Mit neuer taktischer Flexibilität coacht Steffen Baumgart seine Mannschaft beinahe ins Desaster und braucht nun dringend Ergebnisse.
Kommentar zum 1. FC KölnAlte Probleme trotz neuer Maßnahmen
Zweieinhalb Jahre nach dem Beginn seiner Mission beim 1. FC Köln hat Steffen Baumgart die nächste Stufe seines Engagements gezündet. Nachdem es jahrelang überwiegend um das entweder im 4132- oder 4231-System vorgetragene Prinzip des Vorwärtsverteidigens gegangen war und darum, den Glauben täglich zu stärken, kam am Freitagabend eine Kehrtwende in zwei fundamentalen Schritten: Köln begann mit einer Dreierkette, die jedoch zunächst derart hoch agierte, dass ein FC Bayern in Normalform zur Pause hoch geführt hätte.
Dann änderten die Kölner ihre Grundhaltung, erweiterten die Dreier- konsequent zur Fünferkette und zogen sich derart zurück, dass zunehmend lustlose Münchner kaum mehr entscheidend durchkamen. Derart dürr geriet das Spiel, dass Thomas Tuchels Gedanken offenbar derart abschweiften, dass er glatt das Wechseln vergaß: Irgendwann sei bereits die 60. Minute dagewesen, dann auch schon die 70., sagte er nach dem Schlusspfiff; da habe er irgendwie nicht mehr ans Wechseln gedacht, was ihm leidtue für all die Spitzenkräfte auf der Bank.
Man mochte sich nach dem Schlusspfiff nicht vorstellen, was losgewesen wäre, hätte der FC Bayern durch ein spätes 1:1 nach einem Eckball bei vollständig mittellosen Kölnern die Meisterschaft verspielt. Doch ist Tuchel ein großer Trainer. Es ist davon auszugehen, dass er irgendwann in der zweiten Hälfte zwischen Gedanken an dies und das zur Erkenntnis gelangt war, dass diese Kölner seinen Bayern nicht würden gefährlich werden können.
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Und tatsächlich war es ja auch dabei geblieben, obgleich Baumgart in der Schlussphase noch auf das weit offensiver gemeinte 4132 umgestellt hatte. Zur Bewertung des bedingungslosen Kölner Offensivwillen muss man allerdings nicht Thomas Tuchel sein und die Champions League gewonnen haben. Da genügt ein Blick auf die Tabelle, die den 1. FC Köln nach dem zwölften Spieltag auf dem letzten Platz führt – mit neun Saisontoren. Harry Kane hat es in seinem ersten Jahr in der Bundesliga bislang auf doppelt so viele gebracht. Allerdings ist Kane, wenn man einmal in die Fantasiewelt der sogenannten Marktwerte hinabsteigt, auch ungefähr so viel wert wie die komplette Kölner Mannschaft.
Spiele gegen die Bayern taugen nicht zum Gradmesser
Nun sind Spiele gegen die Bayern schlechte Gradmesser, denn eine Mannschaft wie die der Münchner gibt es nur einmal in der Bundesliga. Dass Baumgart sein großes Taktik-Experiment also ausgerechnet gegen die Klassenbesten zur Aufführung brachte, war einerseits per se eine seltsame Idee, die erwartungsgemäß nicht funktionierte.
Weitere Erkenntnisse gibt es jedoch nicht, denn niemand kann sagen, dass es am Freitag beim Kellerduell in Darmstadt in dieser Formation nicht zu einem hervorragenden Auftritt reichen könnte.
Was man dagegen sagen kann: Die Mittel von Trainer und Mannschaft scheinen sich langsam zu erschöpfen. Aus den nächsten beiden Spielen muss mehr her als ein Sieg. Sonst wird der 1. FC Köln mehr brauchen als nur den einen oder anderen Formationswechsel.