Köln – Der 1. FC Köln hat in dieser Hinrunde 25 Punkte gesammelt und hat damit nicht nur zehn Punkte mehr auf dem Konto als zur Winterpause vor einem Jahr. Sondern auch nur einen weniger als in der Saison 2016/17, an deren Ende die Qualifikation für Europa stand. Ein Blick auf die Spielerleistungen der ersten 17 Bundesligapartien.
Timo Horn: Der Torwart wurde in dieser Halbserie aus seiner Komfortzone geholt: Sein Verein verpflichtete einen neuen Cheftrainer, der selbst eine Torhüter-Ausbildung genossen hatte. Hinzu kam ein neuer Torwarttrainer, der einen neuen Trainingsrhythmus einforderte und umsetzte. Und dann verpflichtete der FC auch noch den dänischen Meister Marvin Schwäbe als neue Nummer zwei. Horn hatte ein paar schlechte, aber auch einige gute Momente; er stürzt nicht mehr durch seinen Strafraum, sondern bleibt oft stehen. Allerdings wirkte vieles an Horns neuem Torwartspiel noch arg schematisch – und dann wurde seine Entwicklung durch Onisiwos Foul im Spiel gegen Mainz unterbrochen.
Marvin Schwäbe: Zu ambitioniert und letztlich zu gut, um nur Ersatz zu sein. Es war klar, dass der Torwart nach Köln gekommen war, um einen Stammplatz zu erkämpfen. Indem Steffen Baumgart ihn zu seinem Pokaltorwart machte, wurde der Status bereits bestärkt. Sieben Pflichtspiele bestritt Schwäbe in dieser Hinrunde für den FC, fünf davon gewann seine Mannschaft bei nur einer Niederlage. Eine beeindruckende Bilanz. Wer in der Rückrunde die Kölner Nummer 1 sein wird, ist eine der spannendsten Fragen dieses Winters.
Jonas Hector: Der Kapitän ist alles für die Kölner Mannschaft. Sein Spielverständnis, sein Einfluss auf die Kollegen – auch der Umstand, dass er auswärts noch stärker spielt als im eigenen Stadion: Hector ist zwar das Gegenteil eines Außenministers, der Kapitän verzichtet vollständig auf relevante Wortmeldungen in der Öffentlichkeit. Doch ist er in einer Weise auf sein Kerngeschäft konzentriert, dass er sich dieses Verhalten sogar auf der höchst öffentlichen Bühne der Fußball-Bundesliga leisten kann.
Jannes Horn: Nach schwerer Verletzung könnte der schnelle Linksverteidiger in der Rückrunde noch eine Rolle spielen: Auf seiner Position fehlten zuletzt die Alternativen, zudem passt er mit seiner gradlinigen Art gut in Baumgarts Fußball.
Benno Schmitz: Der so umstrittenen Rechtsverteidiger ist innerhalb einer Halbserie zu einer Art Kultspieler geworden. Schmitz profitiert enorm von seiner Spielintelligenz, seinen guten Nerven und davon, dass Steffen Baumgart sehr genau weiß, was Schmitz kann – und was nicht. Der „Kölsche Cafu“ hat sich mit vier Vorlagen in die Herzen des Publikums gespielt.
Noah Katterbach: Steht an einer entscheidenden Weggabelung: In dieser Rückrunde wird sich entscheiden, ob der 20-Jährige den Sprung vom Supertalent zum ernsthaften Profi schafft. Den entsprechenden Vertrag hat er bereits, doch hat er Schwierigkeiten, den Ansprüchen gerecht zu werden.
Kingsley Ehizibue: Wer sah, welche taktischen Verrenkungen Steffen Baumgart vornahm, um Ehizibue nicht aufstellen zu müssen, durfte sich durchaus fragen, wie wenig der Trainer vom schnellen Niederländer hält. Trifft zu viele falsche Entscheidungen.
Luca Kilian: Kam aus Mainz nach Köln, als die Saison schon lief, was nicht ganz so schlimm war, da er Steffen Baumgart aus gemeinsamen Zeiten beim SC Paderborn kannte. Ein Mann wie ein Kleiderschrank, dazu erstaunlich schnell – Baumgart setzt große Hoffnungen in den 22-Jährigen.
Timo Hübers: Kam mit einer dicken Krankenakte aus Hannover zum FC und fiel nach zwei Pflichtspielen gleich für vier Wochen aus und hatte anschließend Schwierigkeiten, zurück in die Startelf zu finden. Zuletzt zweimal in Folge in der Startelf – sollte er seinen Rhythmus finden, ist Hübers definitiv ein Spieler mit viel Potenzial für die Rückrunde.
Rafael Czichos: War der Mann, der im Frühsommer den Klassenerhalt versprach, das darf man ihm nie vergessen. Große Persönlichkeit mit enormem Einfluss auf das Kölner Spiel und eine ideale Ergänzung zu Jonas Hector. Hat allerdings zu viele Gegentorbeteiligungen.
Jorge Meré: Hatte einen bemerkenswerten Auftritt im Pokal gegen den VfB Stuttgart, einem von zwei Pflichtspielen, in denen der FC bislang ohne Gegentor blieb. In den folgenden neun Bundesligaspielen wurde er jedoch nur noch einmal eingewechselt – für drei Minuten beim 0:2 gegen Augsburg. Traditionell ein Kandidat für einen Abschied im Winter, allein das sollte zu denken geben.
Ellyes Skhiri: Spätestens nach seinen zwei Toren beim 3:1 gegen Fürth am siebten Spieltag schien klar, dass der Tunesier in dieser Saison der entscheidende Spieler beim FC sein würde. Dann fiel er wegen einer Knieverletzung für anderthalb Monate aus, zuletzt fehlte er krank. Sollte Köln in der Rückrunde noch besser punkten als in der ersten Saisonhälfte – es könnte auch an Ellyes Skhiri liegen, der allerdings im neuen Jahr am Afrika Cup in Kamerun teilnehmen wird und bis zu fünf Pflichtspiele verpassen könnte.
Dejan Ljubicic: Unterschrieb bereits beim 1. FC Köln, als der Klassenerhalt noch nicht feststand und wäre damit beinahe der beste defensive Mittelfeldspieler der Zweiten Liga geworden. Stattdessen ist er nun ein hervorragender defensiver Mittelfeldspieler in der Ersten Liga, was ja auch etwas ist. Überzeugt mit Tempo und Beweglichkeit, ein herausragender Zugang.
Salih Özcan: Am Tag des Halbfinals der U-21-EM von Steffen Baumgart am Telefon zum Bleiben überredet – obwohl sein Berater darum gebeten hatte, den Spieler vor der wichtigen Partie nicht zu stören. Özcan sagte glücklich zu, gewann anschließend nicht nur das Halbfinale gegen die Niederlande, sondern die EM. Und hat mittlerweile trotz kleinerer Rückschläge beim FC ein vollständig neues Niveau erreicht.
Ondrej Duda: In der vergangenen Saison war der Slowake einer der wenigen Gründe, sich Spiele des 1. FC Köln anzuschauen. Sieben Tore und sechs Vorlagen gelangen ihm in einer Mannschaft, die ohne Offensive spielte. In Steffen Baumgarts Fußball tut er sich weiterhin schwer.
Louis Schaub: War komplett abgeschrieben, als er im Sommer von seiner Leihe zurückkehrte. Hat fußballerisch alle Anlagen für eine riesige Karriere. Doch fehlt ihm weiterhin die letzte Wucht, um seine Qualität auf Bundesliga-Niveau dauerhaft einzusetzen. Hatte aber durchaus seine Momente.
Jan Thielmann: Ist nach wie vor erst 19 Jahre alt, blickt aber bereits auf 50 Bundesligaspiele zurück. Schien zu Saisonbeginn vor seinem unmittelbaren Durchbruch zu stehen, doch dann warfen ihn Krankheiten zurück. Brachte es daher nur auf fünf Startelf-Einsätze. Viel Potenzial für die Rückrunde.
Florian Kainz: Startete mit zwei Toren gegen Hertha BSC. Stand 15 Mal in der Startelf und verpasste nur ein Spiel wegen einer Gelb-Rot-Sperre. Eine starke Bilanz nach einem Jahr, in dem ihm wegen einer Knieverletzung das Karriere-Ende drohte. Extrem emsig und mit vier Vorlagen ein wichtiger Faktor im Kölner Spiel.
Mark Uth: Manchmal wirkt es, als habe er unter Steffen Baumgart erst erfahren, wie anstrengend Fußball auch für Offensivstars sein kann. Hatte vom ersten Tag der Vorbereitung an schwer zu kämpfen. Muss in der Rückrunde noch regelmäßiger der Mann werden, der Spiele entscheidet.
Kingsley Schindler: Musterbeispiel für einen Profi, der unter Steffen Baumgart eine unerwartete Chance erhielt – und diese nutzte. Bereitete in den letzten beiden Spielen des Jahres drei Tore und damit zwei Siege vor. Darf zufrieden sein.
Tim Lemperle: Am Geißbockheim bereits trotzig als „der bessere Wirtz“ bezeichnet, kam der Angreifer in der Hinrunde auf nur vier Einwechslungen in der Liga bei immerhin einem Tor. Der 19-Jährige hat hart an sich gearbeitet, körperlich wirkt er mehr und mehr wie ein Bundesligaprofi. Soll langsam aufgebaut werden. Sein Durchbruch ist eine Frage der Zeit.
Sebastian Andersson: Rettete den FC nach einer furchtbaren Saison voller Verletzungen in der Relegation, das darf man nicht vergessen. Wollte dann aber in die Türkei wechseln, weil er seiner Meinung nach zu wenig Spielzeit hatte. Zeigte seltsame Laufwege und wirkte gerade mit dem Ball am Fuß extrem schlecht balanciert. Nur zwei Tore und eine Vorlage in 19 Pflichtspielen sind zu wenig.
Anthony Modeste: Der Gefühlsspieler hat eines der größten Comebacks der FC-Geschichte hingelegt. Seiner umjubelten Rückkehr aus China folgte die totale Enttäuschung, nach einer fürchterlichen Saison 20/21 inklusive Flucht nach St. Etienne kam er nun zum FC zurück und traf dort auf Steffen Baumgart, der bereits im Sommer einen Plan mit dem Franzosen hatte, der so gut funktioniert, dass man von einem geplanten Wunder sprechen muss. Modeste und Baumgart haben in dieser Hinrunde bewiesen, welchen Wert gegenseitiges Vertrauen im Profifußball hat. Das vorläufige Ergebnis davon sind Rang 8 in der Bundesliga und ein Platz im Pokal-Achtelfinale. Die Aussichten auf ein frohes neues Jahr sind beim 1. FC Köln durchaus gegeben.