Während Christian Keller einen Trainer sucht und Schlüsselspieler zum Bleiben bewegen will, gewinnt im Hintergrund der Machtkampf um die FC-Spitze an Schwung.
Kolumne DauerkarteSommerpause und kein bisschen Ruhe beim 1. FC Köln
Vergangene Woche schrieb ich hier von der „spannendsten Sommerpause der FC-Geschichte“, und das war natürlich ein wenig augenzwinkernd gemeint. Denn grundsätzlich gilt natürlich noch immer, was meine Mathelehrerin Frau M. schon vor vielen Jahren sagte, wenn ich es mal wieder mit allem übertrieb: „Teilen Sie sich Ihre Superlative gut ein, sonst verlieren sie an Wirkung“.
Wahre Worte, dennoch hat die Realität bislang gehalten, was ich so kühn versprochen habe. Nicht nur gab es in dieser Woche Bekenntnisse der U21-Nationalspieler Jan Thielmann und Eric Martel, dem 1. FC Köln auch in der Zweiten Liga zu dienen. Am Sonntag folgte zudem Timo Hübers. Es gab auch mehrere interessante Auftritte der amtierenden wie der möglicherweise designierten Kölner Klubspitze.
Schon am vergangenen Freitag stieg der „FC-Abend“ als Abschluss der Veranstaltungsreihe „Stadion der Träume“ im Deutschen Sport & Olympia Museum im Rheinauhafen, wo man übrigens viel zu selten ist. Unter den Gästen war FC-Geschäftsführer Christian Keller, der zwar von Amtswegen nie wirklich frei hat, aber ohne offiziellen Auftrag im Publikum saß und sich hinterher tapfer den Fragen und Anmerkungen von Fans und natürlich Medienvertretern stellte, die ja ebenfalls nie frei haben.
FC-Präsident Werner Wolf hielt ein freundlich gemeintes Grußwort, das ein wenig verunglückte, setzte sich anschließend aber ebenfalls ins Auditorium, wo er den Abend zeitweise in unmittelbarer Nähe des FC-Helden Dieter Müller verbrachte, von dem ich mir am Ende ein Autogramm in mein FC-Buch geben ließ. Darin haben sich schon Hans Schäfer, Wolfgang Overath, Karl-Heinz Thielen, Toni Schumacher und Stephan Engels verewigt, um nur einige zu nennen. Das Buch habe ich vor einigen Jahren einmal selbst geschrieben, es heißt „Besser als Real Madrid – Die Legenden des 1. FC Köln“, und selbstverständlich ist der Name Programm. Ein schönes Projekt damals mit wundervollen Fotos, das längst vergriffen ist. Aber mein persönliches Exemplar ist fein in Folie gepackt und für mich von besonderem Wert. Ich meine: Hans Schäfer! Was für ein Mensch, was für ein Spieler.
Neben Dieter Müller saß Dieter Prestin, der ebenfalls schon in mein Buch geschrieben hat. Im ersten Teil des Abends erzählten Karl-Heinz Thielen und Toby Charles von der ersten Meisterschaft des FC. Für Charles, eine walisische Reporterlegende, war das Finale 1962 in Berlin gegen Nürnberg das erste Spiel überhaupt, das er vom FC im Stadion sah. Kein schlechtes Debüt. Thielen war einmal mehr fantastisch, packte Anekdote um Anekdote aus und war der absolute Star des Abends. Der 84-Jährige ließ die großen Zeiten des FC aufleben, es war eine Pracht.
Anschließend berichteten Prestin und Müller aus den Siebzigern und Achtzigern, vom Doublesieg 78 und von den ständigen Engagements im europäischen Wettbewerb. Der 1. FC Köln lebte in den Erzählungen der Männer auf dem Podium in einer Selbstverständlichkeit als Spitzenklub auf, die einem heute vollkommen fremd ist. Derzeit freut man sich nicht nur, dass Eric Martel und Jan Thielmann bleiben. Man feiert sich sogar dafür, dass die Spieler bleiben, ohne dass man den Verein dafür finanziell ruinieren muss. Das immerhin hat man aus dem Desaster des Abstiegs 2018 gelernt.
Aber ich will nicht zynisch sein, und womöglich ist die Entwicklung des Kölner Kaders in diesen Tagen tatsächlich etwas Gutes im Schlechten. Denn die Struktur der Mannschaft scheint sich auch hinsichtlich der inneren Führung in eine positive Richtung zu entwickeln. Ambitionierte Spieler wie Martel, Thielmann und auch Torwart Jonas Urbig sollen künftig Verantwortung übernehmen. Allesamt sind sie Spieler, die weit davon entfernt sind, es sich als hochverehrte Profis in dieser schönen Stadt gemütlich gemacht zu haben. Das ist jedenfalls eine Hoffnung, die zumindest dieses Trio in mir auslöst: junge Leute mit Feuer, die groß rauskommen wollen.
WDR-Reporter Sven Pistor saß mit Müller und Prestin auf dem Podium, Pistor hat ein großes Herz für den FC und ist außerdem Journalist genug, um nachzufragen. Es war absolut ehrenhaft, wie er versuchte, die Diskussion auf die aktuellen Entwicklungen beim FC zu drehen, bei denen Prestin mit seinem Team „FC Zukunft“ eine Rolle spielt. Doch niemand ging darauf ein, der Abend im Museum stand im Zeichen der romantischen Rückblicke, und zeitweise wurde den Beteiligten das Herz schwer, wenn es um Giganten wie Hans Schäfer und Karl-Heinz Schnellinger ging oder Heinz Flohe, die nicht mehr unter uns sind.
Prestin ist dann nach dem offiziellen Teil noch geblieben und stand für Gespräche bereit. Es war ein unterhaltsamer, teils lustiger Abend. Dennoch wurde erneut klar, dass da jemand ist, der viel Kraft in sein Vorhaben investieren wird, den aktuellen Vorstand abzulösen. Am Montag wird Prestin sein Team vorstellen und Details seines Wahlprogramms offenbaren. Zwei Tage später folgt der FC-Stammtisch im Coloneum mit bislang 2000 Anmeldungen. Spannende Sommerpause.
Am Montagabend hatte die Crew des Podcasts „Dreierkette“ auf das Rhein-Roxy geladen, ein Rheinschiff im Schatten der Rodenkirchener Brücke. Stefan Jung, der als Präsidentschaftskandidat in Prestins Team gilt, traf auf den amtierenden FC-Vize Carsten Wettich und „Wilde Horde“-Vorsänger Stephan Schell, der zudem dem Fanklub-Bündnis „Südkurve Köln e.V.“ vorsteht. Es war ein interessanter, offener und sehr deutlicher Austausch. Gerade Prestin ist bislang sehr klar in seinem Bestreben, eine Ablösung herbeizuführen. Die Härte des früheren Verteidigers mag für manchen dazugehören, schließlich muss eine Regierung ihre Opposition nicht in Freundschaft verbunden sein. Doch Wettich hat ein paar Dinge persönlich genommen. „Ich werde alles dafür tun, damit ihr nicht gewählt werdet“, sagte er zu Stefan Jung. Ein kraftvoller Satz, wie man ihn sich öfter wünschte vom jüngsten Mann im Präsidium.
Auch Schell war sich seiner politischen Wirkung bewusst, als er erklärte, er wolle zwar die Offenbarungen des 10. Juni abwarten. Dennoch könne er sich nicht vorstellen, Prestins Kandidatur zu unterstützen. Sollte der Daumen des Südkurven-Capos tatsächlich auch nach nächstem Montag nach unten zeigen, hat Prestin zumindest aus den Kreisen der Aktiven Fanszene nicht allzu viele Stimmen zu erwarten. Allerdings ist davon auszugehen, dass er es auf gerade diese Stimmen nicht anlegt. Aber warten wir ab.
Jetzt habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt, wer der neue Trainer wird. Und ich muss gestehen: Ich weiß es nicht. Christian Keller führt Gesprächsrunde um Gesprächsrunde, allerdings lässt er sich dabei nicht in die Karten schauen. Außerdem bin ich zu abgelenkt mit Podiumsdiskussionen und Treuebekenntnissen, um mich wirklich in diese Art Recherche zu stürzen. Interessant dabei ist, wie viele Trainer sich im privaten oder halb-privaten Kreis in den vergangenen Wochen zum FC geäußert haben nach dem Motto: „interessanter Verein“. Derartiges Geraune kommt früher oder später auch bei mir an, oft dann schon als halber Fakt. Aber ich versuche, mich dem einigermaßen zu entziehen. Auf eine Spekulation würde ich mich aber womöglich einlassen: Heute in einer Woche haben wir einen neuen Trainer.