Markus Gisdol und Helmut Groß kennen sich seit 40 Jahren.
Der FC-Trainer sieht in dem 73-Jährigen seinen Mentor.
Helmut Groß erklärt, warum sein schwäbischer Landsmann so gut nach Köln passt.
Köln/Geislingen – Markus Gisdol strebt am Freitag mit dem 1. FC Köln seinen fünften Sieg in Folge an. Dass das im Spiel bei Borussia Dortmund (20.30 Uhr) alles andere als leicht wird, ist dem FC-Trainer bewusst. Doch der 50-Jährige könnte eine kleine Klub-Geschichte schreiben: Denn fünf Bundesliga-Siege in Serie gelangen den Kölnern letztmals vor fast 40 Jahren; im April und Mai 1985 waren es sogar deren sieben. Und Gisdol waren in bisher 140 Spielen als Bundesliga-Trainer ebenfalls noch keine fünf Siege in Folge vergönnt.
Dies sind Zahlen und Fakten, über die man beim 1. FC Köln gerne spricht. Und es sind Zahlen und Fakten, die vor einigen Wochen noch utopisch schienen. Als Gisdol am 18. November sein Amt am Geißbockheim angetreten hatte, äußerten nicht wenige Skepsis an seiner Verpflichtung. Doch der Schwabe aus Geislingen an der Steige strafte alle Kritiker Lügen, er stabilisierte die fragile Mannschaft und leitete eine Wende ein, die am Ende zum Klassenerhalt führen soll.
„Diese Beziehung passt“
Sein Lehrmeister indes hat es kommen gesehen, dass die Verbindung zwischen Gisdol und dem 1. FC Köln eine erfolgreiche werden könnte. „Ich war von Anfang an der Überzeugung, dass diese Beziehung passt“, sagt der frühere Trainer Helmut Groß. Der Fußball-Philosoph gilt unter anderem als Mentor von Ralf Rangnick und Gisdol. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ begründet er dies: „Der 1. FC Köln gilt mit seinem Umfeld ja durchaus als nervöser, unruhiger Klub, zu dem Markus aber einen entsprechenden Gegenpol bilden könnte. Markus ist jemand, der auch in schwierigen Situationen die Aufgaben mit Realismus, der notwendigen Gelassenheit und einem klaren Plan angeht. Er hat dabei trotzdem Feuer und Durchsetzungsvermögen. Und er hat ja bereits in Hoffenheim und Hamburg bewiesen, dass er mit Druck im Abstiegskampf gut umgehen kann.“
Helmut Groß (73) war von 2012 bis Juli 2019 Trainerberater sowie für die Spielphilosophie des RB Leipzig und Red Bull Salzburg tätig. Er beriet viele Jahre Ralf Rangnick und gilt als Mentor von Markus Gisdol, aber auch Trainer wie Thomas Tuchel, Roger Schmidt oder Alexander Zorninger hat er inspiriert. Der Ex-Trainer aus Geislingen galt bereits vor 30 Jahren als Erfinder der ballorientierten Raumdeckung. Danach baute er u.a. die erfolgreiche Nachwuchsarbeit beim VfB Stuttgart auf. (LW)
Groß kennt Gisdol seit rund 40 Jahren. Beide stammen aus der 30.000-Einwohner-Stadt Geislingen. Der heute 73 Jahre alte Groß war Anfang der 80er Jahre Trainer des SC Geislingen, bei dem auch Jürgen Klinsmann, die Brüder Karl und Ralf Allgöwer und Andreas Buck ihre Karrieren starteten. Groß’ damaliger Co-Trainer war Alfred Gisdol, der Vater des heutigen FC-Coachs. Der brachte seinen Sohn oft zum Trainingsgelände mit. „Markus war schon damals sehr aufgeweckt, wissbegierig und hörte schon als Zwölfjähriger bei taktischen Besprechungen in der Kabine aufmerksam zu“, erinnert sich Groß. Der Fußballer Markus Gisdol verletzte sich dann im Alter von 27 Jahren am Knöchel schwer und musste seine aktive Laufbahn beenden. Für Gisdols Trainer-Karriere sei das allerdings ein glücklicher Umstand gewesen, da er so zehn Jahre früher als andere Trainer wurde.
„Der Arrigo Sacchi des deutschen Fußballs“
Trainer und Schüler tauschten sich in den folgenden Jahren noch oft über ihren liebsten Sport aus. Und es ging in diesen Gesprächen in die Tiefe. „Helmut Groß war für mich der erste Begleiter meiner Laufbahn. Man kann ihn nicht hoch genug loben und einschätzen. Er ist eine absolute Koryphäe, noch heute ist jedes Gespräch bereichernd mit ihm. Für mich ist er der Arrigo Sacchi des deutschen Fußballs – auch wenn er nicht diese große Karriere gemacht hat. Mit ihm über Fußball zu diskutieren, ist ein Ereignis und die pure Freude“, schwärmt Gisdol im Gespräch mit dieser Zeitung über seinen Lehrmeister.
Helmut Groß war es auch, der für Markus Gisdol den Kontakt zu Ralf Rangnick herstellte. „Als ich Trainer in Ulm war, haben sie mich 2009 nach Hoffenheim geholt. Beiden habe ich sehr viel zu verdanken, sie waren entscheidende Personen in meiner Laufbahn und wenn Sie so wollen Mentoren“, berichtet Gisdol.
Als Rangnick dann Cheftrainer beim FC Schalke 04 war, machte er Gisdol im März 2011 zu seinem Assistenten. Die Karriere des Geislingers nahm fortan an Fahrt auf, es folgten danach erstmals Stationen als Cheftrainer in der Bundesliga bei der TSG 1899 Hoffenheim und dem Hamburger SV, die er jeweils vor dem Gang in die Zweitklassigkeit bewahrte.
Groß schätzt an seinem ehemaligen Schützling dessen „gute Rhetorik und Didaktik. Markus schafft es, auch schwierige Dinge so zu vereinfachen, dass jeder Spieler sie versteht. Da kommen dann von Markus aber keine Plattitüden, sondern er formuliert seinen Plan so, dass seine Spieler auch von diesem überzeugt sind. Er kann dabei auch lauter werden, aber er wird niemals nervös oder gar hysterisch. “ Deshalb sei Gisdol auch in der Lage, bereits kurz nach seiner Amtsübernahme schon für erste, schnelle Erfolge zu sorgen.
Gisdols Vertrag hat nur Gültigkeit in der Bundesliga
Groß registrierte, dass Gisdol nach dessen Beurlaubung im Januar 2018 fast zwei Jahre ohne Job war. Doch auch in dieser schwierigen Phase habe sich Gisdol nicht treiben lassen und vorschnell bei einem neuen Klub unterschrieben, sondern sich alles gut überlegt. „Natürlich war seine Pause vielleicht etwas länger als gedacht. Aber ich glaube, dass es für Markus extrem wichtig war, dass für ihn bei seinem neuen Verein alles passt. Und dieses Gefühl hatte er offenbar dann beim FC. Bisher sieht es ja auch wirklich ganz gut aus“, sagt Groß. Sollte der 1. FC Köln mit Markus Gisdol weiterhin Erfolg haben, würde sich das auf die Zukunft des Trainers auswirken. Der Schwabe unterschrieb zwar in Köln einen Vertrag bis zum 30. Juni 2021, der allerdings nur für die Bundesliga Gültigkeit hat.
Groß hofft indes, seinen ehemaligen Schützling demnächst nach längerer Zeit mal wieder zu sehen. Am liebsten im Rahmen eines Heimspiels der Kölner. Dessen Vater Alfred Gisdol sieht Groß öfter – bei den Alten Herren des SC Geislingen.