Durch einen 3:2-Sieg gegen Union Berlin hat der FC den Abstieg in die 2. Bundesliga vorerst abgewendet. Doch Dortmunder Schützenhilfe bleibt später aus. Das Kölner Spektakel in der Analyse.
3:2 in der AnalyseKölsches Wunder hält den 1. FC Köln am Leben – „Eigentlich waren wir weg“
Der 1. FC Köln hält den Traum vom Klassenerhalt durch einen späten Siegtreffer gegen Union Berlin am Leben und darf im letzten Spiel der Saison beim 1. FC Heidenheim um die Erstklassigkeit kämpfen.
Das Wichtigste zuerst
Der 1. FC Köln sah bis zur 87. Minute schon wie der sichere Absteiger aus der Bundesliga aus, und so mancher hatte sich darauf wohl auch schon eingestellt. Doch dann folgte ein weiteres kölsches Fußball-Wunder, das sich bis zur 87. Minute nicht wirklich angedeutet hatte. Die Mannschaft lehnte sich noch einmal gegen ihr Schicksal auf, wollte es einfach nicht akzeptieren. Und drehte wie schon beim 2:1-Sieg gegen Bochum die Partie, das Endspiel im Kampf um den Klassenerhalt.
Der FC bezwang Union Berlin, das tatkräftig dabei mithalf, tatsächlich noch mit 3:2. Die eingewechselten Stürmer Steffen Tigges und Damion Downs waren mit ihren Treffern in der 87. und der dritten Minute der Nachspielzeit die Kölner Helden. Das Stadion in Müngersdorf explodierte danach, wildfremde Menschen lagen sich vor Freude in den Armen.
Der FC verhinderte am Samstag damit den direkten Abstieg, der bereits im Fall eines Unentschiedens besiegelt gewesen wäre. Damit ist auch klar: Die Kölner bekommen noch ein weiteres Endspiel am letzten Spieltag am kommenden Samstag in Heidenheim.
Nach den großen Glücksgefühlen am späten Nachmittag folgte am Abend allerdings noch ein Stimmungsdämpfer. Da Mainz 05 eine auf zehn Positionen veränderte B-Elf von Borussia Dortmund deutlich mit 3:0 bezwang, ist der FSV (32 Punkte) für den FC (27) nicht mehr einzuholen. Es gab also keine Schützenhilfe durch einen sich am Rande der Wettbewerbsverzerrung agierenden BVB. Es heißt also für Köln: Relegation oder Abstieg Nummer sieben. Da die Kölner „nur“ mit einem Treffer Unterschied gegen Union gewannen, muss die Mannschaft von Trainer Timo Schultz am letzten Spieltag zudem drei Punkte und drei Tore auf die Ostberliner aufholen, die zudem insgesamt noch vier Treffer mehr erzielt haben. Heißt also: Sollte Union daheim gegen den SC Freiburg, für den es noch um den Europapokal geht, beispielsweise mit 0:1 unterliegen, müssten die Kölner schon mit drei Toren Unterschied beim Aufsteiger Heidenheim gewinnen, der theoretisch sogar auch noch eine Chance auf Europa hat. Nicht unmöglich, aber ungemein schwierig.
Die Tore
Mit dem ersten ernsthaften Angriff ging Union in der 15. Minute in Führung. Nach einem Eckball von Christopher Trimmel kam Innenverteidiger Robin Koche zentral aus sechs Metern frei zum Kopfball und nickte den Ball ein. Der Doppelschlag der Gäste folgte: Nach einer weiteren Ecke köpfte Rani Khedira die Kugel aus kurzer Distanz an die Hand von Faride Alidou. Der sah den Ball zwar nicht, hielt die Hand aber sehr hoch. Der Videoschiedsrichter schaltete sich ein. Den fälligen Strafstoß verwandelte Kevin Volland flach mittig zum 2:0 für Union (19.).
Kurz vor der Pause kam der FC zurück in die Partie – und es war nicht verwunderlich, dass da die Gäste entscheidend mithelfen mussten. Nach einem Eckball klammerte Khedira im Strafraum zu lange gegen Timo Hübers und brachte den Kölner Verteidiger zu Fall. Den Strafstoß verwandelte Kapitän Florian Kainz wuchtig ins linke Toreck zum 1:2 (45.). Für den Österreicher war es das fünfte Saisontor – alle per Elfmeter.
Der finale Kölner Wahnsinn begann in der 87. Minute. Nach einem Abschlag von Torwart Marvin Schwäbe landete der Ball über Timo Hübers und Mark Uth im Strafraum bei Steffen Tigges, der freistehend per Kopf gegen die Bewegung von Torwart Rönnow zum 2:2 einköpft. Nach einer fahrlässig vergebenen Chance zum 3:2 für ein mittlerweile völlig uninspiriertes Union kam der FC doch noch einmal zu einem Konter. Linton Maina nutzte den freien Raum auf der linken Seite und schlug den Ball genau im richtigen Moment auf den mitgelaufenen Damion Downs, der rund fünf Meter vor dem Tor den Ball ins Tor einköpfte und Müngersdorf so zum Beben brachte. Und Union war down.
Das war gut
Trainer Timo Schultz hatte zuletzt einige Kritik einstecken müssen, diesmal lag er mit vielen personellen Entscheidungen richtig. Die Umstellung zur zweiten Halbzeit von einer Vierer- auf eine Dreierabwehrkette mit Dominique Heintz machte sich bezahlt.
Der Coach wechselte in Steffen Tigges und Damion Downs die entscheidenden Joker ein. Und brachte nach einer Stunde Mark Uth, dessen fußballerische Qualität sofort zu erkennen war. Und die Moral der limitierten Mannschaft ist ohnehin intakt, das bewies sie in dieser Saison bereits mehrfach.
Das war schlecht
Trotz aller Defizite wurde die Mannschaft von den Kölner Fans erneut grandios unterstützt, doch auf der Südtribüne sorgten einige Anhänger mit einem Transparent in der ersten Halbzeit gegen Oberbürgermeisterin Henriette Reker für einen Eklat. Man darf getrost die OB für ihre Politik insbesondere in Sachen Geißbockheim-Ausbau kritisieren, man darf ihr ein Umfallen vorwerfen, doch das geschmacklose Banner überschritt eindeutig Grenzen. Die Vereinsführung darf den Vorgang nicht so stehen lassen.
Zudem bezahlte der FC die Fußball-„Schlacht“ mit einigen Ausfällen. Luca Waldschmidt und Max Finkgräfe hat es offenbar schwerer erwischt, Trainer Timo Schultz konnte bei beiden noch keine Diagnose geben. Aber Linksverteidiger Finkgräfe musste sogar in die Kabine getragen werden. Zudem sahen Benno Schmitz und Denis Huseinbasic jeweils die fünfte Gelbe Karten und werden in Heidenheim deshalb fehlen.
Mann des Spiels
Damion Downs. Der 19-Jährige bekam im Angesicht des drohenden Unheils endlich wieder seine Chance. Und nutzte sie. Schon in Gladbach hatte der Stürmer den FC mit seinem Tor gerettet, am Samstag wurde er in der Nachspielzeit mit seinem Kopfballtor schließlich zum umjubelten Matchwinner. Und man fragt sich erneut, warum er nicht öfter eine Chance erhält.
Moment des Spiels
Schon beim Sieg in der Nachspielzeit gegen Bochum glich Müngersdorf einem Tollhaus, am Samstag war der Jubel nach dem Siegtreffer noch einmal um einige Dezibel lauter.
Das sagen die Trainer/Spieler
Timo Schultz (1. FC Köln): „Man hat heute ein sehr spannendes Spiel gesehen, fußballerisch aber überschaubar. Das war aber zu erwarten. Wir kommen eigentlich gut rein, liegen dann aber durch zwei Standards 0:2 zurück. Ich bin unfassbar stolz, dass wir immer daran geglaubt haben, bei allem was heute auch nicht geklappt hat. Das Publikum hat jeden Funken angezündet, den wir gegeben haben. So etwas wie heute ist nicht in vielen Stadion möglich. Man kann froh sein, dass das Dach noch drauf ist. Es war so laut, dass es auch hätte abheben können. Ich kann meiner Mannschaft nur ein Lob aussprechen. Wir haben uns noch ein Endspiel erarbeitet.”
FC-Verteidiger Dominique Heintz: „Ich habe noch gar keine Worte dafür. Ich hatte Gänsehaut und Tränen in den Augen beim 3:2. Alles ist mir durch den Kopf gegangen. Eigentlich waren wir weg, tot. Und auf einmal lebst du wieder. Ich habe gedacht das Stadion fliegt auseinander. Ich muss meine Gefühle jetzt erstmal ordnen. Wir müssen einen kühlen Kopf bewahren, weil wir noch nichts erreicht haben. Wir können am letzten Spieltag nochmal alles geben und dann werden wir sehen, für was der Sieg heute gut war. Die Fans sind das ganze Jahr für uns da, die Stimmung war heute wieder genial, selbst nach dem 0:2. Ich freue mich, dass wir heute etwas zurückgeben konnten. Der Fußballgott hatte noch einen Strohhalm für uns, an den haben wir heute uns ganz festgeklammert.”
Marco Grote (Union Berlin): „Glückwunsch an den 1. FC Köln und Schulle. Wir haben den FC im zweiten Durchgang Stück für Stück ins Spiel gebracht. Es fühlt es sich nicht besonders toll an, weil wir zumindest das 2:2 mitnehmen müssen. Es lässt sich jetzt aber nicht mehr ändern. Das ändert auch nicht viel an unserer Situation, die jetzt etwas schwieriger und unbequemer ist. Wir gehen es trotzdem sicher an, um unser Ziel zu erreichen nächste Woche gegen Freiburg.”
Das sagen wir
Der 1. FC Köln lebt. Lebt noch. Lebt wieder. Ist wie eine Katze mit sieben Leben. Viele hatten schon keinen Pfifferling mehr auf die Truppe gegeben. Zu fußballerisch limitiert präsentierte sich die Mannschaft. Nicht nur an diesem Samstag, in der sie vor allem in der ersten Halbzeit spielerisch fast nichts auf die Reihe bekam, sondern eigentlich schon über die ganze Saison hinweg. Der Kader – nicht ausgewogen und schon gar nicht qualitativ gut genug für die Bundesliga besetzt.
Doch charakterlich macht dieser Mannschaft keiner etwas vor. Sie gibt stets alles. Auch wenn dieses Alles manchmal verdammt wenig (Fußball) ist. Doch das Team steckt nie auf und bewies, getragen von der Wucht der Fans, abermals Moral. Und hat deshalb überhaupt noch eine kleine Chance auf die Rettung.
Mehrfach war der FC gefühlt schon abgestiegen. Doch dann halfen erst die Gegner mit ihren Ergebnissen dem FC, dann half sich diese Mannschaft in finalen Momenten wie am Samstagnachmittag dann selbst.