Köln – Der Abstiegskampf in der Bundesliga, er zerrt an den Nerven. Druck und Anspannung sind immens. Bei ums sportliche Überleben kämpfenden Traditionsklubs wie dem 1. FC Köln und Schalke 04 besonders. Wie viel am Mittwochabend von Markus Gisdol abfiel, wurde nach dem 2:1-Sieg im Kellerduell in Gelsenkirchen deutlich. Mit dem Schlusspfiff fielen sich der Kölner Trainer und Sportchef Horst Heldt in die Arme, Gisdol ballte die rechte Faust. Das Ende eines persönlichen Jubellaufs, der erst durch den Treffer des 18-jährigen Jan Thielmann in der dritten Minute der Nachspielzeit möglich geworden war.
„Es geht nicht um mich“, versicherte der in der Kritik stehende Gisdol nachher: „Ich habe mich so gefreut wie ich mich bei jedem Sieg freue.“ Aber der glückliche Erfolg, der erst dritte im 17. Saisonspiel, kann später einmal vielleicht als Meilenstein im Kampf um den Klassenerhalt bezeichnet werden. Fest steht bereits, dass der FC durch diesen jeweils acht Punkte Vorsprung auf Mainz und Schalke auf den direkten Abstiegsplätzen hat. Doch Sportchef Heldt glaubte Gisdol, dass der nicht in erster Linie seine eigene Situation im Blick hatte. „Dass Druck da war, ist doch klar. Ich finde es auch gut, wenn man Emotionen zeigt. Nach dem Verlauf in der Nachspielzeit das Spiel zu gewinnen, das löst in dem Augenblick etwas“, sagte Heldt einen Tag nach dem Sieg im West-Duell: „Aber ich weiß, dass er sich in erster Linie für die Mannschaft gefreut hat.“
Seinen Emotionen freien Lauf ließ auch Jan Thielmann. Das Talent genoss den bisher wichtigsten Moment seiner jungen Karriere. „Beim Tor war der Kopf komplett ausgeschaltet, ich habe mich voll und ganz auf den Schuss konzentriert. Ich weiß gar nicht mehr, wo und wie ich geschossen habe – Hauptsache, der Ball war drin. Das war bislang mein wichtigstes Tor, das kann man so sagen.“ Und in der Entstehung war es so typisch für diesen FC, der seine Fans so viele Nerven kostet. Einen aussichtsreichen Konter vergibt der Gast erst haarsträubend. Thielmann kann den Ball nicht kontrollieren, bleibt am Schalker Stambouli hängen. Weil die Kölner Glück haben, nicht aufstecken und die Schalker unfähig sind, bekommen sie den Ball zurück. Elvis Rexhbecaj beweist Übersicht, schickt Thielmann mit einem feinen Pass in die Tiefe. Der behält die Nerven und überwindet Torhüter Fährmann mit einem harten Flachschuss. Jubel. Abpfiff. Wieder Jubel.
Heldt: „Ein Charaktersieg"
Mit diesem Erfolg, den Heldt als „Charaktersieg“ bezeichnete, dürfte Gisdol vorerst wieder seine Position gestärkt haben. Und der Trainer bewies ein goldenes Händchen. Er reagierte spät, fast zu spät, aber wechselte mit Thielmann und Rexhbecaj den Sieg ein. „In der 88. Minute zwei Offensive zu bringen, war ein Zeichen“, lobte Heldt. Es war das Zeichen für eine späte Schlussoffensive, an der bezeichnenderweise Anthony Modeste nicht mehr teilnehmen durfte. Dass Gisdol den Erfolg dann als „verdienten Sieg“ bezeichnete, entsprach wohl eher seiner persönlichen Sicht in der Hitze des Gefechts. Aushilfsstürmer Marius Wolf war da ehrlicher: „Zum Anschauen war es bestimmt kein schönes Spiel, aber es ist scheißegal, wie man die Punkte holt.“
FC bricht ein, Schalke nutzt es nicht
Nach einem Schalker Übergewicht in der Anfangsphase bekam der FC das Spiel ab der 25. Minute in den Griff. Nach dem 1:0 durch Rafael Czichos (31.) hätten die Gäste mit 2:0 in Führung gehen können, doch Kingsley Ehizibues schwacher Abschluss und Pfostenpech verhinderten das. Unerklärlich ist indes, wie der FC dann das Spiel aus der Hand gab, von Minute zu Minute schwächer und hilfloser wurde. Die Kölner bauten Schalke auf und konnten sich beim Gegner bedanken, dass der die Einladung nicht annahm und vorerst abgehängt ist.
„Das Polster tut uns gut. Es geht jetzt darum, das zu verteidigen und weiter auszubauen“, sagte Heldt und erinnerte erneut an das Saisonziel, das kleinste aller möglichen: „Wir haben immer prognostiziert, dass es ein schwieriges Jahr für uns wird und wir im Abstiegskampf sein werden. Das hat sich bewahrheitet, und wir werden noch viel Ausdauer brauchen, um unser Ziel zu erreichen.“
Dazu beitragen soll ein neuer Stürmer, der dem FC aus dem Stand weiterhelfen könnte. Denn die Kölner Offensive ist weiterhin ein laues Lüftchen. Mehr als eine Ausleihe ist nicht drin. „Es gibt nichts Neues. Wir prüfen den Markt und halten die Augen offen“, sagte Heldt. Viel Zeit bleibt nicht, am 31. Januar schließt das Transferfenster. „Natürlich hat auch das Spiel gezeigt, wo man ansetzen kann. Aber am Ende muss alles für uns finanzierbar sein.“
Kainz trainiert wieder
Florian Kainz stand am Donnerstag erstmals seit seiner schweren Knieverletzung wieder auf dem Trainingsplatz. Der Österreicher absolvierte mit Reha-Trainer Leif Frach Übungen mit und ohne Ball. Der offensive Außenspieler fehlt den Kölner bereits seit dem Trainingslager in Donaueschingen im August. Der FC hofft, dass Kainz Anfang bis Mitte Februar ins Mannschaftstraining zurückkehren kann und im letzten Saisondrittel noch einmal zur Verfügung steht.
Torschütze Rafael Czichos blieb am Mittwochabend mit muskulären Problemen am Gesäß zur Halbzeit in der Kabine. „Ich hoffe, dass er nicht ausfällt und dass wir rechtzeitig gewechselt haben“, sagte Trainer Markus Gisdol. (LW)