Der gebürtige Kölner Michael Clemens spielte 15 Jahre für den FC. Nun kommt er mit 28 Jahren als Kaderplaner des SSV Ulm zurück.
Karriere beim FC-Gegner UlmMichael Clemens' Rückkehr zum Herzensklub
Wann und wo hat man das schon, dass man vom eigenen Zuhause das Stadion des kommenden Gegners sehen kann...? In der 2. Bundesliga, wohlgemerkt. Michael Clemens hat dieses Privileg. Zumindest zeitweise. „Wenn ich in Köln bin, sehe ich von unserer Dachterrasse in Widdersdorf die Türme des Rhein-Energie-Stadions“, schildert Clemens, der dabei durchaus Emotionen empfindet. Schließlich ist er nicht nur gebürtiger Kölner, sondern der FC ist irgendwie immer noch sein Klub, für den er mit sechs Jahren erstmals und als junger Erwachsener mit 21 letztmals auflief. Und in dem sein Bruder Christian (33) seine Bundesliga-Karriere startete. Das alles kann man nicht einfach so ausblenden.
Am Samstag muss Michael Clemens das zumindest teilweise. Denn trotz aller Emotionalität ist sein Fokus ein anderer: Er kehrt als Gegner des FC nach Köln zurück. Zwar nicht auf dem Platz, seine aktive Laufbahn hat er nach vielen verletzungsbedingten Rückschlägen bereits beendet, beenden müssen. Aber als Verantwortlicher beim Kontrahenten. Clemens ist Kaderplaner und Chefscout des SSV Ulm, dem kommenden Gegner des Bundesliga-Absteigers. Mit gerade einmal 28 Jahren, drei Tage später wird er 29.
Sein Verein hat einen rasanten Aufstieg hinter sich, und auf den Kölner trifft das durchaus auch zu. „Natürlich ist das ein besonderes Spiel für mich, etwas anderes würde mir ja keiner abnehmen. Auch wenn ich mich in Ulm und beim SSV total wohl fühle und die Arbeit abwechslungsreich ist und große Freude bereitet, so ist und bleibt der FC mein Herzensverein. Dem wir am Samstag aber natürlich zumindest Paroli bieten und den wir ärgern wollen“, sagt Clemens im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Karriereende mit nur 23 Jahren
Bei seinem „Herzensverein“ war es ihm nicht vergönnt, sich den Traum vom Einsatz als Profi im Kölner Stadion zu erfüllen. Zwar galt der Rechtsverteidiger als großes Talent, doch immer wieder warfen ihn Verletzungen zurück. Nach dem dritten Kreuzbandriss, erlitten während seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern, hängte Clemens die Schuhe an den Nagel. Mit nicht einmal 24 Jahren. „Vielleicht war mein Körper für den Profisport nicht gemacht. Aber ich glaube, alles ereignet sich aus bestimmten Gründen“, sagt er heute rückblickend und ohne Fatalismus. Sein Bruder Christian (33), der mittlerweile ebenfalls seine Laufbahn beendet und sich im Athletik- und Fitnessbereich selbstständig gemacht hat, formulierte es 2022 im Interview mit dieser Zeitung so: „Michaels Karriereende war eine heftige Erfahrung. Wir beide sind ja unzertrennlich. Ich habe hautnah erlebt, wie schnell es im Fußball gehen kann. Aber wir sind Stehaufmännchen.“
Und dass er ein „Stehaufmännchen“ ist, bewies der Jüngere nach dem Ende mit Schrecken. Er haderte nicht groß mit dem Schicksal, sondern suchte für sich einen anderen Weg im Leistungssport. Beim FC sammelte er erste Erfahrungen als Videoanalyst von Trainer Stefan Ruthenbeck in der U19. Dann wurde er Scout beim MSV Duisburg und bei Jahn Regensburg, bei dem damals der heutige FC-Sportgeschäftsführer Christian Keller das Sagen hatte. Im Spätsommer 2021 folgte der Schritt nach Ulm. Seinerzeit trennten den Bundesligisten FC und den Regionalligisten SSV noch drei Ligen. Es war ein mutiger Schritt, und Clemens war nicht von Beginn an Feuer und Flamme. „Ehrlich gesagt, kannte ich vorher den SSV Ulm nur von der Kicker-Stecktabelle der Saison 1999/2000. Die hing bei uns daheim – da war ich fünf“, sagt Clemens mit einem Schmunzeln.
Rasanter Aufstieg für Ulm und Clemens
Damals spielten die „Spatzen“ eine Saison in der Bundesliga. Es folgte ein tiefer Fall. Drei Insolvenzen galt es zu bewältigen. Konsolidierung, Neuaufbau, viele Jahre in Ober- und Regionalliga. Und schließlich ein Wendepunkt. Der kam wohl 2021, als Markus Thiele erst als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied die Geschicke beim SSV übernahm. Thiele, zuvor Vorstand Sport bei Hansa Rostock und Sport-Geschäftsführer beim VfR Aalen, verpflichtete Thomas Wörle als Trainer, der zuvor beim FC Bayern München tätig gewesen war – im Frauenfußball.
Clemens ließ sich von der Aufgabe beim SSV überzeugen, vor allem, weil ihm ein „klarer Weg“ aufgezeigt wurde, wie er sich erinnert. Und zwar für den Verein, aber auch für ihn persönlich. Nachdem 2022 haarscharf der Drittliga-Aufstieg hinter Elversberg verpasst worden war, gelang den Ulmern 2023 nach 21 Jahren Abstinenz die Rückkehr in den Profifußball und in der vergangenen Saison sensationell der Durchmarsch von der 3. in die 2. Liga. „2021 hatten wir bei einem Heimspiel manchmal nur 1500 Zuschauer, heute begleiten uns über 2500 nach Köln zu einem Spiel vor 50000. Unser Verein hat sich auf allen Ebenen rasant entwickelt“, fasst Clemens zusammen. Auch seine Entwicklung soll natürlich noch nicht zu Ende sein. Derzeit sei für Clemens „einfach alles topp“, er könne wertvolle Erfahrungen sammeln. Aber wer weiß, wohin ihn in Zukunft der Weg in der Branche noch führt, der Kölner ist schließlich erst Ende 20.
„Spatzen“ sind in Liga angekommen
Das ist noch Zukunftsmusik. Vorerst ist bei Clemens und allen Ulmern die Vorfreude auf Samstag groß. Doch ein besserer Sparringspartner für den FC will man keinesfalls sein. Warum auch, zwar habe seine Mannschaft zu Beginn der Saison noch „viel Lehrgeld“ bezahlt, doch nun fühle man sich in der 2. Bundesliga „angekommen“. Die Süddeutschen fuhren mit dem 3:1 in Elversberg und dem 3:1 gegen Braunschweig die ersten Saisonsiege ein, nur noch zwei Punkte liegen die Münsterstädter hinter den Domstädtern und könnten mit einem Sieg das wertvollste Team der Liga sogar überholen.
„Dass der FC der klare Favorit ist, muss ich keinem erzählen. Aber wir wollen schon unserem Stil treubleiben und auch in Köln mutig, aggressiv, aber auch demütig auftreten“, sagt Clemens, der sich um den Ex-Klub trotz des dürftigen Saisonstarts keine großen Sorgen macht. Dafür sei der Kader zu stark besetzt und die Spielphilosophie von Trainer Gerhard Struber bereits klar zu erkennen. „Der FC wird seine Schlüsse daraus ziehen, was er verbessern muss. Er muss damit aber nicht bereits gegen uns anfangen“, sagt Clemens, der sich natürlich auch vorstellen kann, irgendwann in Zukunft zu seinem Heimatverein zurückzukehren.
Doch vorerst reicht ihm die Aussicht von seiner Dachterrasse auf die markanten Türme Müngersdorfs. In der Abenddämmerung sei die besonders schön. Clemens sollte es bis dahin nach Hause schaffen. In der 2. Bundesliga werden die Spiele samstags schließlich schon um 13 Uhr angepfiffen.