Im Interview spricht Hannovers Kapitän Ron-Robert Zieler über das Spitzenspiel bei seinem Heimatklub 1. FC Köln, seine Karriere und Pläne.
Gebürtiger Kölner tritt gegen FC anDarum hat Ron-Robert Zieler die Rückkehr zum 1. FC Köln nie bereut
Ron-Robert Zieler freut sich ungemein auf Samstagmittag (13 Uhr, Sky), das sagt der Torhüter selbst, wenn er auf das Zweitliga-Spitzenspiel seines Klubs Hannover 96 beim 1. FC Köln blickt. Kein Wunder, schließlich ist es das Duell bei seinem Heimatklub, für den der gebürtige Kölner in der Jugend auflief, um dann im Alter von nur 15 Jahren zum großen Manchester United zu wechseln.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland startete der Torhüter durch: Der Ostheimer wurde Stammspieler beim damaligen Bundesligisten Hannover, Nationalspieler und gehörte zum Kader der DFB-Auswahl, die sich 2014 in Rio zum Weltmeister krönte. Danach folgten weitere Stationen beim damaligen Meister Leicester City in der Premier League, beim VfB Stuttgart und eine Rückkehr für eine Saison zum 1. FC Köln (2020/21), die er trotz Reservistendaseins im Nachhinein „nicht bereut, ganz im Gegenteil. Für mich hat sich vielmehr ein Kreis geschlossen.“ Doch zu seiner „Herzensangelegenheit“ ist mittlerweile der Hannoversche Sportverein von 1896 geworden, für den der 35-jährige Keeper bis dato 361 Pflichtspiele bestritt.
Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht 96-Kapitän Zieler über das Duell bei seinem Ex-Klub, Aufstiegsambitionen, seine ereignisreiche Karriere, Pläne für die Zeit nach seiner Laufbahn und eine verpatzte Ehrung.
Herr Zieler, die makellose Heimserie von Hannover 96 ist nach dem 1:2 gegen Darmstadt gerissen. Wie groß war der Ärger?
Ron-Robert Zieler: Natürlich war der Ärger groß, vor allem, weil wir den Gegner ein Stückweit zu den Toren eingeladen und uns so die Niederlage selbst zuzuschreiben haben. Das wird in der 2. Bundesliga, die derart ausgeglichen ist und in der oft Kleinigkeiten in den Spielen entscheiden, meistens sofort ausgenutzt. Wir können die Niederlage allerdings richtig einordnen. Dass es irgendwann mal zu einem Punktverlust zu Hause kommen würde, war wohl allen klar.
In der Auswärtstabelle ist Ihre Mannschaft nur Drittletzter. Wie erklären Sie sich die Diskrepanz?
Die eine Erklärung dafür gibt es nicht. Fakt ist: Diese Auswärtsschwäche müssen wir abstellen, wenn wir uns weiter oben festsetzen wollen. Und das ist unser Ziel und Anspruch. Wir müssen darüber aber nicht groß reden, sondern das mit Leistungen und noch mehr Kontinuität auch bestätigen. Und damit am besten Samstag in Köln anfangen.
Das Wort Aufstieg…?
…nehme ich nicht direkt in den Mund. Das ist mir alles zu hypothetisch, und es bringt auch nichts, ständig davon zu sprechen. Wir haben nicht einmal die Hälfte der Saison absolviert, die Leistungsdichte oben in der Liga ist enorm. Wir wissen, dass bereits das kommende Spiel beim FC eine echte Hausnummer und eines der schwierigsten Auswärtsspiele überhaupt wird. Der FC hatte sicherlich vor einigen Wochen noch Probleme, doch die Kölner haben sich mittlerweile stabilisiert und sind im Aufwind. Sie haben einen der besten, wenn nicht sogar den bestbesetzten Kader der Liga. Der FC ist einer der Top-Aufstiegskandidaten. Aber unsere Mannschaft ist in der Lage, in Köln etwas zu holen.
Mit dem VfB Stuttgart haben Sie letztmals im März 2018 im Rhein-Energie-Stadion gespielt, mit Hannover sogar schon vor über neun Jahren im Oktober 2015 – und zweimal gewonnen (3:2 und 1:0, d. Red.). Sind die Spiele in Köln überhaupt noch besondere für Sie?
So lange ist das schon her? Die Zeit rennt wirklich. Auch wenn ich schon länger weg bin, sind die Spiele in Köln immer noch etwas Besonderes für mich. Köln ist meine Heimat, hier leben meine Eltern und viele Freunde. Der FC ist der Verein meiner Jugend, vor ein paar Jahren habe ich auch als Profi noch einmal eine Saison hier verbracht. Das Kölner Stadion ist eines schönsten in Deutschland und die Atmosphäre ist immer top. Ich freue mich sehr auf Samstag.
Sie sprechen die Saison 2020/21 an. War es ein Fehler, zum FC zurückzukehren? Schließlich absolvierten Sie nur ein Bundesligaspiel für den in diesem Spiel verletzten Timo Horn.
Im Gegenteil, es war vor dem Hintergrund der in dem Moment schwierigen Situation in Hannover genau die richtige Entscheidung. Es war von Anfang an klar kommuniziert, dass es sich um ein Leihgeschäft für eine Saison handelt und Timo weiterhin die Nummer eins im Tor ist. Ich wusste also um die Situation. Mit der Rückkehr zum FC hat sich für mich vielmehr ein Kreis geschlossen, so konnte ich noch einmal für meinen Jugendklub als Profi auflaufen. Und nach der Saison ging es dann für mich unter anderen Voraussetzungen in Hannover auch sehr gut weiter. Ich bereue das überhaupt nicht.
Mittlerweile absolvieren Sie ihre elfte Saison bei 96 und haben 361 Pflichtspiele für den Verein bestritten. Warum ist der Klub zu eine Art Herzensangelegenheit für Sie geworden?
Da muss man kurz zurückblicken. Ich bekam in sehr jungen Jahren, mit 15, die Chance, vom FC zu Manchester United zu wechseln. Die musste und wollte ich nutzen. Es waren prägende Jahre. Dann kam der Moment, in dem klar war, dass ich den Verein wechseln muss, um den nächsten Schritt zu machen, und ich bin in Hannover gelandet. Dort ich bin von Anfang an herzlich aufgenommen worden und habe mich gleich im Klub und in der Stadt wohlgefühlt. Hannover ist übrigens eine Stadt, die immer etwas unter dem Radar fliegt, die aber viele sehr schöne Ecken hat und in der es sich bestens leben lässt. Bei 96 habe ich dann den Durchbruch in der Bundesliga geschafft und bin zum Nationalspieler geworden. Heute darf ich unsere Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen, habe viele Freunde in der Stadt, meine beiden Kinder sind hier geboren, und auch meine Familie fühlt sich sehr wohl hier. Deshalb passt das schon ganz gut mit der Herzensangelegenheit.
Ihr Vertrag läuft im kommenden Sommer aus. Was sind Ihre Pläne?
Der Austausch mit den Verantwortlichen ist offen und ehrlich. Wir werden uns demnächst sicherlich mal zusammensetzen. Sportlich läuft es für den Klub und mich ganz gut, ich fühle mich körperlich absolut fit. Mein Ziel ist es schon noch, zwei, vielleicht auch drei Jahre zu spielen. Am liebsten bei Hannover 96.
Und nach der aktiven Karriere? Will der Verein Sie einbinden?
Auch darüber werden wir sicherlich zu gegebener Zeit sprechen. Meine Frau und ich haben uns darauf festgelegt, dass wir auch nach meiner aktiven Laufbahn weiter in Hannover leben wollen. Ich kann mir schon gut vorstellen, weiter im Fußball tätig zu sein. Allgemein sehe ich mich später eher im Management und nicht als Trainer auf dem Platz. Ähnlich wie mein Ex-Mitspieler Thomas Kessler (FC-Lizenzspielerleiter, d. Red.) in Köln, der ja auch Torwart war. Aber da ist noch nichts entschieden, ich spiele ja schließlich noch.
Interessiert es Sie noch, wie man Sie in Köln wahrnimmt?
Darüber mache ich mir keine großen Gedanken. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere und hadere da nicht im Nachhinein mit bestimmten Entscheidungen und ob es nicht schöner gewesen wäre, noch länger für den FC zu spielen. Es hat sich einfach nicht so ergeben.
Sie gehörten zum Kader der deutschen Nationalmannschaft, die 2014 in Rio Weltmeister wurde. Doch die Stadt Köln hat danach erst nur Lukas Podolski und Fitnesstrainer Yann-Benjamin Kugel offiziell geehrt. Hat Sie das gekränkt?
Da hatte man mich wohl glatt vergessen (lacht). Wissen Sie, auch da stehe ich drüber. Und ein paar Monate später durfte ich mich dann ja auch doch noch ins Goldene Buch der Stadt Köln eintragen – und in das der Stadt Hannover direkt nach dem Turnier schon. Wem ist das denn sonst noch vergönnt? (lacht)
Sie haben in Manchester, bei Leicester City, in Stuttgart, Hannover und natürlich in der Nationalmannschaft mit vielen Trainer- und Spielerpersönlichkeiten zusammengearbeitet. Können Sie da einige hervorheben?
Schwierig. Als Jugendlicher hat man natürlich zu einer Trainer-Ikone wie Sir Alex Ferguson oder dem jungen Cristiano Ronaldo aufgeschaut. In Leicester war es faszinierend, nach der Meister-Saison unter Claudio Ranieri zu trainieren. Und man muss sich ja nur mal den WM-Kader von 2014 anschauen, wer damals alles in der Mannschaft dabei war…
Vor knapp zwei Monaten spielten Sie dann doch mal wieder in Müngersdorf. Sie waren zum Abschiedsspiel von Lukas Podolski eingeladen. Wie haben Sie den Abend empfunden?
Der Verlauf des Abends hat mir vor allem gezeigt, was für ein wahnsinniges Standing Poldi in Köln weiterhin hat. Die Stimmung im ausverkauften Stadion und das Programm mit den kölschen Bands waren sensationell. Lukas hat sich das aber auch verdient. Die Fans sehen in ihm immer noch den kölschen Jung. Und das ist gut so.