Köln – Steffen Baumgart hatte den Auftritt nicht inszeniert, doch weil er am Dienstagmorgen als Letzter auf Platz 1 am Geißbockheim schritt, erhielt der Trainer des 1. FC Köln einen Sonderapplaus der Fans, die gekommen waren, um die letzte Einheit auf Kölner Boden vor dem Gruppen-Auftakt in die Conference League am Donnerstagabend (18.45 Uhr/RTL+) zu verfolgen. Und weil die Zuschauer so freundlich applaudierten, stiegen die Kölner Spieler gern darauf ein und klatschten voller Enthusiasmus.
Baumgart bemerkte, dass da ein Scherz auf seine Kosten ging. „Okay, Bälle weg – heute wird nur gelaufen“, rief er seinen Profis zu. Doch selbstverständlich hielten die Kölner dann eine konventionelle Einheit ab, in deren Mittelpunkt durchaus der Ball stand.
Pawlak im Rampenlicht
Steffen Baumgart (50) wird sich am Donnerstag damit abfinden müssen, dass er vorübergehend deutlich weniger zu sagen haben wird als am Dienstag am Geißbockheim. Weil er sich beim Playoff-Rückspiel in Székesfehérvár (3:0) nach Ansicht des Schiedsrichters zu sehr echauffierte und die Gelb-Rote Karte sah, ist der Chef in Nizza gesperrt, André Pawlak wird ihn vertreten. Eine ähnliche Situation gab es in der vergangenen Saison, als Baumgart wegen einer Corona-Infektion nicht zum Spiel in Müngersdorf gegen Freiburg (1:0) konnte, auch damals vertrat der Assistent den Boss. Pawlak freut sich auf die Partie, „man hat nicht jeden Tag die Chance, in einem Europapokalspiel an der Linie zu stehen. Daher genieße ich den Moment. Aber natürlich in dem Wissen, dass alles so abgesprochen ist, als stünde Steffen da. Im Geist ist Steffen bei uns“, sagt er.
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Legendär sind die Videos, die Baumgarts Tochter während der Partie gegen Freiburg anfertigte und die den Trainer zeigen, wie er durch das Wohnzimmer der Familie Baumgart tigert und das TV-Gerät anbrüllt. Anders als im Februar wird Baumgart diesmal im Stadion Allianz Riviera zu Nizza anwesend sein. „Dann muss er sich wenigstens nicht vor dem Fernseher aufregen, sondern kann das live im Stadion tun. Wir werden bis kurz vor der Abfahrt mit ihm zusammen sein und alles besprechen. Dann sind alle Abläufe klar, wir setzen die auf der Bank dann nur noch um“, sagt Pawlak. Seine Enttäuschung wegen der Sperre hat der Chefcoach in den vergangenen Tagen für sich behalten, berichtet Pawlak: „Er wird sich sicherlich ärgern, weil er bei jedem Spiel dabei sein will. Aber ich glaube, er freut sich auch, dass wir das erleben dürfen.“
Aufstiegstrainer und mehrmaliger Retter
Pawlak (51) spielte einst in der Oberliga Westfalen für die SpVgg Erkenschwick, anschließend für die TSG Dülmen. Später übernahm der gebürtige Gelsenkirchener als Trainer die B-Junioren des 1. FC Köln und machte nachhaltig auf sich aufmerksam, als er gleich zweimal in Folge einsprang und die Regionalliga-Mannschaft spektakulär vor dem Abstieg rettete. Im April 2019 übernahm Pawlak die Profis für den beurlaubten Markus Anfang und sicherte gleich im ersten Einsatz beim 4:0 in Fürth den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Anschließend blieb er auch unter den Cheftrainern Achim Beierlorzer, Markus Gisdol und Friedhelm Funkel im Trainerstab und assistiert nun Steffen Baumgart. Nach dem 1:0 gegen Freiburg sagte Pawlak, mit diesem Ergebnis könne er nun „gut abtreten“. Doch sieben Monate später steht für ihn das bislang größte Spiel seiner Laufbahn an. „Ich habe schon in diversen Ligen an der Linie gestanden. Aber im Europapokal noch nicht. Dann noch in Nizza vor der roten Wand aus FC-Fans. Das ist definitiv etwas Besonderes.“
Indirekter Kontakt erlaubt
Die Rechtspflegeordnung der Uefa definiert in Artikel 69, was Steffen Baumgart am Donnerstag darf – und was nicht. „Ein mit einer Funktionssperre belegter Trainer darf sich während des Spiels weder in der technischen Zone aufhalten noch direkt mit den Spielern und/oder dem Trainerstab kommunizieren. Zudem darf ein Trainer, der mit einer Funktionssperre belegt ist, die Umkleidekabine oder den Spielertunnel vor oder während des Spiels nicht betreten“, heißt es dort. Baumgart darf also indirekt mit seinem Team in Kontakt treten, was nicht schwierig wird, da auf der Tribüne die Kölner Videoanalysten während des Spiels das Geschehen begleiten und ohnehin im ständigen Austausch mit der Bank stehen. Baumgart wird also nicht zum Telefon greifen müssen, um etwas loszuwerden. „Das Handy habe ich beim Spiel sowieso nicht dabei“, sagt Pawlak, der allerdings im Fall der Fälle damit rechnet, auch ohne Hilfe der Analysten von Baumgart zu hören. „Im Zweifel ruft er dann einfach von der Tribüne. Er ist ja laut genug.“