Köln – Am Freitag hatten sich alle wieder lieb. Zumindest öffentlich. „Rudi Völler hat die Arbeit gelobt, die wir machen. Alles andere ist nur in einem Nebensatz gefallen. Für uns geht es ums Sportliche, wir wollen erfolgreich sein. Ich respektiere ihn sehr“, sagte Kölns Trainer Steffen Baumgart über den Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen. Der FC-Coach verzichtete auf weitere Scharmützel, auch von der rechtsrheinischen Seite wurden keine verbalen Giftpfeile mehr abgefeuert.
Mit ein paar Sticheleien hatten die Protagonisten auf beiden Seiten zuletzt das brisante Nachbarschaftsduell angeheizt. Sie sorgten vor dem Spiel am Sonntag (15.30 Uhr/Dazn) in einem nahezu ausverkauften Rhein-Energie-Stadion auch für eine gewisse Unterhaltung.
Baumgart: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Leverkusen gegen Bayern ein Heimspiel hatte"
Baumgart, der stets unter Volldampf stehende Trainer der Gastgeber, hatte mit diesen Sticheleien begonnen. Der Ex-Profi war am vergangenen Sonntag als Zuschauer zu Gast auf der anderen Rheinseite. Der Coach, für seine Direktheit bekannt, hatte nach der 1:5-Niederlage der Werkself gegen den FC Bayern in der BayArena gesagt: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Leverkusen gegen Bayern ein Heimspiel hatte. Ich will da niemandem zu nahe treten, aber ich habe da viele Bayern-Fans hoch springen sehen. In Leverkusen hätten wir auch ein Heimspiel!"
Eine Spitze, sicherlich. Aber nun wahrlich auch kein frontaler Angriff. Rudi Völler hatte für die Aussage des Kölner Trainers allerdings wenig Verständnis und reagierte ziemlich empfindlich. „Ich habe Respekt vor der Leistung der Kölner und finde, dass Steffen Baumgart einen richtig guten Job macht. Deshalb erstaunt es mich, dass er immer noch in der Einschleim-Phase bei den eigenen Fans zu sein scheint", sagte Völler vor dem Europa-League-Spiel bei Betis Sevilla der Bild. Und verteidigte die eigene Anhängerschaft: „Trotz der hohen Niederlage haben unsere Fans die Mannschaft bis zum Abpfiff unterstützt und danach mit sehr viel Beifall verabschiedet", sagte der 61-Jährige. Doch so richtig heiß scheinen die Fans der Werkself allerdings nicht auf das Spiel zu sein, das aus ihrer Sicht eigentlich das große Derby ist. Denn von den 5.000 möglichen Gäste-Tickets bestellte Bayer 04 nur 2.800.
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Baumgart gibt sich vor Derby nervös
Baumgart, der 1995 sein erstes Bundesligator überhaupt gegen Leverkusen erzielt (für Hansa Rostock) und auch sein Bundesliga-Premiere als Trainer gegen die Werkself gefeiert hatte (2019 mit Paderborn), gab offen zu, dass er vor dem Duell am Sonntag durchaus nervös ist – was ja nicht schlecht sein muss. „Es ist Lampenfieber dabei. Ich habe eine gewisse, positive Aufregung“, sagte Baumgart, der respektvoll von einer „riesen Qualität“ im Bayer-Kader sprach. „Es wird deshalb wichtig sein, unsere Intensität hochzuhalten. Ich habe gestern ein sehr gutes Spiel von Leverkusen gesehen“, lobte er die Werkself, die auf die Demütigung beim 1:5 gegen die Bayern am Donnerstagabend in der Europa League eine gute Reaktion gezeigt hatte. Die Punkteteilung bei Betis Sevilla (1:1) war absolut verdient.
Viel ist in diesen Tagen auch über Leverkusens Senkrechtstarter Florian Wirtz gesprochen worden, den verlorenen Sohn des 1. FC Köln. „Seine Ausbildung macht ihn so stark“, entgegnete Baumgart, „er hat außergewöhnliches Talent. Wie er die letzten Bälle spielt, das können nicht viele. Leider spielt er nicht mehr hier, aber wir werden nicht anfangen darüber zu weinen. Wir haben genug eigene starke Talente.“
Baumgart kehrt wohl zum 4:2:3:1-System zurück
Der Kölner Coach ließ durchblicken, dass er nach dem 0:5 bei der TSG Hoffenheim wieder zu einem 4:2:3:1-System zurückkehren dürfte. In Abwesenheit des verletzten Ellyes Skhiri könnte er auf eine Doppel-Sechs mit dem genesenen Dejan Ljubicic und Salih Özcan bauen. Luca Kilian hat gute Chancen, in die Mannschaft zu kommen und mit Abwehrboss Rafael Czichos die Innenverteidigung zu bilden. Kilian könnte mit seiner Körperlichkeit und Schnelligkeit mit der Aufgabe betraut werden, den formstarken Bayer-Stürmer Patrik Schick zu stoppen. Im Vergleich zum Hoffenheim-Spiel habe er wieder mehr Optionen, sagte Baumgart: „Wir sind wieder flexibler und haben einige Entscheidungen zu treffen“, meinte der Coach und gab nur preis, schon ganz konkrete Vorstellungen im Kopf zu haben.
Motivationsschub für Bayer am Kölner Flughafen
Für Bayer 04 gab es nach dem Rückflug ausgerechnet in Köln einen Motivationsschub. Der Kapitän des Sonderflugs EW 5201, offensichtlich Fan der Werkself, wünschte auf dem Rollfeld des Flughafens per Durchsage „eine gute Heimreise und vor allem drei Punkte in Köln. Das würde uns am meisten freuen.“
Emotionen und deren Kontrolle sind für Bayer-Trainer Gerardo Seoane ein wichtiges Thema in der Derby-Vorbereitung. „Egal, wie das Spiel läuft. Wir müssen eine gewisse Souveränität behalten und uns an unseren Plan halten“, sagte der Schweizer. Beim verheerenden 1:5 gegen Bayern war dies nicht gelungen, „das hat Spuren hinterlassen“, gestand Seoane. Doch nach dem Punkt in Sevilla ist die Stimmung schon wieder deutlich besser.
Für Gegner Köln hat Seoane viel Lob übrig: „Sie treten energievoll und mutig auf, ein anderes, aktiveres Gesicht als in der Vorsaison.“ In Baumgarts Power-Fußball sieht Seoane aber auch eine Chance für Bayer 04: „Das kann uns entgegenkommen, davon bin ich überzeugt. Wenn es uns gelingt, das Pressing zu umspielen und in unser Tempo zu kommen.“
Mögliche Aufstellungen:
1. FC Köln: Horn - Schmitz, Kilian, Czichos, Hector - Özcan, Ljubicic - Thielmann, Uth, Kainz - Modeste. – Bayer 04: Hradecky - Frimpong, Tah, Tapsoba, Bakker - Andrich, Demirbay - Diaby, Wirtz, Adli - Schick.