Bis Ende 2023 war Steffen Baumgart Trainer des 1. FC Köln, lange Zeit erfolgreich. Nun kehrt er als HSV-Coach nach Müngersdorf zurück.
Ex-Coach Steffen Baumgart„Ich wünsche dem FC das Beste – vielleicht nicht unbedingt am Freitag“
Herr Baumgart, mit welcher Einstiegsfrage rechnen Sie jetzt am ehesten?
Bin ich der Journalist oder Sie? Aber Sie werden mich sicher gleich fragen, mit welchen Gefühlen ich nach Köln zurückkehre.
Dann probieren wir es doch einmal: Herr Baumgart, mit welchen Gefühlen kehren Sie am Freitag zum Zweitliga-Auftakt ins Rhein-Energie-Stadion zurück?
Mit großer positiver Aufregung, das gebe ich offen zu. Und mit Vorfreude auf die Stimmung. Ich hatte eine schöne, emotionale und intensive Zeit beim FC. Dabei hatten wir zwei Jahre Erfolg. Ich hatte eine tolle Mannschaft mit super Charakteren, ein fantastisches Trainerteam im so genannten Callcenter, das wie eine Familie war. Und es gibt auch andere enge Mitarbeiter, auf die ich mich am Freitag freue. Ich habe die Stimmung im Stadion und die Leidenschaft der Fans immer genossen. Ich habe mich stets mit dem FC sehr verbunden gefühlt. Das ist es, was bei mir von meiner intensiven Kölner Zeit hängen bleibt. Wer sich danach über mich wie auch immer geäußert hat, das ist mir nicht wichtig. Ich sehe Köln und den FC ja als Gesamtpaket, da geht es nicht um Einzelne oder einzelne Meinungen.
Sie haben Ihr Haus in Köln aufgegeben. Was bleibt von Steffen Baumgart in Köln?
Ich hoffe doch einiges. Und zwar einiges Positives aus meiner Trainer-Zeit. Und seien Sie sicher, so schnell werden Sie die Familie Baumgart auch nicht los (lacht). Das Haus haben wir zwar aufgegeben, aber meine Frau Katja und ich waren erst vor kurzem wieder in Köln. Meine Tochter Millie (Emilia, d. Red.) arbeitet weiterhin dort. Wir werden immer mal wieder zurückkommen. Und ich wünsche mir, dass auch der FC zurückkommt. Und zwar dorthin, wohin er auch gehört: In die Bundesliga. Bevor Sie fragen: Das gilt natürlich auch für den HSV.
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Manche sagen: Die Trennung von Ihnen Ende Dezember war eine Niederlage für den ganzen Verein.
So ist eben das Fußballgeschäft: Es ist ungemein schnelllebig und vieles ist schnell Vergangenheit. Wenn ein Trainer einen Verein verlässt, dann muss irgendetwas nicht mehr funktioniert haben. Und das hat immer auch mit den handelnden Personen zu tun. Aber Sie werden mich da jetzt nicht locken können. Wir sollten die Vergangenheit auf sich beruhen lassen. Ich bin jetzt seit mehreren Monaten beim HSV und habe hier genug zu tun. Ich wünsche dem FC das Beste – vielleicht nicht unbedingt am Freitag (lacht).
Zur Person: Steffen Baumgart (52), geboren in Rostock, ist seit Februar 2024 Trainer des Hamburger SV. Zuvor war er von 2021 bis Ende 2023 für den 1. FC Köln verantwortlich, betreute ihn in 98 Pflichtspielen. Als Profi war der frühere Angreifer unter anderem für Hansa Rostock, Union Berlin und Energie Cottbus aktiv. Baumgart ist verheiratet und hat drei Kinder. (ksta)
Offenbar haben Sie auch nicht lange gebraucht, um die emotionale Kölner Zeit zu verarbeiten. Knapp zwei Monate später waren Sie schon HSV-Trainer.
Ich war da immer sehr klar und ehrlich: Ich habe gleich gesagt, dass ich keine große Pause brauche und schnell gerne wieder arbeiten will. Und dann kam der Verein, zu dem ich immer gewollt hatte, dessen Fan ich schon als Kind war. Die Konstellation hat einfach gepasst. Und den Schritt von der 1. zurück in die 2. Bundesliga macht auch nicht jeder Trainer. Aber ich habe ihn mit keinem Tag bereut. Und jetzt bin ich entschlossen, mit meinem tollen Trainerteam beim HSV den anderen Weg zu gehen: den von Zweiten in die Erste Liga.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Vorbereitung?
Es war eine normale und gute Vorbereitung. Die Jungs haben allesamt im Trainingslager sehr gut mitgezogen. Leider haben wir im Sturm einige Verletzungssorgen. Es sind keine langwierigen Geschichten, aber Robert Glatzel wird wegen der Sehnenreizung in Köln sicher ausfallen. Davie Selke hat noch mit den Nachwirkungen seines Mittelfußbruchs aus seiner FC-Zeit zu tun, macht aber klare Fortschritte. Nach der Partie in Köln ist er sicher wieder eine Alternative, vielleicht gehört er auch schon am Freitag dem Kader an. Bei Robert sind wir zuversichtlich, dass er spätestens nach der Länderspielpause Anfang September wieder dazustößt. Wir wollen bei beiden kein Risiko eingehen. Zudem wird unser Torwart Matheo Raab krankheitsbedingt ausfallen, doch mit Daniel Heuer Fernandes haben wir da mehr als eine Alternative, so dass ich mir im Tor die geringsten Sorgen mache.
Wie würden Sie die Stimmungslage in Hamburg beschreiben, ist der Druck noch größer geworden? Der HSV unternimmt schließlich nunmehr den siebten Anlauf, die 2. Bundesliga wieder zu verlassen.
Sie ist nicht euphorisch, das liegt dem Norddeutschen angeblich ja auch eher fern, aber sie ist gut. Und was heißt schon Druck? Es geht für den HSV jede Saison um dasselbe Ziel. Am Ende sind erneut wir und jetzt die Kölner die einzigen Klubs, die sich aus der Deckung wagen und offen ihre Ziele formulieren. Mindestens acht weitere Teams wollen zwar auch aufsteigen, formulieren das aber nicht so klar.
Also sind der HSV und der FC auch die großen Favoriten auf den direkten Aufstieg?
Was heißt schon große Favoriten? Dazu sage ich gar nichts. Das wäre auch respektlos gegenüber anderen Mannschaften. Ohnehin kann man sich von einer vermeintlichen Favoritenrolle gar nichts kaufen. Ich sage nur: Wir wollen oben angreifen. Und der FC will und muss das mit diesem Kader ebenfalls. Ob dann am Ende der Aufstieg gelingt, das ist wiederum eine andere Sache. Das wissen wir in Hamburg aus eigener Erfahrung – auch schon weit vor meiner Zeit.
Viele sprechen von der stärksten und spektakulärsten 2. Bundesliga aller Zeiten. Wie sehen Sie das?
Ich mag diese Superlative nicht, die können gerne andere benutzen. Die 2. Bundesliga ist seit Jahren sehr ausgeglichen. Und ausgeglichener als die Bundesliga, in der sechs Teams um die Champions League spielen, vier irgendwo im Niemandsland sind und die restlichen acht alle um den Klassenerhalt kämpfen. In der Zweiten Liga ist nichts zu prognostizieren, erst recht nicht die einzelnen Ergebnisse an den Spieltagen. Sagen wir es mal so: Die kommende Zweitliga-Saison ist sicherlich wieder sehr ausgeglichen und spannend und wird die ein oder andere Überraschung parat haben.
Sie haben auch mit dem SC Paderborn in der 2. Bundesliga gespielt. Auf was kommt es in der Liga an?
Natürlich gibt es da die Traditionsklubs mit den großen Namen, aber zum Beispiel auch in Elversberg wird längst richtig guter Fußball gespielt. Und wer Münster oder Ulm unterschätzt, der könnte auch sein blaues Wunder erleben. Ich will jetzt keinen künstlich stark reden: Aber du kannst es dir einfach nicht erlauben, als vermeintlich größerer Klub auch nur einen Gegner zu unterschätzen. Dafür ist das Niveau einfach zu ausgeglichen. Jedes Spiel fordert dich, du musst hellwach sein. Du bestehst nur, wenn du die Liga von Beginn an ernst nimmst. Ich habe es doch selbst erlebt: Jeder Gegner ist gegen uns in der Rückrunde zehn Prozent mehr gelaufen als in den anderen Spielen. Gegen Köln, Schalke, den HSV oder Hertha – da sind alle noch einmal extra motiviert. Erst recht auswärts, wenn die vermeintlichen Außenseiter vor 60.000 Fans spielen. Da kommt wieder einmal viel auf die Traditionsklubs zu.
Wie gefällt Ihnen aktuell der FC?
Was ich gesehen habe, das war schon überzeugend und sehr stabil. Viel Intensität und Aggressivität, hohe Ballgewinne, schnelles Umschaltspiel. Man merkt auch, dass viele Spieler schon länger zusammenspielen und viele Automatismen greifen. Das zentrale Mittelfeld mit Eric Martel, Dejan Ljubicic und Denis Huseinbasic ist für mich das Kölner Herzstück. Viele Jungs sind nach dem Abstieg geblieben, der Kader ist gut aufgestellt. Wie gesagt: Mit diesem Team wird man oben mitspielen. Der FC wird die Mannschaft sein, die es zu schlagen gilt.
Hat es Sie überrascht, dass nach dem Abstieg viele Kölner Profis von Ihrer Ausstiegsklausel keinen Gebrauch gemacht haben?
Nein. Denn ich kenne die Jungs ja. Sie sind charakterstark und wollen die Situation in der 2. Bundesliga zusammen anpacken und vielleicht wieder etwas geradebiegen.
Und jetzt spielt der FC unter dem neuen Trainer Gerhard Struber auch wieder Baumgart-Fußball, heißt es. Oder wie sieht es das Original?
Manche mögen das so sehen, aber es gibt da schon Unterschiede. Man merkt schon, dass Gerhard Struber der RB-Schule entstammt – das meine ich jetzt völlig wertfrei. Er lässt einen Fußball mit schnellem Umschaltspiel und hoher Intensität und Mentalität spielen, seine Spieler sind stets auf zweite Bälle aus.
In Köln gab es zuletzt einige Irritationen um den Abschied von Stürmer Davie Selke, der vage Anschuldigungen gegen die Verantwortlichen erhob.
Dazu kann ich nichts sagen. Wir haben erst über Davie nachgedacht und sind mit ihm dann in Kontakt getreten, als klar war, dass er den FC verlässt. Die Einigung mit ihm ging dann schnell über die Bühne. Weil alle Seiten von der Zusammenarbeit überzeugt waren und sind. Ich kann nur sagen: Wir sind finanziell nicht besser aufgestellt als die Kölner und zahlen sicher auch nicht mehr. Und dass Davie keine anderen Optionen hatte, das wage ich dann doch zu bezweifeln. Davie ist ein feiner Typ und ein guter Stürmer, der uns helfen wird.
Vor einem Jahr hatten Sie Florian Kainz zum FC-Kapitän ernannt. Nach nur einer – zugegeben enttäuschenden – Saison ist er sein Amt wieder los. Hat Sie das verwundert?
Kainzi ist auch einer dieser Spieler mit einem richtig guten Charakter. Er war für mich auch ein guter Kapitän. Er liebt die Mannschaft und den Verein – und das unabhängig von der Kapitänsbinde. Deshalb wird er das auch gut verkraften können. Und mit Timo Hübers gibt es ja einen Nachfolger, der sich sein Standing über einige Jahre erarbeitet hat und das Amt sicherlich auch gut ausfüllen wird.
Erwarten Sie am Freitag im Stadion Applaus – oder vielleicht sogar ein paar Pfiffe?
Das kann ich nicht einschätzen. Ich bin jetzt der Trainer des Gegners und – wenn es um die Saisonziele geht – des Kontrahenten. Da wird es garantiert nicht immer Liebesbekundungen geben und auch nicht geben müssen.