Frau Krüger, ein Jahr ist es her, dass der 1. FC Köln beim Auswärtsspiel beim SC Paderborn zum letzten Mal in einem vollen Stadion gespielt hat. Welcher Erinnerungen haben Sie an das Spiel?Silvia Krüger: Corona war ja damals schon ein Thema, aber irgendwie noch so weit weg. Direkt am Stadion in Paderborn war ein großes Bierzelt. Mit uns am Tisch standen Bekannte von einem Freund, die kamen direkt aus dem Ski-Urlaub in Ischgl. Bei den Toren für den FC haben wir uns in den Armen gelegen. Da haben wir uns noch überhaupt keine Gedanken gemacht. Das war, wie gesagt, noch ganz weit weg.
Ausgerechnet das rheinische Derby war dann das erste Geisterspiel. An dem Tag riss Ihre beeindruckende Serie von über 1.200 Pflichtspielen in Folge. Was ist an diesem Tag in Ihnen vorgegangen?
Es war das erste Bundesliga-Spiel überhaupt was ich im Fernsehen gesehen habe. Da habe ich geweint, irgendwas zwischen Wut und Trauer. Ich habe noch gedacht, wir sind bestimmt die einzigen Doofen die nicht ins Stadion dürfen und ab nächste Woche sind alle wieder im Stadion. Das habe ich damals völlig unterschätzt. Aber meine Serie ist nicht wirklich gerissen. Das ist ja höhere Gewalt. Wobei mir der Begriff Serie gar nicht so wichtig ist. Ich gehe halt immer zum FC. Da bringt das Eine das Andere mit sich.
Wie haben Sie die Spiele des FC seit dem verfolgt?
Alle vor dem Fernseher. Beim ersten Heimspiel sind mir bei der FC-Hymne auch direkt wieder die Tränen gekommen. Das Unentschieden gegen Frankfurt letzte Saison, als der Klassenerhalt festgemacht wurde, habe ich auf Norderney verfolgt.
Zur Person
Silvia Krüger (54) ist in Langenfeld (Kreis Mettmann) aufgewachsen und wohnhaft. Seit 39 Jahren arbeitet sie als Verwaltungsangestellte bei der Stadt Leverkusen. Sie ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Ihr Fan sein begann am 6. August 1977 mit einem 1:5 bei Fortuna Düsseldorf. Ihr Vater und ihr Onkel hatten sie ins Rheinstadion mitgenommen. Normalerweise verfolgt sie die Heimspiele von ihrem Dauerkartenplatz im Oberrang der Südtribüne. Auch für die Auswärtsspiele besitzt sie eine Dauerkarte. (MF)
Da habe ich auf der Terrasse vor dem Hotel gesessen, in voller Fan-Montur, und habe mitgefiebert. Die Passanten haben teilweise merkwürdig geguckt. Meine Gastgeberin kannte das aber schon. Bei den wenigen Spielen, bei denen Zuschauer zugelassen waren, hatte ich leider kein Losglück.
Was fehlt Ihnen am meisten?
Natürlich im Stadion dabei zu sein, mitzusingen, mitzufiebern. Ich kann zurzeit nicht einmal beim Torjubel jemandem in die Arme fallen. Die Ekstase im Stadion. Ich habe das Gefühl, wenn wir im Stadion wären, würde der FC besser dastehen.
Nicht zuletzt fehlen mir zudem die Besuche bei meinem Heimatverein Germania Reusrath. Da fahre ich mit meinem Vater hin. Wir treffen da immer viele Bekannte. Die hatten ein gutes Konzept. Leider durften die Amateurvereine ihre Saison nicht fortsetzen. Vielleicht ist das aber bald wieder möglich.
Stehen Sie mit Ihrem FC-Freundeskreis weiter in Kontakt?
Selbstverständlich. Als es noch möglich war haben wir einen Freund, der in Fulda ein Gastronomieunternehmen führt, besucht um ihn in dieser schwierigen Situation zu unterstützten. Wir haben uns ohne sein Wissen in seinem Hotel angemeldet.
Damit er nicht auf die Idee kommt uns einen Rabatt einzuräumen. Das war ein richtig schönes Wochenende. Wir sind noch gemeinsam zu einem Spiel seiner heimischen Borussia aus Fulda gefahren. Andere dagegen habe ich seit einem Jahr nicht gesehen, halte aber den Kontakt über die sozialen Medien.
Was halten Sie von dem Entschluss, den Spielbetrieb ohne Zuschauer fortzusetzen?
Ich persönlich war dagegen. Aber der Grund war egoistisch: Wenn ich nicht hin darf, dann möchte ich auch nicht das sie spielen. Ich verstehen natürlich, dass es eine wirtschaftliche Notwendigkeit war. Gut finde ich es nach wie vor nicht.
Werden Sie nach der Pandemie weiterhin alles daran setzen bei jedem Spiel dabei zu sein?
Was heißt alles dran setzen? Ich scharre mit den Hufen und kann es kaum erwarten wieder dabei zu sein. Momentan mache ich das Beste aus der Situation und genieße die Ruhe. Schlimmer wäre es für mich, wenn alle dabei sein dürften, nur ich nicht. Aber da niemand dabei sein kann, ist es so gerade eben erträglich. Ich habe tatsächlich letzte Nacht geträumt, dass wir nach Frankfurt gefahren sind. Mit dem Fan-Projekt. Ich hatte meine Eintrittskarte im Bus liegen lassen und der Busfahrer war nicht auffindbar. Am Ende hatte ich dann aber drei Karten. Eine hatte mir sogar ein Frankfurter geschenkt.