Nizza – Irgendwann während des Trainings am Mittwochabend blickte Steffen Baumgart hoch in die Tribüne des Stadion Allianz Riviera zu Nizza. „Ich muss wissen, wo ich sitze“, sagte der Trainer zum Kölner Teambetreuer und verabredete einen Besichtigungstermin nach der Einheit. Es war ein ungewöhnliches Detail der Vorbereitung auf das Spiel des 1. FC Köln zum Auftakt der Conference League beim OGC Nizza. Baumgart ist am Donnerstagabend (18.45 Uhr/RTL+) gesperrt, der Trainer wird die Partie von der Tribüne aus verfolgen müssen.
Baumgart leidet unter der Situation, das war dem 50-Jährigen am Mittwoch deutlich anzumerken. „Ich habe drei, vier Plätze zur Auswahl, die ich mir ansehen werde. Aber ich kann wirklich noch nicht sagen, ob ich einen Platz mit Auslauf nehmen werde oder versuche, einfach in einer Reihe sitzen zu bleiben. Keine Ahnung“, seufzte der Coach.
Steffen Baumgart traurig wegen Sperre
Baumgart kritisiert grundsätzlich die Praxis, Trainer zu sperren. „Ich wurde schon in Fehérvár auf die Tribüne geschickt, jetzt werde ich ein zweites Mal bestraft. Das kann ich nicht nachvollziehen. Es ist mein erster internationaler Auftritt, ich habe lange darauf hingearbeitet. Jetzt bin ich in so einem Stadion – und muss mir das Spiel von oben angucken. Ich finde es traurig.“
Abgesehen von der Tribünensituation verlief der Tag der Anreise zur Partie in Südfrankreich ohne besondere Vorkommnisse. Der Flug von Köln war pünktlich, das Hotel in der Nähe des Flughafens schnell bezogen. So konnte sich die FC-Delegation in Ruhe an das Stadion gewöhnen, dessen dreistöckige Nordseite am Donnerstag vollkommen in Kölner Hand sein wird. Mindestens 8000 FC-Fans sind angekündigt, die Kölner rechnen mit Heimspielatmosphäre. „Wir reden über die Emotionen, die dieser Verein verkörpert. Es ist für uns schön, dass wir das gemeinsam erleben dürfen“, sagte Steffen Baumgart.
Nizza und Favre mit schwachem Start
Personell gab es keine Neuigkeiten vor dem Duell der Favoriten in Gruppe D. Sogar Mark Uth hatte die Reise ans Mittelmeer mit angetreten und drehte in der drückenden Nachmittagshitze ein paar lockere Laufrunden um den Platz, während seine Kollegen mit dem Ball arbeiteten. Der Offensivmann ist nach seiner Schambein-Operation im Aufbautraining, die Heilung laufe nach Plan, heißt es. Doch wird es noch ein paar Wochen dauern, ehe Uth wieder mit der Mannschaft üben kann.
Neben Uth fehlen weiterhin Mathias Olesen, Jeff Chabot und der am Knie operierte Sebastian Andersson. Florian Dietz kehrte nach seiner Pause wegen muskulärer Probleme in den Kader zurück. Für Benno Schmitz reichte es nach der Rückkehr ins Teamtraining noch nicht wieder für einen Platz im Kader. Weil Kingsley Schindler aber zuletzt über Beschwerden klagte, nahmen die Kölner den 17-Jährigen Tidiane Touré mit, allerdings meldete sich Schindler nach dem Abschlusstraining am Mittwochabend fit.
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Nizza hat von den ersten sechs Saisonspielen in der Ligue 1 nur eines gewonnen, mit fünf Punkten steht die Mannschaft von Trainer Lucien Favre auf dem 15. Rang. Das zweite Engagement des Schweizers beim OGC verläuft bislang holprig. Dabei sind die Ansprüche hoch an der Côte d’Azur. Seit Unternehmer Jim Ratcliffe im Jahr 2019 den Klub für 100 Millionen Euro kaufte, wird in Nizza viel Geld für Fußball ausgegeben. Der Gründer des Ineos-Konzerns zählt zu den reichsten Briten, aus Ratcliffes tiefen Taschen finanzierte der OGC zahlreiche Star-Zugänge. In diesem Jahr etwa verpflichteten die Südfranzosen Sofiane Diop aus Monaco für 22 Millionen Euro und Gaetan Laborde für 15 Millionen, außerdem kam Nicolas Pépé vom FC Arsenal per Leihe.
Große Offensivstärke also, doch tritt die Mannschaft bislang enttäuschend auf. Der Druck wächst, das spürt auch Favre (64). „Es ist sicherlich ein schwieriger Moment für mich und meine Spieler. Aber es liegt an uns, das Ruder herumzureißen.“
Aaron Ramsey fehlt Nizza
Baumgart weiß um die Klasse des Gegners. „Nizza ist individuell sehr stark besetzt, hinkt aber den Erwartungen hinterher. Sie können sehr schnell nach vorn agieren. Wir erwarten einen Gegner, der alles daran setzen wird, dieses Spiel zu gewinnen“, sagt Baumgart, kommt aber rasch zu seiner eigenen Mannschaft. „Wir wollen zeigen, dass wir nicht umsonst hergefahren sind und versuchen, unser Spiel durchzubringen.“
Neben dem Brasilianer Dante (38) soll Aaron Ramsey (31) eine der Stützen der Mannschaft werden. Der Waliser kam im Sommer von Juventus Turin nach Nizza, doch wird er seiner Mannschaft vorerst fehlen: Gegen Monaco erlitt Ramsey, der einst 371 Pflichtspiele (65 Tore) für den FC Arsenal absolvierte, eine Oberschenkelverletzung und fällt drei Wochen aus.
Favre kennt den 1. FC Köln aus seinen Jahren in der Bundesliga mit Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund. Seine Bilanz gegen den FC ist hervorragend, von elf Spielen gewann er acht und verlor nur zwei. „Es ist eine sehr starke deutsche Mannschaft, sehr körperlich. Sie sind wieder sehr gut in die neue Saison gestartet und haben einige sehr gute Spieler im Angriff, vor allem auf den Flügeln“, sagte Favre, stellte aber fest: „Favorit sind sie nicht.“
Heimkehr für Ellyes Shkiri
Nizzas Stürmer Andy Delort hat bereits vernommen, dass Tausende Kölner in die Stadt strömen. Der algerische Nationalspieler freut sich auf die Begegnung im Stade Allianz Riviera. „Das wird eine besondere Stimmung. Ich habe große Bewunderung für die Kölner Fans“, sagt der 30-jährige Mittelstürmer.
Für Ellyes Shkiri ist die Reise auch eine Heimkehr, der tunesische Nationalspieler wurde in Lunel geboren, rund 300 Kilometer westlich von Nizza. „Es macht mir Freude, nach Hause zu kommen; nach Frankreich, wo ich meine Kindheit verbracht habe. Ich freue mich auf das Spiel in schöner Atmosphäre. Wir sind stolz auf unsere Fans, sie sind für uns eine Quelle der Motivation und freuen uns, dass wir morgen zeigen können, was wir für Fans haben.“