FC-Trainer Timo Schultz gibt sich angesichts der Expertenkritik gelassen – Kapitän Florian Kainz zurück im Training.
1. FC Köln vor Wolfsburg„Dann wäre ich in die Pathologie gegangen“
Die Lage beim 1. FC Köln ist vertrackt genug, um Wortmeldungen im ganzen Land zu provozieren. Der sportliche Kollaps mit dem Abschied des populären Trainers Steffen Baumgart, der Umgang mit dem Fifa-Urteil im Fall Potocnik und der anschließenden Pleite vor dem Internationalen Sportgerichtshof – das alles hat zahlreiche Experten auf den Plan gerufen, die sich nun äußern zum Zustand des einmal mehr tief gestürzten Traditionsklubs.
Timo Schultz trägt bislang vergleichsweise wenig Verantwortung am jüngsten Niedergang, erst zwei Pflichtspiele haben die Kölner unter der Leitung des neuen Trainers absolviert und zwar keines davon gewonnen. Doch war erkennbar, was Schultz plant, um die Wende zu schaffen. Ob das im Mai dazu geführt haben wird, dass der 1. FC Köln doch nicht abgestiegen ist, wird sich zeigen. Sicher ist, dass sich die Experten dann wieder melden werden, während Schultz es einstweilen beim Versuch belässt, das Tagesgeschäft zu bewältigen.
Er spüre jedenfalls keinen zusätzlichen Druck durch das Interesse der Öffentlichkeit an den Kölner Verfehlungen, sagte Schultz am Donnerstag mit Blick auf die Aufgabe beim VfL Wolfsburg (Samstag, 15.30 Uhr). Zudem scheint er gefestigt genug, die Kritik nicht persönlich zu nehmen. „Es ist deren Job, die Dinge im Nachhinein zu analysieren. Ich bin dafür da, mir vorher Gedanken zu machen und nicht anschließend zu bewerten, was schiefgegangen ist“, erklärte der 46-Jährige und fügte an: „Sonst wäre ich in die Pathologie gegangen.“
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Ein passender Satz, beschreibt die Pathologie doch die Lehre von den abnormalen und krankhaften Vorgängen und Zuständen zwar nicht in Fußballklubs. Doch die Metaphorik passt. Denn Schultz trifft Entscheidungen am lebenden Objekt und sieht sich entsprechend eher als Retter denn als der Mann, der ergründen muss, woran es gelegen hat. Zumal bei 16 ausstehenden Spielen noch nicht gesagt ist, ob der FC im kommenden Mai tatsächlich ein Fall für die Pathologie sein wird.
Das Bonmot des Norddeutschen war allerdings eine Wiederholung aus vergleichbar schlimmen Zeiten. Im vergangenen September wies Schultz schon einmal darauf hin, dass er sich in der Rolle dessen sieht, der Missstände heilt, statt zu analysieren, wenn alles verloren ist. In Basel war das, damals hatte Schultz innerhalb weniger Wochen die Qualifikation zur Conference League verspielt und dann noch einen Fehlstart in die Liga produziert. Nach dem 2:3 gegen Aufsteiger Yverdon Sport am siebten Spieltag bemühte Schultz die Metapher des Pathologen, anschließend spielte der FCB 1:1 gegen Luzern, womit es um den Deutschen Trainer beim damals wie heute dramatisch erfolglosen schweizerischen Traditionsklub geschehen war.
In Köln steht trotz des jüngsten 0:4 daheim gegen Borussia Dortmund nicht zu befürchten, dass Schultz’ Mission schon nach dem anstehenden Wochenende beendet sein könnte. Zwar ist der Ergebnisdruck hoch, Köln steht mit elf Punkten aus 18 Saisonspielen auf dem vorletzten Platz. Doch obgleich nach dem 1:1 gegen Heidenheim und der Heimklatsche gegen den BVB nicht ganz klar ist, ob es nun bereits besser geworden ist als in der Endphase unter Vorgänger Steffen Baumgart, wirkt Schultz gefasst. „Man muss filtern: Was wird gesagt, um zu polarisieren und eine These aufzustellen. Und wo steckt eine Analyse hinter. Wir kennen unsere Themen und wissen, in welcher Situation wir sind. Alles andere nimmt man wahr, aber es darf uns nicht zusätzlich unter Druck setzen.“
In seiner Zeit als Trainer des FC St. Pauli startete Schultz einst ebenfalls eher erfolglos. 13 sieglose Spiele in Serie verzeichnete der Cheftrainer damals, das werden die Kölner Verantwortlichen gewusst haben, als sie Schultz für ihre Rettungsmission erwählten. Das Reformtempo ist bislang im Rahmen. Schultz hat wohldosierte Anpassungen an seiner Mannschaft vorgenommen, die FC-Profis erweckten in den vergangenen beiden Partien nicht den Eindruck, als fremdelten sie mit der veränderten Spielweise. Im Gegenteil gab es durchaus Passagen, in denen das Spiel kontrollierter schien, wenngleich die FC-Defensive gegen Dortmund in der Schlussphase auseinanderfiel, weil die Mannschaft nicht mehr mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verteidigte.
Auch vorne gelang trotz vieler Ecken und Flanken kaum Zwingendes. Umso problematischer, dass sich Schultz um seinen Kapitän und Regisseur sorgen muss. Florian Kainz hatte schon im Spiel gegen Heidenheim (1:1) früh ausgewechselt werden müssen, da er einen Schlag auf das Knie kassiert hatte, wie es am Donnerstag hieß. Die Verletzung sei seitdem „unter Kontrolle gewesen“, wie Schultz beschrieb. Am Mittwoch habe Kainz jedoch das Gefühl gehabt, ein Training ergebe keinen Sinn. Tags darauf stieg der Angreifer jedoch wieder ein, die Prognose für das Spiel in Wolfsburg ist recht gut. „Ich bin wie immer positiv, aber wir müssen abwarten, ob es für Samstag reicht“, sagte Schultz.
Thielmann in vorderster Reihe
Gegen Dortmund spielte Schultz mit Jan Thielmann in vorderster Reihe. Der Nachwuchs-Nationalspieler kommt gut zurecht in der Position. Doch ist er mit deutlich unter 1,80 Metern Körpergröße womöglich nicht in der Lage, einen großen Mittelstürmer zu ersetzen. Davie Selke, der wegen einer Fußverletzung vorerst ausfällt, ist zum Beispiel bei Defensiv-Standards eine wichtige Figur im Kölner Abwehrverbund. Schultz hat zwar wahrgenommen, dass seine Mannschaft trotz der vielen Bälle ins Zentrum kaum hatte gefährlich werden können, während Dortmund aus nur drei Ecken ein Tor erzielte, nämlich die frühe Führung durch Donyell Malen. Das Tor, merkte Schultz allerdings zurecht an, sei aber nach einer flach gespielten Eckballvariante gefallen, da habe die Größe der Verteidiger keine Rolle gespielt.
Und auch die 17 Hereingaben seien überwiegend aus dem Halbfeld und dann nicht hoch gespielt worden, erklärte der Trainer. „Klar müssen wir uns da verbessern, das Thema sehen wir auch. Ich mache das aber nicht daran fest, ob ein Spieler 1,78 Meter groß ist oder 1,94. Da geht es um das Freilaufverhalten und darum, in welcher Zone der Stürmer angespielt wird und um einige andere Dinge. Und nicht darum, wie groß ein Spieler ist.“