Köln – Am Sonntagmorgen herrschte am Geißbockheim schon wieder konzentrierter Betrieb. Die Spieler, die am Vortag den 4:2 (3:1)-Sieg des 1. FC Köln beim VfL Wolfsburg maßgeblich geprägt hatten, absolvierten ihr Regenerationstraining, um sich den freien Montag zu verdienen. Wer wenig oder gar nicht gespielt hatte, trat zu einer Einheit im kleinen Kreis an, die erstaunlich intensiv geriet.
Es war ein forderndes Programm, der Rhythmus ist hoch in diesen Tagen beim 1. FC Köln. Und im frisch gewässerten Gras des Trainingsplatzes 1 lagen die Hinweise darauf, warum das so ist: Am Sonntag trainierten die Kölner mit dem offiziellen Spielball der Europa Conference League, denn am Donnerstag (18.45 Uhr) steht im Stadion Allianz Riviera zu Nizza der Auftakt in die Gruppenphase an.
Vorfreude auf Nizza
Die Vorfreude ist groß, zumal die Basisarbeit in der Bundesliga nach nun neun Punkten aus den ersten fünf Spielen hervorragend verrichtet ist. „In erster Linie haben wir gesagt, dass die Priorität auf der Bundesliga liegt und darauf, möglichst schnell 40 Punkte zu holen. Aber natürlich freuen wir uns auf Donnerstag. Es ist das absolute Highlight, in Nizza zu starten“, sagte Thomas Kessler am Sonntagmorgen. Lucien Favres Mannschaft verfügt über jede Menge Talent, ist aber schwach gestartet. „Auf dem Papier ist es der stärkste Gegner, aber auch in der Bundesliga landet ja nicht zwangsläufig die Mannschaft mit dem wertvollsten Kader vorn. Wir freuen uns sehr, an so einem schönen Ort vor vielen Kölner Fans zu starten“, sagt Kessler, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung.
Die Partie in Wolfsburg hatte die Kölner noch einmal im Glauben an sich selbst bestätigt. Nach einem frühen Rückstand durch Nationalstürmer Lukas Nmecha (2.) drehten Dejan Ljubicic (22.), Paulo Otavio (31./ET) und Florian Kainz (45.) per Elfmeter die Partie noch vor der Pause. Kurz nach Nmechas Anschlusstreffer (79.) sorgte der eingewechselte Sargis Adamyan für den Endstand; es war der Premierentreffer des Armeniers, der seit diesem Sommer beim FC spielt.
Kovac ist entsetzt
Der VfL bleibt damit sieglos und stürzt immer tiefer in die Krise. „Wir stehen mit zwei Punkten sehr weit unten und müssen uns fragen, ob wir wirklich so gut sind, wie wir zu sein glauben. Es ist jetzt schon schwierig, aber wenn wir so weitermachen, wird es noch schwieriger“, sagte VfL-Coach Niko Kovac, während Steffen Baumgart großen Respekt vor seiner Mannschaft äußerte. „Mit dem Ergebnis sind wir zufrieden, und auch mit der Leistung der Jungs. Wir sind schlecht ins Spiel gekommen. Dann haben die Jungs sehr gut ins Spiel zurückgefunden, klar gespielt und es geschafft, das Spiel zu drehen.“
Keine zwei Minuten waren gespielt, als Bartol Franjic bei seinem Bundesliga-Debüt für Wolfsburg die komplette linke Kölner Abwehrseite überrannte und auf Nmecha passte, der unhaltbar zum 1:0 ins lange Eck traf. In der 22. Minute passte Kingsley Schindler unbedrängt ins Zentrum, wo Florian Kainz mit einem Kontakt steil spielte und Dejan Ljubicic fand, der allein vor Casteels auftauchte und ausglich. Es war Kainz’ erste Großtat an einem denkwürdigen Tag für den Österreicher: Vor dem 2:1 erkämpfte Kainz den Ball trotz Bornauws Foul auf der linken Seite. Hector flankte scharf und zwang Otavio zu einem Eigentor, weil Thielmann im Rücken des Brasilianers lauerte. „Den hätte Jan gemacht“, kommentierte Baumgart.
Auch das 3:1 hatte auf dem linken Flügel seinen Ursprung. Hector dribbelte und flankte ins Zentrum, wo Waldschmidt einen Befreiungsschlag versuchte, aber Thielmann traf anstelle des Balls. Der Schiedsrichter sah sich die Szene am Bildschirm an und entschied auf Strafstoß. Kainz schickte Casteels ins falsche Eck, 3:1 noch vor der Pause.
„Auch wenn wir wütend sind“
Köln schnürte den Gegner nun ein, die Fans der Heimmannschaft pfiffen, der VfL kollabierte. Doch der FC schaffte zunächst kein weiteres Tor, stattdessen erzielte Lukas Nmecha seinen zweiten Treffer, selten ist ein Tor mehr aus dem Nichts gefallen. Am Spiel änderte sich nichts. Kainz, einmal mehr ins Zentrum eingerückt, spielte einen langen Steilpass in Adamyans Lauf. Der Armenier lief Guilavogui davon, legte sich den Ball im Sprint mit dem Kopf auf den rechten Fuß und schloss flach ab. 4:2, die Entscheidung durch Adamyans Premierentor. „Hut ab vor der Leistung, es haben sich alle voll reingehauen“, sagte Kainz nach seinem bislang besten Auftritt im FC-Trikot.
Auch Dejan Ljubicic zeigte sich bereit für die anstehenden Aufgaben: „Wir ziehen unser Ding wie letzte Saison durch. Es zeichnet uns aus, dass wir nie aufgeben. Auch wenn wir wütend sind, können wir Spiele drehen. Es war ein verdienter Sieg.“