Trainer Gerhard Struber über die Kölner Herbstkrise, seine Einstellung zum Scheitern und die Pläne für einen FC, „den man auf der Rechnung haben muss“.
FC-Trainer Struber„Ich war hier mitunter sicher der Blitzableiter“
Herr Struber, Sie sind jetzt rund ein halbes Jahr Trainer des 1. FC Köln. Welchen Eindruck haben Sie mittlerweile vom Klub?
Gerhard Struber: Der FC ist ein unglaublich emotionaler Klub. Ich habe eine fantastische Fanbase kennengelernt, die alles für den FC tun würde, damit der Klub schnell wieder aufsteigt und besseren Zeiten entgegengeht. Gleichzeitig erlebe ich einen großen Schulterschluss im Verein zwischen Mannschaft, Trainerteam und Staff sowie den sportlich Verantwortlichen, um die Dinge in eine gute Richtung zu bringen. Belastende Ereignisse wie der Abstieg oder die Transfersperre waren anfangs in den Köpfen drin, aber die konnten wir abwerfen. Das hat gedauert – was allerdings für mich auch nicht überraschend war. Ich kenne den Verein nun viel besser. Das hilft mir, Dinge in Zukunft noch besser einschätzen zu können. Sämtliche Emotionen können hier ganz schnell von der einen in die andere Richtung gehen.
Bei Ihnen ging es sehr schnell – in die ungewünschte Richtung. Ende Oktober mussten Sie angeblich schon um Ihren Job fürchten.
Es war so, dass die Resultate nicht stimmten und wir in Darmstadt und gegen Paderborn (1:5 und 1:2, d. Red.), ich sage es mal salopp, verkackt hatten. Nach diesen beiden Spielen wurde gefühlt alles infrage gestellt. Und zwar mit einer Geschwindigkeit und Wucht, mit der ich zu diesem frühen Zeitpunkt nicht gerechnet hatte. Das war ein Novum für mich. Das Echo in Köln habe ich natürlich wahrgenommen.
Hatten Sie Angst vor dem frühen Scheitern?
Nicht wirklich. Dabei hat mir mein dreijähriges Abenteuer in den USA (Trainer bei New York Red Bulls, d. Red.) geholfen. Die Amerikaner denken nicht ans Scheitern, und wenn sie scheitern, können sie damit ganz anders umgehen als wir. Ich habe mich also nicht gefragt: „Wenn das schiefgeht, was folgt dann?“ Sondern ich habe mich vielmehr darauf fokussiert, wie ich der Mannschaft mit meinen Entscheidungen helfen kann.
Standen Sie kurz vor dem Aus?
Aus meiner Sicht nein. Denn die Gespräche mit der Geschäftsführung und dem Vorstand waren allesamt authentisch und ehrlich. Es ist nie um meinen Job gegangen. Ich habe von Christian Keller volle Unterstützung und gleichzeitig weiterhin jegliche Freiheiten in all meinen Entscheidungen erhalten. Es war ein professionelles Miteinander – im Management, aber genauso in der Arbeit mit der Mannschaft. Auch wenn die Situation nicht einfach war, hat sie uns alle noch enger zusammenrücken lassen.
Also war es auch eine Mär, dass Sie sich in Ihren Entscheidungen von Sportchef Keller emanzipieren mussten?
Von Tag eins an hatte ich alle Freiheiten in allen personellen und technisch-taktischen Dingen. Einen Eingriff in meinen Kompetenzbereich zuzulassen, würde meinen Job als Trainer ad absurdum führen. Stellen Sie sich mal vor, es würde schiefgehen und ich müsste dafür am Ende den Kopf hinhalten: Da könnte ich nicht mehr in den Spiegel schauen! Andersrum: Wenn man diese Freiheiten hat, dann muss man eben auch persönlich die Konsequenzen tragen und es aushalten können, wenn es schiefgeht.
Was war für Sie die bisher schwierigste Phase?
Es gab da zwei. Die erste war im Sommer, und zwar bei der Entscheidung, diese Herausforderung anzunehmen. Deutschland war für mich immer ein Zielland. Die Möglichkeit zu erhalten, bei solch einem großen Traditionsklub zu arbeiten, ist keine Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig wusste ich um die möglichen Dynamiken bei solch einem Klub – erst recht nach dem Abstieg und der Transfersperre. Aber dann folgten die sehr guten, entscheidenden Gespräche mit den Verantwortlichen. Die zweite Phase: Es ging darum, nach unseren Negativlauf etwas zu verändern. Das war ein Prozess. Ich habe selbst gemerkt, dass wir zwar einen recht attraktiven Fußball spielten, aber viel zu wenige Punkte holten und zu viele Gegentore kassierten. Ich habe mich gefragt: Wie und wie schnell würde die Mannschaft die Umstellung auf die Dreierabwehrkette überhaupt annehmen? Das hatten wir vorher nicht groß trainiert. Doch nach den beiden Niederlagen zuvor war es der logische Schritt, um der Mannschaft einen neuen Impuls zu geben. Ich denke, uns ist es dann gelungen, die Mannschaft mitzunehmen und nicht zu überfordern. Natürlich hat uns der klare Sieg im Pokal gegen einen Bundesligisten (3:0 gegen Kiel, d. Red.) geholfen. Dieser Erfolg und der Auswärtssieg danach bei Hertha (1:0, d. Red.) waren Schlüsselmomente, sie waren wie eine Erlösung. In Berlin waren fast 20.000 FC-Fans, das war auch für mich eine ganz spezielle, unglaubliche Erfahrung.
Danach haben Sie sehr gelöst gewirkt.
Ja, ich war gelöst. Denn klar, es war Druck auf dem Kessel. Mit kritischen Stimmen von außen muss man umgehen können, mit möglicher Kritik von innen ist es was anderes. Irgendwann kommt immer der Punkt, an dem Du dir die Frage stellst: Wie lange kannst du als Trainer vor der Mannschaft noch glaubwürdig sein, wenn die Ergebnisse einfach ausbleiben? Dass wir diese Phase zusammen so überstanden haben, gab und gibt uns allen Rückenwind. Wir haben uns nicht auseinanderreißen lassen. Denn nicht nur für junge, selbst für ältere Spieler ist es am Standort Köln mit dieser Erwartungshaltung nicht so leicht.
Der erneute Abstieg, die Transfersperre und der Fehlstart in Liga zwei brachten das Fass zum Überlaufen. Hatten Sie das Gefühl, in Köln etwas ausbaden zu müssen?
Mitunter war ich sicher, und das meine ich gar nicht negativ, Blitzableiter für vieles, was vorher passiert ist. Aber damit kann ich umgehen. Und dass nach so vielen Enttäuschungen auch mal eine Entladung folgen würde, das ist verständlich. Wir versuchen, der Erwartungshaltung hier weiter Schritt für Schritt gerecht zu werden. Die große Herausforderung für uns ist jetzt, dass wir stabil und bei uns bleiben und uns nicht von außen beeinflussen lassen.
Also eine Wagenburg-Mentalität?
Wir wollen uns nicht abkapseln. Ich rede ja auch mit Ihnen (lacht). Eine künstliche Mauer zu errichten, das würde überhaupt nicht zu diesem Verein passen. Wir müssen bescheiden bleiben, denn wir haben noch nichts erreicht in einer Liga, in der es vorne ganz eng zugeht. Behalten wir diese Haltung bei, dann stehen die Chancen gut, dass wir uns da vorne festbeißen.
Wie sehen Sie den Aufstiegskampf?
Man sieht, dass vermeintliche kleinere Klubs auch einen guten Job machen und es viele Traditionsvereine eben nicht so leicht haben. Du musst jeden Gegner ernst nehmen. Wir können es uns nicht mal im Ansatz erlauben, zu glauben, dass es in der Liga mit weniger Aufwand geht.
Der FC kann nach Ende der Fifa-Sperre wieder Spieler registrieren. Sind Sie bisher mit der Transferperiode zufrieden?
Die Verantwortlichen arbeiten im hohen Maße und mit viel Einsatz daran, die richtigen Jungs zu holen. Es geht aber nicht nur darum, Neuzugänge zu holen, die spielerisch zu uns passen, sondern wir brauchen auch Spielertypen, die dem Standort gerecht werden können. Man muss vor 50.000 Zuschauern abliefern können.
Rechnen Sie damit, dass im Trainingslager noch ein weiterer Neuzugang eintreffen wird?
Es wird eng, dass das noch klappt. Aber wir arbeiten dran.
Auf der anderen Seite droht der FC nach Tim Lemperle in Zukunft weitere Hoffnungsträger zu verlieren. Hat Sie die Entscheidung von Lemperle, der unter Ihnen gewaltige Fortschritte gemacht hat, enttäuscht?
Wenn sich junge Burschen heute gut entwickeln, dann wecken sie schnell das Interesse des Markts – und auch wenn die Identifikation mit dem Klub hoch ist, gibt es Verlockungen, die schwer auszuschlagen sind. Aus Trainer-Sicht finde ich es schade, dass solch ein guter, junger Spieler einen anderen Weg gehen will. Doch Abgänge gehören zum Geschäft. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass wir sie durch gute Spieler in der Pipeline auffangen können, sei es mit Transfers oder Spielern aus dem Nachwuchs. Wir müssen auf Tag X gut vorbereitet sein. Das zeichnet gutes Management aus.
Hat der FC ein gutes Transfer-Management? Im kommenden Sommer laufen elf Verträge aus. Was sind Ihre Erwartungen an die Verantwortlichen?
Natürlich haben wir alle Erwartungen und Wünsche, wie wir uns zukünftig aufstellen.
Ihr Vertrag in Köln läuft bis 2026. Was sind Ihre Ziele und Visionen in Köln?
Die Vision ist, mit dem FC in der Bundesliga eine stabile Rolle zu spielen. Der Klub soll nicht immer weiter mit den Themen Auf- und Abstieg konfrontiert werden. Der FC soll vielmehr ein verlässlicher Verein sein und dabei seiner Philosophie treu bleiben, immer wieder junge Spieler hervorzubringen und zu integrieren. Wir dürfen gerne ein sympathischer, offener und auch fröhlicher Verein bleiben, das geht in Köln ja auch nicht anders. Aber auch einer, den man sportlich ernst nimmt und auf der Rechnung hat. Ich sehe uns da auf dem richtigen Weg.
Apropos Karneval. Der steht vor der Tür. Sie sind dabei?
Wenn sie mich lassen, bin ich dabei – auch an Rosenmontag (lacht). Wir Österreicher in meiner Region sind auch keine Kinder von Traurigkeit. Wir wissen, wie das Feiern funktioniert.