Philipp Türoff spricht im Interview über Kölner Ambitionen, den „Sanierungsfall“ FC und die Arbeit im Verein.
Ehrgeizige Kölner PläneFinanz-Boss Türoff: „Wollen den FC ins obere Tabellendrittel führen“
Philipp Türoff ist seit Januar 2022 kaufmännischer Geschäftsführer des 1. FC Köln. Zuvor war der 47-Jährige unter anderem bei der Birkenstock Group (seit 2018 als Finanzboss), bei der Red Bull GmbH und bei SAP Deutschland tätig. Im Interview spricht Türoff über den schwierigen Weg der Konsolidierung des Bundesligisten, aber auch über Chancen und große Ambitionen sowie über den so populären Cheftrainer Steffen Baumgart.
Herr Türoff, am Freitag verlässt der 1. FC Köln Österreich. Wie zufrieden waren Sie mit den Bedingungen des erstmaligen Trainingslagers in Maria Alm?
Philipp Türoff: Aus eigener Erfahrung weiß ich seit Jahren, was für großartige Gastgeber die Österreicher sind. Der Ort Maria Alm ist wunderschön. Wir haben von den Fans, Sponsoren und Medien viel positives Feedback erhalten. Im Trainingslager stehen aber die Bedingungen für die Mannschaft klar im Vordergrund. Und die sind hier nicht die gleichen, die wir in den Jahren zuvor hatten. Natürlich sind wir auch bereit, zu improvisieren, und es geht auch nicht darum, dass wir der Mannschaft Luxus zur Verfügung stellen. Es ist aber für einen Bundesligisten hier und da nicht alles perfekt, die Erholungsphasen sind für eine Mannschaft in der Vorbereitung ungemein wichtig. Wir werden das zurück in Köln in Ruhe analysieren.
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In den Jahren zuvor hatte sich der FC im luxuriösen Oeschberghof in Donaueschingen vorbereitet. Das Trainingslager soll den Klub rund 300.000 Euro gekostet haben.
Unsere finanzielle Situation ist bekannt. Wir hatten im vergangenen Jahr bewusst eine wachrüttelnde Rhetorik gewählt und vom „Sanierungsfall 1. FC Köln“ gesprochen. Und dazu gehört dann auch, jeden Stein umzudrehen – auch bei der Wahl des Trainingscamps. Das in Donaueschingen war auf Topniveau, aber auch sehr, sehr teuer.
Ist denn der FC jetzt noch ein „Sanierungsfall“?
Das würde ich weiterhin mit einem Ja beantworten. Doch was ist ein Sanierungsfall? Man saniert nur Dinge, die man für sanierungswürdig hält und an die man glaubt. In ein Haus, das ich sanieren lasse, will ich auch wieder einziehen. Wir haben alles beim FC grundlegend angepackt. Aus finanzieller Sicht muss eine Organisation wie der 1. FC Köln sich operativ selbst tragen können.
Es darf nicht sein, dass wir ein positives Ergebnis nur durch Sondereffekte oder Zufallseinnahmen – wie zum Beispiel Spielerverkäufe – erzielen können. Es muss vielmehr so sein: Wir können nur so viel Geld ausgeben, wie wir einnehmen. Und dennoch streben wir dabei nach dem maximalen sportlichen Erfolg und wollen unseren Fans ein hochattraktives sportliches Erlebnis bieten. Und diesen Kurs haben wir ganz klar eingeschlagen – erst recht nach der Zeit der Pandemie, die uns sehr viel Geld gekostet und hohe Schulden verursacht hat. Wir müssen diese Schulden zurückführen und wollen uns auch ein finanzielles Polster aufbauen. Auch, um handlungsfähig zu sein, wenn dies an größerer Stelle mal erforderlich sein sollte.
Sie haben bereits angekündigt, dass der Verein während der kommenden Mitgliederversammlung am 27. September ein besseres Ergebnis und auch einen Gewinn in Höhe von rund fünf, sechs Millionen Euro präsentieren wird. Bleibt es dabei?
Wir schreiben schwarze Zahlen. Das Ergebnis wird noch etwas positiver ausfallen als gedacht. Die genauen Zahlen werden Sie nach dem Jahresabschluss erfahren, doch wir können schon sagen: Es war ein gutes Geschäftsjahr für den 1. FC Köln. Und dieses bringt uns bei unseren Vorhaben weiter. Das positive Ergebnis wird unser Eigenkapital stärken. Aber es geht auch um andere Effekte. Wir wollen eine nachhaltige, operative Stabilität in den Verein bekommen und nicht von der Substanz zehren. Und wenn dann doch einmal positive Sondereffekte eintreten sollten, dann können wir überlegen, was wir mit dem Geld machen, ob und wie wir es in den Kader investieren, ob wir weiter Schulden tilgen oder es in die Infrastruktur stecken.
Den 1. FC Köln haben ein paar Top-Verdiener verlassen. Dennoch betonte Ihr Geschäftsführer-Kollege Christian Keller jüngst, dass „gar nicht so viel Geld“ übrig und deshalb auch der Spielraum für Neuzugänge nicht so groß sei. Können Sie das näher erklären?
Es sind zwar Spieler mit vergleichsweise hohen Gehältern von der Gehaltsliste gegangen, aber um ein operativ positives Ergebnis zu erwirtschaften, müssen wir auch die Einnahmesituation berücksichtigen. In Pandemie-Zeiten hatten wir beispielsweise zukünftige Sponsoring-Raten verkauft, um die dramatischen Einnahmeausfälle zu kompensieren. Dieses Geld fehlt uns auf der Einnahme-Seite Seite natürlich heute. Das auf der Gehaltsliste eingesparte Geld kompensiert oder besser saniert also erst einmal andere Effekte.
Dennoch benötigt der FC einen wettbewerbsfähigen Bundesliga-Kader. Was entgegnen Sie Kritikern, die behaupten, dass sich der FC kaputtsparen würde?
Uns ist doch auch klar: Wenn die sportliche Entwicklung einen ungünstigen Verlauf nehmen sollte, dann ist das Wasser auf die Mühlen dieser Kritiker. Entscheidend ist am Ende immer, was auf dem Platz passiert. Aber wir haben den Kader bereits verändert und sehen eine positive Entwicklung. Wir sind ambitioniert. Wir wollen eine leistungsstarke Mannschaft auf den Platz bringen und den FC sportlich weiterentwickeln. Wir gehen bei der Kaderplanung analytisch vor und kaufen nicht einfach nur klangvolle Namen. Wir versuchen gute Spieler mit tollen Anlagen zu finden, die genau in unser Konzept passen und an die wir glauben.
Und für diesen Weg steht auch unser Trainer Steffen Baumgart. Wir wollen im Nachwuchsleistungszentrum zudem eine Top-Adresse in Deutschland sein und Durchlässigkeit hin zu den Profis gewähren. Der 1. FC Köln ist ein Klub, bei dem man sich einen Namen machen kann und im Moment keiner, der große Namen teuer einkauft. Der FC hatte früher oft für die tabellarischen Regionen, in denen er sich aufgehalten hat, einen ziemlich teuren Lizenzspielerkader mit großen Namen. Wir entwickeln einen 1. FC Köln, bei dem für gute Leistungen auch gutes Geld bezahlt wird. Und deshalb ist das auch kein Kaputtsparen.
Steffen Baumgart hat in den vergangenen zwei Jahren sicherlich nicht nur die Mannschaft besser gemacht, sondern ist auch zum Gesicht des Klubs geworden. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich der FC zu abhängig von ihm macht? Ewig wird er auch nicht in Köln bleiben.
Wenn etwas gut funktioniert und man das an Personen festmacht, dann ist das eine völlig legitime These. Aber Steffen Baumgart ist kein Egomane, sondern mit seinem Stab ein absoluter Teamplayer. Er ist ein integraler Bestandteil unserer Überlegungen, die er auch nachhaltig mit umsetzt. Wenn es das Risiko sein sollte, dass wir einen super Trainer haben, der an diesem Ort funktioniert und mit uns in die Zukunft geht, dann nehmen wir das Risiko gerne in Kauf. Wir sind nicht naiv. Wir funktionieren super mit Steffen, aber allen ist klar, dass man keine Organisation der Welt nur von einer Person abhängig machen darf. Steffen will sich hier aber auch absolut nicht in eine solche Position bringen. Wir schreiben die Geschichte zusammen fort.
Aber ist es einigen im Verein nicht sogar ganz recht, dass sich so vieles auf Steffen Baumgart fokussiert?
Steffen macht das alles sehr gut und zieht viel Aufmerksamkeit auf sich – auch wenn es mal nicht so gut läuft. Er hilft damit sicherlich den Spielern. Aber ein Stück auch uns, denn dadurch werden gewisse Dinge absorbiert, so dass wir im Hintergrund professionell und in relativer Ruhe arbeiten können. Aber es nicht unsere Strategie, nur Steffen an die vorderste Front zu schicken.
Baumgarts Vertrag in Köln läuft bis 2025. Er erklärte aber bereits, dass er 2024 nicht wieder vorzeitig verlängern, sondern mit einem auslaufenden Vertrag ins Jahr 2025 gehen werde. Ist das nicht ein Problem?
Wir sind absolut davon überzeugt, dass sich Steffen beim 1. FC Köln wohlfühlt. Und wir sind gut beraten, erst einmal im Moment zu leben. Steffens Aufgabe mit dem Verein endet ja nicht, sie ist ein Prozess. Oder wie er es ausdrückt: „Wir sind auf einem Weg.“
Wohin soll dieser Weg führen? Wohin wollen Sie den 1. FC Köln bringen?
Ich beantworte das mit meinem sportlichen Ehrgeiz: Wenn die Möglichkeiten es erlauben, wollen wir den FC bei jeder sich bietenden Gelegenheit in das obere Tabellendrittel der Bundesliga führen. Köln ist die viertgrößte Stadt Deutschlands und eine der lebenswertesten. Wir haben starke Partner um uns herum, fantastische Fans, 130.000 Mitglieder und eine riesige Begeisterung.
Und wir haben tolle, kompetente Mitarbeiter im Verein. Auf diesem Weg sind wir uns vollkommen einig, in welcher Weise wir das tun. Der FC wird nicht, um oben konkurrieren zu können, zum Beispiel einen arabischen Investor oder irgendeinen anderen Investor in den Verein holen. Der FC bleibt ein mitgliedergeführter Verein, das ist ganz klar. Wir optimieren die Möglichkeiten beim FC, an die wir glauben.
Wie groß ist die Sehnsucht nach einem Titel? Der letzte liegt 40 Jahre zurück.
Diese Sehnsucht ist verständlich. Als Sportler willst du Titel holen, aber strukturell liegt da ein ganz schön langer Weg vor uns. Wir haben noch nicht die Voraussetzungen, um ganz selbstverständlich im oberen Tabellendritten mitzuspielen, davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Aber wir wollen diesen Rückstand nachhaltig reduzieren.
Der 1. FC Köln investiert auch in Steine. Das Gebäude am Geißbockheim wird umgebaut, Plätze und auch das Franz-Kremer-Stadion werden modernisiert, die Flutlichtmasten werden beispielsweise erneuert. Was kostet das Vorhaben insgesamt?
Wir sprechen da von einem signifikanten, siebenstelligen Betrag. Im Lizenzspielerbereich ist schon einiges verbessert worden, das war aber auch dringend notwendig und hätte schon vor Jahren in Angriff genommen werden müssen. Wir machen das, weil das die Basics sind. Wir wollen nicht nur annehmbare Verhältnisse für die Profis haben, sondern auch bestmöglich den Nachwuchs ausbilden. All das zeigt: Wir meinen das ernst, wir brechen zu etwas Neuem auf.
Der 1. FC Köln investiert auch in Steine. Das Gebäude am Geißbockheim wird umgebaut, Plätze und auch das Franz-Kremer-Stadion werden modernisiert, die Flutlichtmasten werden beispielsweise erneuert. Was kostet das Vorhaben insgesamt? Wann werden die Arbeiten abgeschlossen sein?
Am besten vorgestern (lacht). Wenn die neue Saison wieder richtig läuft, soll der Trainingsbetrieb auf den Plätzen wieder voll durchstarten. Und auch im Gebäude soll dann vieles fertig sein, bei der neuen Sporthalle müssen wir wohl noch bis zum Herbst warten. Das ist ein weiterer Professionalisierungsschritt – und der muss jetzt her. Wir können nicht warten, bis eine endgültige Entscheidung zum Ausbau Geißbockheim oder zu einem möglichen Umzug getroffen wurde.
Der FC schafft Fakten, weil es bei den weiteren Vorhaben Erweiterung/Umzug keinen neuen Stand gibt, oder?
Keinen neuen Stand: Das sagen wir leider schon viel zu lange. In dem Thema liegt aber eine hohe Komplexität. Ich kann immerhin sagen: Es gibt schon echte Bemühungen, eine Lösung zu finden – und zwar von allen Seiten, auch von der Verwaltung und der Politik.
Was heißt das denn konkret? Wie geht es weiter?
Der Befreiungsschlag, dass wir zum Beispiel sagen könnten, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt in ein neues Trainingszentrum oder eine neue Geschäftsstelle ziehen, den gibt es noch nicht.
Wann wäre denn der frühestens Zeitpunkt für einen Baubeginn in Marsdorf?
Bei solchen Vorhaben können schon mal fünf Jahre vergehen, das wäre jedenfalls meine realistische Erwartungshaltung. Sollte es früher funktionieren, würde mich Köln positiv überraschen.
Und finanziell könnte der Klub einen Umzug auch stemmen?
Das muss der Fall sein, wir würden da eine Lösung finden. Es gibt viele Partner, die an uns glauben. Köln muss einen Ort haben, an dem wir professionellen Fußball organisiert bekommen. Acht Jahre Stillstand sind keine Lösung. Im 1. FC Köln steckt so unglaublich viel Vitalität und so großes Potenzial, dass man diese große Herausforderung begeistert annehmen muss. Das muss Spaß machen, denn vor dem FC mit seinem starken Umfeld liegt eigentlich eine grandiose Zukunft. Und da sind jetzt einfach viele Parteien gefordert. Denn nur mit Träumereien wird hier nichts gelingen.