Für den Ex-FC-Coach Steffen Baumgart war das Callcenter am Geißbockheim „wie eine Familie“. Jetzt folgten Veränderungen.
Trainer-Großraumbüro aufgelöstSteffen Baumgarts FC-„Callcenter“ ist nun endgültig Geschichte
Es wird kein normaler Abend für Steffen Baumgart werden, ganz sicher nicht. Der Trainer des Hamburger SV, der mit seinem neuen Verein am Freitagabend (20.30 Uhr) die Zweitliga-Saison mit dem Spiel beim 1. FC Köln eröffnet, kehrt bekanntlich erstmals als Trainer des Gegners ins Rhein-Energie-Stadion zurück.
Er verspüre „große, positive Aufregung“ und „Vorfreude“, gab der 52-Jährige vor dem Duell bei seinem Ex-Klub zu, für den er bis Ende Dezember 2023 zweieinhalb Jahre gearbeitet hatte – zwei davon waren äußerst erfolgreich verlaufen mit Bundesliga-Platz sieben und elf. „Ich habe die Stimmung im Stadion und die Leidenschaft der Fans immer genossen. Ich habe mich stets mit dem FC sehr verbunden gefühlt. Das ist es, was bei mir von meiner intensiven Kölner Zeit hängen bleibt. Wer sich danach über mich wie auch immer geäußert hat, das ist mir nicht wichtig. Ich sehe Köln und den FC ja als Gesamtpaket, da geht es nicht um Einzelne oder einzelne Meinungen“, sagte Baumgart im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ und hob ganz konkret die Arbeitsatmosphäre am Geißbockheim hervor: „Ich hatte eine tolle Mannschaft mit super Charakteren, ein fantastisches Trainerteam im so genannten Callcenter, das wie eine Familie war. Und es gibt auch andere enge Mitarbeiter, auf die ich mich am Freitag freue.“
1. FC Köln: Timo Schultz hatte Trainer-Großraumbüro noch übernommen
In der Amtszeit von Baumgart war am Geißbockheim das „Callcenter“, ein Großraum-Büro des Trainerstabes, entstanden. Während die Trainer und Videoanalysten zuvor in kleineren Büros untergebracht waren, wurden diese einst zusammengelegt. Bis zu neunt saßen Baumgart und Co. in dieser Schaltzentrale am Geißbockheim mit vielen Bildschirmen und einer Telefonanlage mit Headsets, intern wurde der Raum deshalb schnell „Callcenter“ getauft. Vor fast jeder Pressekonferenz grüßte Baumgart nicht nur die Fans vor dem FC-TV und die anwesenden Journalisten, sondern schickte auch stets einen Gruß ins Callcenter geschickt. An Karneval verkleideten sich die Trainer sogar als „Callcenter-Agenten“. Nach der Trennung von Baumgart übernahm sein Nachfolger Timo Schultz, der ohne eigenen Co-Trainer nach Köln gewechselt war, dann die Schaltzentrale.
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Doch jetzt ist das Callcenter endgültig Geschichte. Wie diese Zeitung erfuhr, wurde das Großraumbüro aufgelöst. Der neue Kölner Trainer Gerhard Struber, der seine Assistenten Bernd Eibler und Thomas Hickersberger mit zum FC nahm, bezog bereits ein eigenes Trainerbüro. Sport-Geschäftsführer Christian Keller, so heißt es, soll in einer Ansprache vor dem Team und den Mitarbeitern auch darum gebeten haben, den Begriff des „Callcenters“ nicht mehr zu verwenden.
Aber auch im Fußball hat nun einmal alles seine Zeit. Und Veränderungen unter neuen Trainern sind oft einfach auch nur normale Vorgänge bei Profiklubs. Das weiß natürlich auch Baumgart, der im Interview selbst davon gesprochen hatte, dass der Profi-Fußball nun einmal „ungemein schnelllebig“ und „vieles schnell Vergangenheit“ sei. Der FC macht da keine Ausnahme. Denn zum „Callcenter“ gehörten seinerzeit neben Baumgart auch dessen Assistenten René Wagner, André Pawlak, Kevin McKenna, Torwarttrainer Uwe Gospodarek sowie die Athletiktrainer Leif Frach, Max Weuthen, Tillmann Bockhorst und die Videoanalysten Hannes Dold und Dennis Huckestein. Gospodarek, Wagner und später Pawlak und McKenna verließen den FC in diesem Jahr. Baumgart lotste Wagner und McKenna zum HSV, Pawlak ist seit dem 1. Juli U16-Nationaltrainer beim DFB. Gospodarek ist derzeit vereinslos.
Dass auch viele Fans das „Callcenter“ kannten, hatte auch mit der vereinseigenen, erfolgreichen Vereins-Doku „24/7 FC“ zu tun, in der seit der Saison 2019/20 in acht bis zehn Folgen pro Jahr exklusive Einblicke in das Profi-Leben des Bundesligisten geben wurde. Vor allem Baumgart ließ das Flutlicht-TV-Team um Matthias Del Piero und Thomas Schlosser sehr nah an die Mannschaft heran. Man vertraute sich gegenseitig. Unvergessen, wie zum Beispiel Kapitän Jonas Hector im Glitzerkleid eine Tanz-Einlage mit Jhon Cordoba einlegte. Zur Saison 2023/24 wurde „24/7 FC“ dann eingestellt, der Verein trennte sich von Flutlicht-TV und schuf unter Federführung des Kommunikationsdirektors Michael Rudolph, der mittlerweile nicht mehr beim FC tätig ist, ein neues, deutlich kompakteres und vor allem weniger intimes Format. Del Piero und Schlosser arbeiten heute unter anderem für den VfB Stuttgart – beim Vizemeister ist bekanntlich der langjährige FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle Vorstandsvorsitzender.
Struber hat auch ohne Callcenter guten Draht zu Spielern und zum Stab
Dass die Verbundenheit der „Callcenter-Mitarbeiter“ auch über die gemeinsame FC-Zeit hinaus geht, wurde zum Beispiel Ende Mai deutlich: Als Dold und Weuthen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ihre Hochzeit feierten, folgten auch die meisten Ex-Trainer der Einladung – inklusive Baumgart.
Aber „Callcenter“ und eigenes Trainerbüro hin oder her: Die jüngste Vorbereitung zeigte, dass der neue FC-Coach Struber zu seinen Spielern bereits einen guten Zugang gefunden hat. Die Spieler jedenfalls lobten die Herangehensweise und Art des neuen Coaches, der wiederum gab das Lob postwendend an die Mannschaft zurück. Am Mittwoch sagte Struber, dass er mit seiner bisherigen Kölner Zeit und der Vorbereitung zufrieden sei, „weil wir auch neben dem Platz zusammengewachsen sind mit Mannschaft und Trainerteam.“ Am Freitagabend ab 20.30 Uhr wollen Struber und seine Mannschaft dann gegen Baumgarts HSV die ersten Früchte ihrer bisherigen Arbeit ernten.