Köln – Alle sind glücklich und erleichtert, dass Stefan Baumgart nach acht Tagen Abstinenz am Mittwoch wieder auf dem Platz am Geißbockheim stehen und das Training des 1. FC Köln leiten konnte. Wirklich alle. Die Spieler des Bundesligisten freuen sich, die Fans ebenso, aber auch Baumgarts Familie in Widdersdorf ist offenbar erleichtert. „Ich glaube, es sind alle froh, dass ich zuhause raus bin“, scherzte der Trainer nach der Einheit, in der er wie gewohnt nicht zu überhören gewesen war.
Ganz so wie am vergangenen Samstag beim Coaching im heimischen Wohnzimmer, als er während des Spiels gegen Freiburg (1:0) Familie, Hund und Möbel malträtiert und alles lautstark kommentiert hatte – nur mit besten Absichten, natürlich.
Eine Woche nach seiner Corona-Infektion hatte sich der 50-Jährige am Mittwochmorgen offiziell mit einem negativen Antigentest aus der Isolation befreien können. Der Chefcoach war während der gesamten Zeit ohne nennenswerte Symptome geblieben. Zum Glück, andererseits war es genau diese Tatsache, die Baumgart zu schaffen machte. „Das Schwierige ist, dass du einen Test brauchst, der dir sagt, dass du krank bist“, sagte der Coach, der sich aber eben nicht krank gefühlt hätte. „Der Test hat das aber ausgesagt. Damit müssen alle umgehen, nicht nur ich. Es ist für alle schwierig, wenn Du dich gut fühlst, aber nicht raus darfst.“ Nun sei er auch laut seiner CT-Werte nicht mehr ansteckend und freue sich, wieder am Geißbockheim zu sein.
Keine Symptome
Baumgart kann also auch am Freitagabend (20.30 Uhr) im Spiel beim Tabellennachbarn RB Leipzig auf der Bank sitzen. Obwohl das mit dem Sitzen so eine Sache ist, das zeigte auch das Video des Trainers aus dem Wohnzimmer, das zum viralen Hit wurde – sogar international. „Dass ich sowas nicht ruhig gucken kann, gerade wenn es um meine Jungs geht, das kann sich jeder vorstellen. Es ist schon anstrengend, wenn du nicht eingreifen kannst“, sagte Baumgart. Der Trainer zeigte sich indes überrascht, welche Aufmerksamkeit das Video seiner Tochter verursachte. Denn für diejenigen, die ihn kennen, sei seine Emotionalität beim Fußball nichts Ungewöhnliches. Vielleicht reagierten die Familie und Hund Jory auch deshalb so entspannt, während das Oberhaupt zum Derwisch wurde.
Baumgart wollte aber lieber die Leistung der Mannschaft und des Trainerteams um André Pawlak beim Freiburg-Sieg in den Vordergrund stellen, mit dem der FC auf Platz sechs kletterte. „Es war alles, wie wir es uns gewünscht haben“, lobte Baumgart.
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Auch sein Leipziger Pendant Domenico Tedesco gilt als Energiebündel – aber eben anders. Der 36-Jährige zeigte sich erfreut, dass sein Kölner Kollege wieder auf dem Platz mitwirken kann. „Steffen hatte offenbar keinen schweren Verlauf – was man ihm ja auch im Video ansieht“, fügte der neue RB-Coach mit einem Schmunzeln hinzu. Aus eigener Erfahrung während seiner Zeit bei Spartak Moskau wisse er schließlich, wie schwierig es sei, ein Spiel der Mannschaft von daheim managen zu müssen.
Tedesco hatte Anfang 2021 sogar drei Partien verpasst – aber aus anderen Gründen. Der frühere Schalker Trainer war wegen einer angeblich „beleidigenden Geste“ im Spiel gegen FK Sotschi gesperrt worden und musste 50000 Rubel bezahlen (585 Euro). Die Geldstrafe dürfte der in Moskau bestens entlohnte Tedesco schnell zu den Akten gelegt haben, die ausländerfeindliche Beleidigung von Sotschis Torwarttrainer wohl kaum. „Das ist unser Land“, hatte Dmitri Borodin dem Deutsch-Italiener an den Kopf geknallt. Tedesco zeigte sich bestürzt. Fakt ist, dass er Erfolg und Spartak wie einst Schalke zur Vizemeisterschaft geführt hatte.
Tedesco sollte also abgehärtet sein für seinen neuen Job. Denn seit der Amtsübernahme am 9. Dezember hat der Coach die nicht leichte Aufgabe, die Saison für Leipzig zu retten. Der 36-Jährige steht aber für eine andere Spielphilosophie als sein Vorgänger Jesse Marsch, der mit seinem Hurra-Stil in der Vorrunde spektakulär gescheitert war. Tedesco trat eher als Defensiv-Fetischist in Erscheinung. Und brachte RB bereits eine gewisse Stabilität. In acht Pflichtspielen unter seiner Ägide gewann RB fünf und fing sich nur acht Gegentore.
Respekt vor dem FC
Doch aus Tedescos Worten schwang deutlich mit, dass er großen Respekt vor dem FC hat. „Alles, was die Kölner machen, ist sehr stimmig. Sie machen relativ wenige Fehler, versuchen aber den Gegner mit einem hohen Pressing zu solchen zu zwingen.“ Dem FC sei es vollkommen egal, wer der Gegner sei. „Die Kölner wollen eigene Lösungen finden – und sie haben mit Anthony Modeste einen gefährlichen Abnehmer im Strafraum. Sie spielen eine super Saison, das hat nichts mit Zufall zu tun“, befand Tedesco. Baumgart dürfte das Lob nicht groß tangieren, sein Ziel für Freitagabend ist ein anderes: Er will auch nach dem Spieltag mit dem FC sensationell vor Leipzig stehen und sich bereits auf dem Rasen über ein Erfolgserlebnis mit seinen Spielern freuen. Und nicht daheim in Wohnzimmer.