Köln – Nicht wenige Menschen behaupten, sie hätten das Unglück kommen sehen – damals, am 20. Mai 2017. Der 1. FC Köln erreichte an diesem warmen Tag, der sich schon wie Sommer anfühlte, mit einem 2:0-Sieg über Mainz vor 50.000 teils bis zum heutigen Tag fassungslosen Zuschauern erstmals nach 25-jähriger Pause und fünf Abstiegen wieder den europäischen Wettbewerb.
Nach Hectors Treffer aus der 43. Minute hatten die Kölner geführt und ein hoch überlegenes Spiel geboten. Doch ein Ausgleich hätte den Traum beenden können, daher wurde mächtig gezittert auf den Tribünen Müngersdorfs. Leonardo Bittencourt ging in der 79. Minute vom Platz. Acht Minuten später sorgte Yuya Osako mit dem 2:0 für die Entscheidung, kurz vor dem Schlusspfiff schritt er zur Ehrenauswechslung, der Rest war ein Meer aus Kölner Jubel und Freudentränen. Jedenfalls vorerst.
1. FC Köln: Dem Jubel folgte das Unglück
Denn tatsächlich kam das Unglück über den 1. FC Köln. Ein Jahr später war der Verein nach einer Saison wie aus einem Alptraum wieder einmal abgestiegen. Die Mannschaft war früh aus der Europa League gestürzt und hatte Rekordtrainer Peter Stöger verloren. Nun fiel sie auseinander. Yuya Osako ging nach Bremen, Leonardo Bittencourt zur TSG Hoffenheim. Die Helden des 20. Mai zogen weiter, und mit ihnen Claudio Pizarro, den der FC als vertragslosen Spieler verpflichtet hatte, als bereits sechs der ersten sieben Bundesligaspiele verloren gegangen waren.
Bittencourt wurde nach einem Jahr beim Champions-League-Teilnehmer Hoffenheim nach Bremen ausgeliehen. Drei ehemalige FC-Offensivspieler stehen damit in Werders Kader für die Partie am Samstag gegen den 1. FC Köln. Markus Gisdols Mannschaft hat sich bereits am vergangenen Wochenende gerettet, für die Bremer dagegen ist die Rettung derzeit weit entfernt. Zwei Punkte und vier Tore stehen sie hinter Fortuna Düsseldorf, erst 36 Tore hat Werder in dieser Saison erzielt, nie zuvor waren es derart wenige.
Werder Bremen braucht hohen Sieg
Das mit den Toren ist nicht ganz unerheblich. Werder hat es zwar nicht mehr in der eigenen Hand; selbst ein Sieg über den 1. FC Köln reichte nicht automatisch für die Relegation. Sollte allerdings Fortuna Düsseldorf gegen Union Berlin nicht über ein Unentschieden hinauskommen, reichte Bremen ein Erfolg über Köln – allerdings nur einer mit mindestens vier Toren Vorsprung. Das ist bei bislang 16 Heimtoren in dieser Spielzeit schwierig vorstellbar, selbst gegen den Aufsteiger aus Köln mit seiner extrem anfälligen Defensive. Es sei nun „sehr schwer, den Klassenerhalt noch über die Relegation zu realisieren“, sagte Werder-Coach Florian Kohfeldt zuletzt.
Claudio Pizarros Karriere-Ende
Claudio Pizarro droht ein tragisches Ende seiner glanzvollen Karriere. Der Peruaner hat alles gewonnen, was es im Vereinsfußball zu gewinnen gibt, nicht zuletzt die Herzen der Fans. Mit nun 41 Jahren wird er sich am Samstag in den Ruhestand verabschieden. Doch sollte der Tag verlaufen, wie es sich andeutet, könnte Pizarros Karriere nach 490 Bundesligaspielen mit einem Abstieg vor leeren Rängen enden.
Für die Kölner geht es um zu viel, um den ehemaligen Kollegen noch wenigstens den Weg in die Relegation freizumachen. Zunächst braucht Gisdols Mannschaft mit seit dem Restart acht Sieglosen Partien einen Erfolg, um sich mit einem positiven Erlebnis in den Sommer zu verabschieden. Hinzu kommt, dass ein Spiel wie das in Bremen einem frisch geretteten Aufsteiger die schöne Gelegenheit bietet, seine Professionalität unter Beweis zu stellen.
Thomas Kessler für Timo Horn im Tor?
Zuletzt war ein Satz Timo Horns aus der Winterpause nochmals in die Diskussion geraten. „Mich würde es freuen, wenn es Düsseldorf wird“, hatte der Keeper mit Blick auf einen möglichen Absteiger gesagt. Es ist allerdings möglich, dass Horn am Samstag gar nicht im Tor stehen wird. An seiner Stelle könnte Trainer Markus Gisdol den langjährigen Ersatzkeeper Thomas Kessler (34) einsetzen, dessen auslaufender Vertrag nicht verlängert wird. Kessler käme dann sicher zu seinem Abschiedsspiel im FC-Trikot; zwar vor leeren Rängen, aber mit versöhnlichem Ausgang. Timo Horn könnte dann pausieren. Was wohl keine Wettbewerbsverzerrung darstellte, denn Kessler ist auch mit 34 Jahren noch in tadelloser Verfassung – und Torwarttrainer Andreas Menger würde Gisdol wohl davon abraten, Kessler einzusetzen, wäre es anders.
Es geht um viel Geld
Außerdem haben die Kölner die Chance, einen Gegner, der ihnen in den vergangenen Jahrzehnten meilenweit enteilte, Titel gewann und regelmäßiger Teilnehmer an der Champions League war, ordentlich zurückzuwerfen. Bremen hätte im ersten Zweitligajahr seit der Saison 1980/81 mit erheblichen Einbußen zu kämpfen, die noch verschärft würden, weil Werder vorerst ohne Zuschauereinnahmen auskommen müsste.
Nicht zuletzt geht es auch für die Kölner um viel Geld. 70 Prozent der Einnahmen aus den TV-Verträgen werden am Abschneiden in der Bundesliga der vergangenen fünf Jahre gemessen, wobei die aktuelle Saison fünffach gewertet wird. Je nach Verlauf des Spieltags geht es für die Kölner um bis zu fünf Millionen Euro – zu viel Geld, um den ehemaligen Kollegen aus alter Freundschaft eine Gefälligkeit zu erweisen. „Wir sind es der Liga und dem Wettbewerb schuldig, eine richtig gute Leistung zu zeigen“, sagte Heldt: „Wir schenken nichts ab, sondern wollen für uns selbst einen guten Abschluss finden.“