und als tragfähig anerkannt worden ist. Dieses Konzept hat zum Ziel, dass Menschen im Stadion einander nicht anstecken können, weil sie Abstand halten, Masken tragen und ja grundsätzlich unter freiem Himmel sitzen. „Jetzt mal unabhängig von den Inzidenzwerten; ob die bei 20, 30 oder 40 sind: Das Konzept ist tragfähig. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass man sich ansteckt im Stadion, ist sehr gering“, sagt Wehrle.

Das Vorgehen der Behörden stört den Kölner Finanzchef insgesamt, er ist mittlerweile an dem Punkt, öffentlich die Sinnfrage zu stellen. „24 Stunden vor dem Spiel bekommen wir mit, dass wir keine Zuschauer ins Stadion lassen können – Mittwoch aber hätten wir spielen dürfen. Wenn man weiß, dass sich am Wochenende offenbar viele anstecken und dadurch die Werte am Donnerstag und Freitag hoch sind, muss man die Frage stellen: Ist der Zeitpunkt der richtige? Und ist die Zahl die richtige?“

DFL nutzt einen anderen Wert

Wehrle sieht auch das lokale Infektionsgeschehen nicht korrekt berücksichtigt. Die Deutsche Fußball-Liga etwa nimmt einen anderen Wert, wenn es darum geht, ob und unter welchen Maßgaben Spiele stattfinden können: Gilt in Köln die Inzidenzzahl des Kölner Stadtgebiets, nimmt die Liga einen Durchschnitt der jeweiligen Stadt, auf deren Gebiet das Stadion steht, und aller angrenzenden Kreise. Für Köln hätte das am Freitag eine Inzidenzzahl von 23,9 bedeutet – der FC hätte also problemlos vor Publikum spielen können.

Spiel in Frankfurt trotz Inzidenzzahl von 42 erlaubt

Aus Sicht des Vereins ist es eine falsche Voraussetzung, ein FC-Spiel auf Basis der Kölner Zahlen ohne Publikum stattfinden zu lassen. „50 Prozent unserer Dauerkartenkunden kommen nicht aus Köln, sondern aus dem Speckgürtel.“ In Frankfurt haben die Behörden einen anderen Weg beschritten. Zwar sprang die Inzidenzzahl dort am Freitag von 25,6 auf 42 und damit weit über den Grenzwert von 35. Doch konnten die hessischen Behörden den Ausbruch lokal eingrenzen, offenbar gab es einen Infektionscluster in einer Gemeinschaftsunterkunft, in der Geflüchtete, osteuropäische EU-Bürger und Obdachlose leben. Daher teilte das Frankfurter Gesundheitsamt der Eintracht mit, dass der „Wert allein keine Auswirkungen auf die Genehmigungslage“ habe. Das Hygienekonzept der Eintracht, das bereits zum Heimspiel-Auftakt gegen Bielefeld zur Anwendung gekommen war, wird weiterhin als ausreichend empfunden, selbst wenn die Grenzwerte übertroffen werden.

Unterschiedliche Konzepte

Ebenfalls störte die Kölner das, was Wehrle meinte, indem er die „Verhältnismäßigkeit“ in Frage stellt. Einerseits hatte er zuletzt angemerkt, dass in Brühl bei tragfähigem Hygienekonzept und niedriger Inzidenzzahl Tausende Besucher ins Phantasialand dürfen. Zwar liegt Brühl im Rhein-Erft-Kreis und das Stadion auf Kölner Stadtgebiet. Doch weder sind alle Besucher des Phantasialands Brühler – noch stammen alle Besucher eines FC-Spiels aus Köln. „Wenn man feststellt, dass bei uns unter freiem Himmel eine Kapazität von 20 Prozent, also 9200 von 46.000, nicht zugelassen wird, während in derselben Stadt in der Philharmonie 1000 Besucher in einem geschlossenen Raum sein konnten bei einer Gesamtkapazität von 2000 Plätzen, frage ich mich, ob die bundesweit einheitliche Teamsport-Schutzverordnung zeitgemäß – oder man da noch einmal drüber nachdenken muss“, sagt Wehrle.