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Gerhard Struber im InterviewDarum war der neue FC-Trainer drei Jahre komplett vom Fußball weg

Lesezeit 8 Minuten
Gerhard Struber, Trainer des 1. FC Köln, gibt im Trainingslager in Bad Waltersdorf seinen Spielern Anweisungen.

Klare Anweisungen: Der neue FC-Trainer Gerhard Struber ist auch auf dem Trainingsplatz in Bad Waltersdorf nicht zu überhören.

Der Werdegang des neuen Kölner Coaches ist sicherlich ungewöhnlich. Das hat der Österreicher beim FC nun vor.

Seit rund einem Monat ist Gerhard Struber mittlerweile Trainer des 1. FC Köln. Im Rahmen des Trainingslagers in Bad Waltersdorf äußerte sich der Österreicher aus dem Salzburger Land erstmals ausführlich zu seinen ersten Wochen beim Bundesliga-Absteiger. Der 47-Jährige erklärt, warum ihn den Klub ganz besonders reizt und was er genau mit seiner Mannschaft vorhat. Er verrät, was ihm seine Landsleute Peter Stöger und Manfred Schmid rieten, die vor ihm lange beim FC als Trainer tätig waren. Und Struber spricht im Interview zudem ausführlich über seinen sicherlich ungewöhnlichen Werdegang, an dem Österreichs Nationaltrainer Ralf Rangnick einen entscheidenden Anteil hat.

Herr Struber, wenn ein Verein wie der 1. FC Köln mit seiner Wucht, Tradition, aber auch seinen vielen Problemen Interesse an einem bekundet, wie fiel da Ihre erste Reaktion aus?

Gerhard Struber: In erster Linie denkt man nicht an diese Themen, sondern fragt sich als Trainer: Kann ich es schaffen, mit der zur Verfügung stehenden Mannschaft erfolgreich zu sein? Man hat nur ein Trainerleben – und das will man so erfolgreich wie möglich gestalten. Deshalb muss man jede Entscheidung klug und besonnen treffen. In Bezug auf den FC bin ich zu der Erkenntnis gekommen: Hier gibt es alles, damit das gelingen kann. Und das trotz Transfersperre und Abstieg. Mit der Mannschaft haben wir erstmal am Selbstwertgefühl und an dem Selbstverständnis gearbeitet, um wieder erfolgreich zu sein. Dafür bedurfte es konkreter Abläufe, die gewährleisten, dass wir ein unangenehmer Gegner sind. Mittlerweile sind wir als Team schon weiter zusammengewachsen. Und die proaktive Art von Fußball, die der FC spielen will, die trage ich ohnehin in mir. Ich habe von Anfang an gespürt: Das mit dem FC und mir kann ein gutes Match ergeben.

Alles zum Thema Peter Stöger

Nach Ihrem Landsmann Peter Stöger, der vier Jahre lang Erfolg hatte, sind Sie mittlerweile der neunte FC-Trainer. Hat das gar nicht abgeschreckt?

Natürlich habe ich das aus der Ferne wahrgenommen. Aber gleichzeitig gab es eben auch die lange Ära von Peter und die zwei Jahre unter Steffen Baumgart, die erfolgreich waren. Meine Gedankenwelt ist grundsätzlich aber nicht zurückgerichtet, vielmehr stellen wir uns die Frage: Wie können wir mit der vorhandenen Spielerqualität die richtigen Schritte machen, die es uns ermöglichen, möglichst schnell wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Und da habe ich für mich gute Antworten gefunden.

Hatten Sie Kontakt zu Peter Stöger und seinem früheren FC-Assistenten Manfred Schmid?

Ja, mit Peter hatte ich telefoniert und geschrieben, mit Manni bin ich ohnehin befreundet. Und die haben Ihnen zu- oder abgeraten? (lacht) Peter hat mir vieles über den FC erzählt, wie der Verein, sein Umfeld und die Stadt ticken. Manni ist noch sehr nah dran am FC und sieht fast jedes Spiel. Es war mir wichtig, von einem engen Vertrauten wie ihm zu hören, wie er über die Spielerqualität und Situation in Köln denkt. Aber am Ende unterscheide ich mich auch von beiden, da ich für einen komplett anderen Stil stehe. Da gibt es also keine Blaupause. In unserer Situation brauchen wir Überzeugungen und eine klare Idee von Fußball, die wir unseren Jungs vermitteln. Und daran arbeiten wir.

Aber noch einmal: Welches Bild hatte der Klub denn bis vor kurzem für den Außenstehenden Gerhard Struber abgegeben?

Dass der FC ein emotionaler Klub ist, der die Leute mitreißt. Seitdem ich hier bin, schreiben mich ganz viele Leute aus Österreich an, die FC-Fans sind oder zumindest mit dem Klub sympathisieren, von denen ich das so nicht erwartet hätte. Dahingehend hat mich die Power des FC dann doch überrascht. Und natürlich ist mir bewusst, dass der FC bei all seiner Strahlkraft und Tradition nicht so stabil ist, wie man es sich für solch einen Verein wünschen würde.

Wenn dir alleine alle zwei Wochen 50.000 Fans im Stadion auf die Füße schauen: Da geht es tatsächlich um viel, das ist Druck
Gerhard Struber über die Erwartungshaltung in Köln

Was ist Ihre größte Herausforderung?

Die Erwartungshaltung. Da geht es nicht um meinen Umgang damit, sondern um den meiner Mannschaft. Wir haben viele junge Spieler, die wir mit richtig guter Kommunikation mitnehmen müssen. Wenn dir alleine alle zwei Wochen 50.000 Fans im Stadion auf die Füße schauen: Da geht es tatsächlich um viel, mit diesem Druck müssen die Jungs lernen, umzugehen. Und gleichzeitig wollen wir ihnen klar machen, was für ein riesiges Privileg es ist, regelmäßig vor so einer tollen Kulisse spielen zu dürfen.

Sie waren schon bei einigen Profiklubs Trainer, aber noch bei keinem so emotionalen und wuchtigen wie dem FC. Wie groß ist da für Sie die Umstellung?

Stimmt, ich hatte noch keinen Klub mit 50.000 Fans bei jedem Heimspiel. Aber auch beim FC Barnsley waren die Emotionen und die Verbundenheit mit dem Verein gewaltig. Insofern weiß ich, wie emotional das werden kann.

Sie stammen aus Kuchl, einer kleinen Gemeinde im Salzburger Land. Ihr Vater war Landwirt. Da schien erst einmal der Profifußball mit 50.000 Fans im Stadion doch ziemlich weit weg.

Eigentlich ganz witzig. Trotzdem hatte ich schon als Sieben-/Acht-Jähriger den Traum, Profifußballer zu werden. Wir haben daheim einfach gekickt, auch mein Papa im Amateurbereich. Und in den Ferien hatten wir immer viele Gäste aus Deutschland, mit denen wir dann auf der Wiesn gespielt haben: Deutschland gegen Österreich. Ich hatte auch schon früh große Vorbilder: Hans Krankl oder die Spieler aus Salzburg. Genauso deutsche Stars wie Lothar Matthäus, Rudi Völler, Andy Brehme oder Pierre Littbarski. Wenn WM oder EM war, hing die ganze Familie permanent vor der Glotze.

Das Kapitel Fußball war mehr oder weniger vorbei. Stattdessen bekam ich die Chance, Karriere in einem großen Versicherungskonzern zu machen
Struber über seinen Werdegang

Sie erfüllten sich dann den Profi-Traum, wurden mit Ihrem Jugendverein Austria Salzburg 1997 sogar Meister. Wegen größerer Knieprobleme war die Karriere dann aber früh vorbei, so dass Sie sich beruflich umorientierten. Sie bildeten sich weiter und arbeiteten sich später in der Versicherungsbranche hoch, wurden Vertriebsleiter – mit MBA-Studium. Auch das ist eine Karriere. Dennoch: Hatten Sie da mit dem Profifußball schon abgeschlossen?

Ja, das Kapitel war mehr oder weniger vorbei. Stattdessen bekam ich die Chance, Karriere in einem großen Versicherungskonzern zu machen. Gekickt habe ich nur noch spaßeshalber. Nebenberuflich hatte ich bei Red Bull Salzburg als Co-Trainer im Nachwuchsbereich gearbeitet und gemerkt, dass mir das Coaching eigentlich liegt. Das ließ sich irgendwann aber nicht mehr mit meinem Job als Führungskraft vereinbaren. Von 2009 bis 2012 war ich sogar mal drei Jahre komplett vom Fußball weg. Doch dann hat mich ein Freund, der Sportchef des SV Kuchl, überredet, dem Verein in einer prekären Situation zu helfen. Dafür habe ich mir Zeit freigeschaufelt, der Abstiegskampf ging gut aus und ich bin dabei geblieben.

Es folgte ein Freundschaftsspiel mit Kuchl gegen den FC RB Salzburg, der zum Wendepunkt wurde…

Ja, das war tatsächlich so. Wir hatten das große Salzburg mit dem kleinen SV Kuchl richtig gefordert. Ralf Rangnick (damals Sportdirektor bei RB Salzburg, d. Red.) muss das mutige Spiel meiner Mannschaft gut gefallen haben. Er und Christoph Freund (heute Sportdirektor beim FC Bayern) luden mich jedenfalls kurz darauf zu einem Gespräch ein. Und fragten mich tatsächlich, ob ich es mir vorstellen könnte, hauptberuflich bei RB anzufangen.

Dafür mussten Sie aber die Karriere im Versicherungskonzern aufgeben. Eine ungemein schwierige Entscheidung, oder?

Die meisten Kollegen konnten meine Entscheidung für den Fußball nicht verstehen. Aber manchmal muss man auf seinen Bauch hören. Und wissen Sie was: Ich bin richtig froh darüber (lacht). Fußball ist Leidenschaft pur. Und als Trainer kannst du sehr steuernd eingreifen, das gefällt mir. Meine Frau Lisa hat mich damals gefragt, was ich wählen würde, wenn ich wüsste, dass ich nicht mehr so lange zu leben hätte. Meine Antwort war: zu 100 Prozent den Job im Fußball. Auch in dem Wissen, dass es ein volatiler Job ist und egal wo, immer abliefern muss. Ob in Salzburg oder später in New York. Das große Amerika und die MLS zu erleben, das war dann noch einmal ein Lifechanger.

Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Natürlich bin ich Ralf zu Dank verpflichtet und schätze ihn sehr
Struber über den heutigen österreichischen Nationaltrainer Rangnick

Nach der Zeit in New York kehrten Sie als Trainer zu Serienmeister RB Salzburg zurück. Zum Heimatklub. Warum war dieser Job schon nach zehn Monaten wieder Geschichte?

So ist das Fußballgeschäft manchmal. In Summe habe ich über zehn Jahre für RB gearbeitet. Aber irgendwann gelangt man an einen Punkt, an dem es gut ist, mal was anderes zu machen. Ich habe gespürt, dass die Arbeit vor der eigenen Haustür, so schön sie auch sein mag, auch ihre Schattenseiten haben kann.

Wie ist heute Ihr Kontakt zu Ralf Rangnick?

Wir haben uns nie aus den Augen verloren. Natürlich bin ich Ralf zu Dank verpflichtet und schätze ihn sehr. Ralf muss man gut kennen, er ist sehr klar und manchmal hart in seine Ansichten. Vor allem ist er überzeugend und begeisternd. Von ihm und seinen Mentor Helmut Groß habe ich sehr viel in Sachen Fußballidee und -Philosophie gelernt. Mich freut es ungemein, dass Ralf als Trainer der Nationalmannschaft in Österreich den Hut aufhat. Ich hatte immer das Glück, dass ich in den richtigen Momenten immer wieder interessante Leute kennengelernt habe, die mir das Vertrauen geschenkt und die Chance gegeben haben, diesen Weg zu gehen. So wie Ralf Rangnick eben.