Markus Gisdol und der 1. FC Köln bereiten sich derzeit auf mögliche Geisterspiele in der Bundesliga vor.
Die Anforderungen an die Trainer werden größer in Geisterzeiten, erklärt der FC-Trainer.
So bereitet der 50-Jährige sich und seine Mannschaft auf Spiele vor gläserner Atmosphäre vor.
Köln – Vieles ist anders in diesen Tagen, auch auf dem Trainingsplatz am Geißbockheim, wo der 1. FC Köln die Rückkehr zum regulären Trainingsbetrieb herbeisehnt. Es wird in Kleingruppen trainiert, an Zweikampftraining ist nicht zu denken, Spielformen mit zehn Feldspielern über den gesamten Platz ausgeschlossen.
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Es wird improvisiert und Neues versucht, doch das Erlernen von Geheimsprachen steht nicht auf dem Maßnahmenplan des Kölner Chefcoaches Markus Gisdol. Dabei hat er mit seiner Mannschaft vor fünf Wochen gegen Borussia Mönchengladbach bereits ein Bundesligaspiel vor leeren Rängen absolviert und dabei einige spezielle Erfahrungen gemacht. Eine war, dass die Stille im Stadion auch an der Seitenlinie für ungewohnte Zustände sorgt. Denn was üblicherweise vom Tosen der Massen übertönt wird, ist plötzlich für jedermann zu hören und wird teils durch die Akustik der Tribünen- und Dachkonstruktionen noch verstärkt.
Markus Gisdol: Jedes Wort des Kontrahenten verstanden
Beim Mönchengladbacher Sieg im Borussia Park etwa irritierte das Rauschen des Regens auf dem Blechdach der Arena, doch Gisdols Gedanken waren eher beim Kollegen Marco Rose. Denn einerseits fiel dem Kölner Trainer auf, dass er jedes Wort des Kontrahenten verstehen konnte. „Ich war mir aber sofort bewusst, dass der andere einen ja auch hört. Das war mein erster Reflex“, sagt Gisdol.
Es ist keine bahnbrechende Besonderheit; der Amateur- und Jugendfußball findet auch im Leistungsbereich überwiegend ohne nennenswerte Öffentlichkeit und dezibelstarken Rahmen statt. Doch im Profisport, in dem viele Mannschaften auf sportlich sehr ähnlichem Niveau stehen, zählt jedes Detail – darunter auch, was der gegnerische Trainer sagt. Und ob er es in Panik sagt.
Bei Geisterspielen bleibt nichts verborgen, das hat Gisdol in Mönchengladbach rasch bemerkt. „Wenn der Kollege einen Spieler herbeigerufen und ihm etwas gesagt hat, hatte er keine Chance. Auf fünf oder zehn Meter hört man alles“, berichtet der 50-Jährige. Ansagen der Trainer lösen sofortige Gegenmaßnahmen aus. „Es ist spannend. Man coacht einander mehr aus“, sagt Gisdol.
Geisterspiele bieten Potenzial für neuen Streit
Der Schwabe musste sich wie sein Stab zunächst an die veränderten Verhältnisse gewöhnen. Die Bänke mit Trainerteams, Betreuern und Ersatzspielern stehen zwar nah beieinander, sind aber üblicherweise akustisch voneinander getrennt. In der neuen Ruhe liegt nun aber auch das Potenzial zu neuem Streit, denn plötzlich wird hörbar, was sonst zwar auch da ist, aber nicht an Ohren dringt, für die es nicht bestimmt ist. „Man reagiert ein bisschen gereizter, wenn von der gegnerischen Bank mal etwas hochgefahren wird, zum Beispiel in einer Foulaktion. Dann blökt man auch mal rüber“, sagt Gisdol.
In der Anfangsphase der Partie in Mönchengladbach nahmen die Bänke ungewöhnlich oft Bezug aufeinander. Weil das zu den üblichen Coaching-Routinen eines Bundesligaspiels hinzukam, die einen Trainerstab eigentlich ausreichend beschäftigen, wurde es daher hektisch an der Seitenlinie. Denn für eine intensive Auseinandersetzung mit den Rufen zum Beispiel eines Athletiktrainers aus dem gegnerischen Stab bleibt eigentlich keine Zeit, wenn die Partie im Gange ist.
Markus Gisdol ist bereits erprobt
„Das war ein bisschen auffällig, hat sich aber im Verlauf des Spiels wieder beruhigt“, erinnert sich Gisdol. „Es ging dann schnell auf ein vernünftiges Level. Weil man bemerkt hat: Es ist immer so, nur hört man es jetzt.“ Kein Grund also, sich zu ärgern. Der Trainer in Markus Gisdol hat das bereits gelernt – ein Vorteil für den Erprobten, wenn die Liga bald mit Geisterspielen ihre Fortsetzung finden sollte.
Abgesehen von den emotionalen Herausforderungen eines Geisterspiels bleibt das taktische Vorgehen die größte Herausforderung. Es sei nun besonders wichtig, Mechanismen bereits in der Kabine zu klären. „Es ist wichtig für uns, dass wir im Coaching so umgehen wie zuvor und die Mannschaft bestmöglich in der Kabine vorbereiten. Und das Detailcoaching auf dem Platz zwar noch machen, uns aber bewusst sind, dass der Gegner es hört. Wenn ich zum Beispiel ansage, dass wir jetzt mit einer zweiten Spitze spielen, muss ich davon ausgehen, dass der Kollege im selben Moment weiß, was wir vorhaben.“
Die Spielvorbereitung wird damit also intensiver zuvor, „damit man hinterher die Details nicht quer über den Platz rufen muss“, sagt Gisdol. Dabei wäre es durchaus verlockend, denn ein Trainer hat auch während des Spiels den ständigen Drang, Anpassungen vorzunehmen und die Partie in Richtung seiner Idealvorstellung zu manövrieren. „Es wäre ja sogar die Möglichkeit da, einen Spieler auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes per Zuruf zu erreichen“, sagt Gisdol, doch will er sich zurückhalten – in jeder Hinsicht. „Es ist alles ziemlich gläsern, und nicht nur der gegnerische Trainer hört, was man sagt. Die Reporter hören es auch. Da muss ich mich mit meinen Beleidigungen zurückhalten.“