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Wechsel in die USA1. FC Köln verliert Abwehrchef zur Rückrunde

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Wechselt zum Ex-Klub von Bastian Schweinsteiger: Rafael Czichos

Köln – Die ersten Gerüchte, dass Rafael Czichos in die USA wechseln, dort seine Karriere fortsetzen und möglicherweise beenden könnte, waren im Herbst aufgekommen. Der Verteidiger des 1. FC Köln bezeichnete sich gerne selbst als „Amerika-Fan“, das Fußball-Abenteuer USA stünde nach seinem Vertragsende beim Bundesligisten durchaus im Raum, ließ der Vizekapitän durchblicken. Doch dass es jetzt so schnell gehen würde, hätten viele rund um den Klub und vielleicht auch Czichos selbst wohl nicht gedacht.

Am Sonntagvormittag kam der 31-Jährige noch einmal am Geißbockheim vorbei: Und zwar um seinen Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Am Nachmittag fehlte der Vize-Kapitän dann beim ersten Training des FC im neuen Jahr. Der Innenverteidiger erfüllt sich seinen Karrieretraum und wechselt ab der kommenden Major-League-Soccer-Saison, die Ende Februar 2022 beginnt, zu Chicago Fire. Da sein Vertrag ausläuft und nur noch sechs Monate lief, erhält der FC eine vergleichsweise geringe Ablöse, die bei rund 250.000 Euro liegen dürfte.

Abschied aus Köln nach dreieinhalb Jahren

Der Abwehrspieler tauscht also den Decksteiner Weiher gegen die Großen Seen ein – mit einem lachenden, aber auch einem weinenden Auge. „Der Abschied aus Köln fällt mir nach dreieinhalb emotionalen und erfolgreichen Jahren beim FC nicht leicht. Der Aufstieg 2019 war etwas ganz Besonderes für mich. Bundesliga zu spielen, war nach meinem Weg in den Profi-Fußball nicht selbstverständlich. Deshalb bin sehr stolz und dankbar für diese Zeit. Als jetzt das Angebot aus den USA kam, habe ich gemeinsam mit meiner Familie entschieden, mir einen Traum zu erfüllen und für die nächsten drei Jahre in die USA zu wechseln“, sagte Czichos.

Auf diese neue Herausforderung freue er sich sehr – auch wenn er es vor allem das letzte halbe Jahr sehr genossen habe, mit dieser Mannschaft und dem Trainerteam zusammenzuarbeiten. „Dem Trainer und meiner Mannschaft wünsche ich, dass es genauso weitergeht und werde die Spiele trotz Zeitverschiebung natürlich weiterhin verfolgen“, sagte der Vater eines vierjährigen Sohnes.

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Mit Czichos, der 2018 von Holstein Kiel nach Köln gewechselt war und 111 Mal das FC-Trikot trug, verliert die Mannschaft ganz sicher einen Führungsspieler. Der war zwar sportlich nicht immer unumstritten war, vor allem nach einigen Fehlern im Herbst zog er sich den Unmut vieler FC-Fans zu. Zuletzt zeigte sich der Abwehrspieler aber wieder deutlich verbessert. Sein Wort in der Kabine hatte zudem großes Gewicht.

Czichos, der 1990 im saudi-arabischen Dschidda geboren wurde, als sein Vater dort beruflich für eine internationale Firma arbeitete, ist zudem als Spieler bekannt, der über den Tellerrand schaut, sich für vieles abseits des Fußballs interessiert. Er vertritt eine klare Meinung und kann diese auch eloquent vertreten. Der Rückendeckung von Trainer Steffen Baumgart konnte sich Czichos in der Hinrunde immer gewiss sein. Der Coach verteidigte seinen Abwehrboss vehement, als es für diesen nicht so lief.

„Das ist ein mutiger Schritt“

So klang Baumgart auch hin- und hergerissen: „Mit Rafa verlässt uns ein absoluter Führungsspieler, er war im letzten halben Jahr auf und neben dem Platz ein ganz wichtiger Ansprechpartner für mich. Zudem zählte er auch sportlich zu unseren Leistungsträgern. Er ist ein gradliniger, offener Typ mit einem Top-Charakter. So jemanden lässt man nicht gerne ziehen. Rafas Entscheidung, diesen Weg zu gehen, akzeptiere ich dennoch mit großem Respekt. Das ist ein mutiger Schritt und ich wünsche ihm nur das Beste für seine Zukunft in Chicago.“

Die Innenverteidiger Luca Kilian und Timo Hübers, die beide im vergangenen Sommer ans Geißbockheim wechselten, sollen Czichos‘ Abgang kompensieren. Sportlich zutrauen darf man ihnen diese Aufgabe, das stellten sie auch bereits unter Beweis. Jorge Meré, um den es zuletzt wieder einmal Wechselgerüchte gegeben hat, soll nun bleiben. Baumgart sprach am Sonntag auch davon, dass für Meré weiterhin kein Angebot eines anderen Klubs vorläge. „Ich Sommer lese ich was, im Winter lese ich was. Bisher ist noch nichts auf dem Tisch, und davon gehe ich auch nicht aus. Wenn etwas kommt, werden wir uns mit Jorge unterhalten", blieb Baumgart betont gelassen. Was jetzt mit dem zuletzt chancenlosen jungen Innenverteidiger Sava Cestic (20) passiert, ist ebenfalls noch genauso offen wie die Frage, ob der Klub nach dem Czichos-Wechsel nicht doch noch mal auf dem Transfermarkt tätig wird. „Wir haben bis Ende Januar Zeit, das werden wir uns auch offen halten. Aber wir laufen nicht aktiv los und sagen: Jetzt muss der nächste Innenverteidiger kommen", sagte der Trainer.

Ein Risiko für den 1. FC Köln

Interims-Sportchef Jörg Jakobs weiß, dass Czichos‘ Abgang ein Risiko sein kann. „Mitten in der Saison einen Leistungsträger und Führungsspieler zu verlieren, ist kein Szenario, das man sich wünscht. Aber Rafa hat für sich eine Entscheidung getroffen, diese klar an uns kommuniziert und wir wollen ihm keine Steine in den Weg legen. Seine Zeit beim FC war nicht immer einfach, insbesondere nach seiner schweren Halswirbelverletzung war es beeindruckend, wie er sich zurückgekämpft hat. Rückblickend war er sehr erfolgreich. In jeder Saison und unter jedem Trainer hat er sich weiterentwickelt, war Stammspieler und Rückhalt für unsere Mannschaft.“

Doch diesen hat der FC jetzt verloren. Kenneth Kronholm, sein ehemaliger Mitspieler bei Holstein Kiel, hatte zuletzt zwei Jahre für Chicago gespielt. Man darf davon ausgehen, dass der Torhüter dem Abwehrspieler fast nur Gutes über das Leben und Wirken in der „Windy City“ berichtet hat.