FC-Fan Marcus Flesch über ein aufwühlendes Fußballjahr zwischen Relegations-Hölle und Derby-Himmel – und im Zeichen von Corona.
Köln – Trostloser kann ein Fußball-Jahr kaum beginnen als im Januar 2021, denn leere Stadien sind an Traurigkeit kaum zu überbieten. Puristen mögen Gefallen daran gefunden haben, wenn es nur noch um den nackten Sport geht. Ohne Störfaktoren wie den Anhang auf der Südtribüne etwa, der Schiedsrichter-Entscheidungen missbilligt und so versucht den Spielverlauf zu beeinflussen. Zurufe und Kommandos der Fußballer und Trainer hallen von den verwaisten Tribünen wider und gaben den Partien den Anstrich von Trainingseinheiten.
Mir ist aber längst klar: Ein wesentliches Element fehlt. Der Fußball hat nur mit seinen Fans zu der Unterhaltungsmaschinerie werden können, die er heute darstellt. Ohne sie, das haben die zuschauerlosen Monaten des Pandemie-Winters 2020/21 deutlich gemacht, ist der Unterhaltungswert um ein vielfaches geringer.
Unerträgliche Leidenschaft
Durch die unfreiwillige Abstinenz der Fußball-Fans entstand bei mir eine kaum für möglich gehaltene innerliche Distanz zu meiner Passion. Konsequenterweise kündigte ich mein Abo beim Bezahlfernsehen, da ich diese Form der Darbietung meiner großen Leidenschaft Fußball nicht ertragen konnte. Meinem persönlichen Wohlergehen war es bedeutend zuträglicher, dass ich mich nur noch durch diverse Liveticker über das Abschneiden des 1. FC Köln informierte.
Natürlich gibt es einen Zusammenhang mit dem, was der FC in diesem Zeitraum als Fußball zu verkaufen versuchte. Es war die Summe der fußballerischen Magerkost und der gruseligen Kulisse.
Erst das alles entscheidende Duell mit Schalke 04 am letzten Spieltag verfolgte ich – Corona konform – mit zwei Freunden wieder live vor der Mattscheibe. Es war immer noch unerträglich, aber zumindest verhinderte Sebastian Bornauw mit seinem letzten Tor für den FC kurz vor Schluss den direkten Abstieg. Abergläubisch, wie wir Fußball-Fans nun einmal sein können, verfolgten wir schließlich die beiden Relegationsspiele gegen Holstein Kiel ebenfalls gemeinsam.
Anspannung bis zuletzt
Genauso typisch für FC-Fans war die Anspannung selbst nach der eigentlich beruhigenden 4:1-Führung zur Halbzeit. Denn beim FC weiß man ja nie. Erst Skhiris Treffer zum 5:1 in der 84. Spielminute schenkte Köln die Gewissheit, den Gang in die 2. Liga nicht erneut antreten zu müssen. Sieht man sich das derzeitige Hauen und Stechen um die Aufstiegsplätze in der 2. Bundesliga an – die Plätze 3 bis 9 trennen gerade mal drei Punkte –, kann der Klassenerhalt gar nicht hoch genug angerechnet werden.
Als dann im August endlich wieder Zuschauer zu den Spielen zugelassen wurden war es ein lange nicht gekanntes Glücksgefühl, den angestammten Platz im Stadion wieder einnehmen zu dürfen. Nicht nur ich habe es ganz neu zu schätzen gelernt, was es bedeutet, live dabei sein zu können. Vom Ausrutscher gegen Augsburg, dem neuen Angstgegner des FC, mal abgesehen bleibt eine ganz erstaunliche Erkenntnis aus der Hinrunde der Saison 2021/22.
Doch es würde die Gesamtleistung der Mannschaft schmälern, würde man vergessen, dass gegen beinahe alle Teams aus der zweiten Tabellenhälfte fleißig gepunktet wurde und sogar in München bei den mal wieder übermächtigen Bayern beinahe ein Punkt gelungen wäre. Immer dann, wenn die Mannschaft scheinbar in alte Muster zu verfallen drohte, riss sie nicht nur zu meinem Erstaunen das Ruder herum. Es ist eine neue Symbiose zwischen Spielern und Fans gewachsen. Denn statt sich über den einen oder anderen liegen gelassenen Punkt zu ärgern, freut sich der überwiegende Teil - inklusive mir selbst - über die bemerkenswerte Moral der Truppe und das beruhigende Punkte-Polster.
Nun wird es aller Voraussicht nach im neuen Jahr ohne Publikum weitergehen. Eine ernste Bewährungsprobe für Steffen Baumgart und sein Team. Es bleibt abzuwarten, ob die gerade erst wiedergewonnene Freude am Spiel bei Mannschaft und Fans ohne die Unterstützung von den Rängen erhalten werden kann. Nach der langen fußballerischen Durststrecke wäre es allen mit dem Geißbock auf der Brust und im Herzen zu wünschen, dass sich die Trostlosigkeit zum Jahresbeginn nicht wiederholt.