Der Bundesligist verliert seinen besten Spieler und Kapitän, denn Jonas Hector lässt seinen Vertrag auslaufen.
Jonas Hector beendet KarriereDer Unersetzliche hört beim 1. FC Köln auf
Jonas Hector hat es sich also nicht mehr anders überlegt. Ein plötzlicher Meinungswechsel galt in den vergangenen Monaten als einzige Chance für den 1. FC Köln, seinen Kapitän und besten Spieler in diesem Sommer nicht zu verlieren. Doch Hectors Vertrag wird zum 30. Juni auslaufen.
Davon hatte man seit längerer Zeit ausgehen dürfen. Wer Hector in den vergangenen Wochen spielen sah, fragte sich dennoch: Würde dieser 32-Jährige, der ohne nennenswerte Verletzungen durch diese Saison geht, die seine letzte sein wird, einfach weitermachen, weil es so schön ist? Die Antwort hat er nun gegeben: Er hört auf. Und es scheint wenig Spontanes daran gewesen zu sein.
Der Verein hat Geduld gehabt mit Hector, allerdings hatten die Kölner so oder so keine Möglichkeit, die Zeit nach Jonas Hector zu planen. Eine Persönlichkeit wie den 43-maligen Nationalspieler findet man nicht zufällig, während man den Kader sportlich neu aufstellt.
Als Hector im Jahr 2010 aus einem 2500-Seelen-Dorf im Saarland nach Köln kam, wusste schließlich auch noch niemand, wen man da verpflichtet hatte. Rund 400 FC-Spiele später weiß man es, und es ist nicht davon auszugehen, dass der 1. FC Köln mittelfristig wieder einen Spieler haben wird wie Jonas Armin Hector, geboren am 27. Mai 1990 in Saarbrücken. Einerseits wäre einer wie Hector für den 1. FC Köln nicht zu bezahlen, Profis wie er spielen normalerweise in der Champions League. Hinzu kommt, dass die Kölner angesichts der drohenden Sperre durch die Fifa in diesem Sommer keine neuen Spieler verpflichten dürfen.
Auch Hectors designierter Nachfolger Leart Paqarada, der 28-jährige Kapitän des Zweitligisten FC St. Pauli, wird nach heutigem Stand vorerst nicht Spieler der Kölner werden, da sein Vertrag zwar unterschrieben, jedoch mit der aufschiebenden Bedingung einer Spielgenehmigung versehen ist. Jonas Hector ist also auf mehreren Ebenen unersetzlich für Köln: Als Fußballer, als Kapitän – und überhaupt.
Dass Hector überhaupt ein ganzes Profileben lang in Köln blieb, ist angesichts seiner Biografie nur folgerichtig. Sein erstes Pflichtspiel für den FC absolvierte er mit 20, erst mit 24 Jahren stand er erstmals in einem Bundesligaspiel auf dem Platz, im selben Jahr bestritt er sein erstes von 43 Länderspielen. Er hatte sich Zeit gelassen. „Ich war ja noch ziemlich lang in der Heimat, im Saarland“, sagte er vor der EM 2016 im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Hector war schon vor seinem Wechsel nach Köln aufgefallen. Die Schleppnetze des Profifußballs sind zu feinmaschig, um einen wie Hector entkommen zu lassen. Er hatte sich umgeschaut und auch mal die Einladung zum Probetraining angenommen. Doch erst als Erwachsener war er dem Ruf aus Köln gefolgt und in den Profifußball gewechselt. „Ich möchte meine Jugendzeit nicht missen, mit meinen Freunden zu Hause. Und jetzt habe ich das Leben, das ich mir als Kind erträumt habe“, sagte er einmal. Doch die Erdung durch die dörfliche Herkunft blieb für Jonas Hector ein Faktor. „Bei mir zu Hause gibt es jetzt Leute, die jemanden kennen, der es bis in die Nationalelf geschafft hat“, beschrieb er mal. Ihm war bewusst, dass ihm Millionen Menschen beim Fußballspielen zusahen. Doch die wichtigsten Zuschauer saßen daheim in Auersmacher oder reisten von dort zu seinen großen Partien.
Angebot des FC Barcelona abgelehnt
Nicht jeder Kindheitstraum erweist sich in der Realität als ausschließlich traumhaft, und auch Jonas Hector hat Rückschläge erlebt im Sport. Erlebte den Abstieg in der Saison 2017/18, als er wegen einer Verletzung beinahe die gesamte Hinrunde verpasste. Einer Verletzung, die er im Europa-League-Spiel beim FC Arsenal erlitten hatte. Eine Anekdote in Hectors Laufbahn, die eine bittere Note hat: Nach Platz fünf und der sensationellen Rückkehr nach Europa im Mai 2017 hatte Hector ein Angebot des FC Barcelona abgelehnt, das ihm noch mehr Ruhm und dem 1. FC Köln eine Ablöse von 40 Millionen Euro eingebracht hätte.
Doch angesichts der Aussicht, mit Köln international zu spielen, hatte er sich gegen die Wucht des katalanischen Giganten entschieden. Um dann verletzt dabei zuzusehen, wie alles den Bach runterging. Nach dem Abstieg hatte Hector zu den Profis gezählt, die den Gang in die Zweite Liga mitgemacht hatten und dafür nach dem Wiederaufstieg fürstlich entlohnt worden waren. Finanziell hat Hector dem FC damit weniger gegeben als etwa Lukas Podolski, der aus der eigenen Jugend kam und in den Jahren 2006 und 2012 Ablösen einbrachte, die dem Verein jeweils die Existenz retteten.
Hector gab seinen Abschied nach dem Sieg in Hoffenheim bekannt, der den Kölnern die Punkte 33 bis 35 einbrachte und damit den Klassenerhalt. Doch das Feld beim FC ist nur scheinbar bestellt. Hector verlässt den Klub in schwierigen Zeiten, und dass er seinen Traum vom Profifußball gerade jetzt beendet, ist ein Beleg dafür, dass da eine Last ist. Die Frage nach dem Ende der Karriere sei eine Entscheidung gewesen, „die sich ergeben muss“, beschrieb FC-Geschäftsführer Christian Keller (44) im Herbst: „Wenn Jonas am 15. Juni sagt: „Ich habe doch noch Lust zu spielen“, dann glaube ich schon, dass wir Verwendung für ihn hätten.“
An der Lust dürfte es jedoch letztlich nicht gelegen haben. Eher an der anderen Seite der Waage. Dort scheint etwas den Faktor Freude am Fußball und daran, Kapitän des 1. FC Köln in der Bundesliga zu sein, klar zu überwiegen. Was genau das ist, wird der Familienvater, der mit seiner Frau Anika einen zweijährigen Sohn hat, für sich behalten. Die Schicksalsschläge, die Hector in den vergangenen Jahren erlitten hat, werden eine Rolle gespielt haben. Doch der Mitteilungsdrang des Spielers zu persönlichen Themen war nie allzu hoch. Und das werden die Gründe für seinen Abschied ausschließlich sein: persönlich.
Hector war zwar als Protagonist des Showgeschäfts Profifußball eine Person des öffentlichen Interesses. Doch über seine Arbeit als Fußballer hinaus war er nicht präsent. Es ist also davon auszugehen, dass die öffentliche Person Jonas Hector in dem Moment verschwinden wird, in der die Karriere des Fußballers Jonas Hector endet. Mit einem Heimspiel in Müngersdorf gegen den FC Bayern, das womöglich die deutsche Meisterschaft entscheidet. Danach wird es vorbei sein. Er wird fehlen.