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FC setzt auf den NachwuchsDie Jugend als Kölner Lebensversicherung

Lesezeit 5 Minuten
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Jan Thielmann am Samstag im Spiel der Kölner gegen den VfL Wolfsburg

  1. Jan Thielmann, Noah Katterbach und Ismail Jakobs begeistern die Fans.
  2. Das Kölner Ausbildungskonzept scheint auf mehreren Ebenen zu greifen.

Köln – Noch nie in seiner Bundesliga-Karriere hat Jan Thielmann vor weniger Menschen gespielt als beim 3:1 des 1. FC Köln am Samstag gegen Wolfsburg. Das dürfte ihn allerdings nicht groß gestört haben, 49.100 Zuschauer bedeuteten für viele Fußballer die Erfüllung aller Träume, zumal für einen 17-Jährigen. Für Jan Thielmann war die Kulisse ein Negativrekord. Seit seinem Debüt am 15. Spieltag hat er viermal in Folge in der Kölner Startelf gestanden – seine Mannschaft gewann jedes Spiel. Vier Siege nacheinander gelangen den Kölnern zuletzt im Jahr 2000. Anderthalb Jahre vor Thielmanns Geburt.

„Gibt nichts Größeres“

Im vergangenen Frühsommer war Thielmann Mitglied der Kölner Mannschaft, die gegen Borussia Dortmund die Deutsche Meisterschaft der Junioren unter 17 Jahren gewann. Es war ein Karriere-Höhepunkt für den Angreifer aus Föhren im Kreis Trier-Saarburg. Doch schon ein halbes Jahr später spielte er im Rhein-Energie-Stadion; Derby gegen Bayer 04 Leverkusen, gleich ein Sieg. Er habe einige Zeit gebraucht, um das alles zu begreifen, sagte Thielmann neulich im Trainingslager der Profis in Spanien. Es fühle sich an „wie im Märchen. Das ist schon Wahnsinn. Ich bin FC-Fan, seit ich denken kann. Es gibt für mich nichts Größeres, als für diesen Verein zu spielen.“

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Am vergangenen Freitag unterschrieb Thielmann seinen ersten Profivertrag beim FC, bis zum 30. Juni 2022 ist er nun gebunden. „Die gute Verzahnung mit unserem Nachwuchsleistungszentrum war die Voraussetzung dafür, dass Jan der Sprung so beispielhaft gelungen ist. Er ist für sein Alter sehr, sehr weit, sowohl körperlich als auch charakterlich, dazu hat er ein sehr gutes Spielverständnis. Wir trauen ihm zu, dass er sich langfristig oben festspielt“, sagte FC-Sportchef Horst Heldt.

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Noah Katterbach und Ismail Jakobs nach dem Kölner Sieg in Frankfurt im Dezember

Noah Katterbach ist ein Jahr älter als Thielmann, und dass er nur fünf Bundesligaspiele mehr absolviert hat als sein Kollege, lag am Verletzungspech: Zweimal stand Katterbach bereits vor dem Sprung zu den Profis, doch jeweils kamen Verletzungen dazwischen: Schon unter Markus Anfang sollte er vor einem Jahr mit den Profis ins Winter-Trainingslager nach Mallorca reisen, doch am Abend vor der Abreise erlitt er im Test gegen Groningen einen Innenbandriss am Sprunggelenk.

Katterbachs Pech

In diesem Sommer fiel Katterbach erneut in der entscheidenden Phase der Vorbereitung aus. Im Test gegen Reutlingen erlitt er eine Muskelverletzung, die ihn wochenlang außer Gefecht setzte. Dabei hatte auch Achim Beierlorzer das Potenzial erkannt – wie ja auch Ismail Jakobs schon im Juli auf dem Weg in den Kölner Bundesligakader war. Als der FC ohne Jannes Horn ins Trainingslager nach Kitzbühel aufbrach, sah das nach Schikane aus; nach dem Versuch, den teuren Spieler dazu zu bewegen, seine Suche nach einem neuen Verein zu forcieren. Dabei sagte Beierlorzer schon damals, dass er Jakobs allein aus Leistungsgründen mitgenommen und Horn zurückgelassen habe. Man setzte große Hoffnung in den 20-Jährigen – doch erneut schlug das Unglück zu: Im Training in Kitzbühel erlitt Jakobs einen Muskelbündelriss, fiel monatelang aus. Es dauerte bis November, ehe er für die Profis spielte. Mittlerweile hat er sieben Einsätze absolviert, jeweils über die volle Distanz. Auch die vier Siege zuletzt erlebte er auf dem Rasen, er ist ein wichtiger Faktor im Kölner Kampfspiel. „Nach vier Siegen kann man nicht mehr von Zufall sprechen. Wir sind alle sehr fit, haben eine sehr gute Vorbereitung gespielt und haben die nötigen Körner, um 90 Minuten alles zu geben. Wir sind jetzt vielleicht ein Stückchen fitter als andere“, sagte Jakobs nach dem Sieg über Wolfsburg.

Dribblings in engen Räumen

Die Selbstverständlichkeit der Auftritte verblüfft. Wie Katterbach am Samstag im Duett mit Jonas Hector in engsten Räumen Probleme löste, wie er sich mit einfach aussehenden Dribblings Zeit und Raum verschafft – das alles lässt ihn wirken wie einen etablierten Bundesligaspieler. Mark Uth, der im Winter von Schalke 04 zum FC kam, hatte mit so etwas nicht gerechnet. „Gerade Noah und Ismail auf der linken Seite spielen sehr befreit auf“, lobte Uth: „Vor allem bei Noah hatte ich das nicht erwartet. Er macht das wirklich sehr gut.“

Athlet Jakobs

Jakobs beeindruckt vor allem mit seiner Zähigkeit im Zweikampf und der bemerkenswerten Athletik; auch Thielmann bringt herausragenden Fleiß ein. Katterbach, Jakobs, Thielmann – alle stammen aus der eigenen Jugend, und im Verein staunt man nicht nur über die Leistungen auf dem Platz. Das Kölner Ausbildungskonzept scheint auf mehreren Ebenen zu greifen. „Wenn früher fünf Spieler aus der Jugend hochkamen, hatten vier davon einen Pfeil im Kopf. Mittlerweile sind die fast alle vernünftig“, sagt ein FC-Funktionär.

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Markus Gisdol 

Für den FC ist das nach mehreren vertanen Transferperioden eine Lebensversicherung. Die jungen Leute geben dem Kader Tiefe. „Das sind keine Eintagsfliegen. Die sollen nicht nur für ein, zwei Spiele funktionieren. Es geht ja auch um ihre Entwicklung. Es freut mich, dass sie so funktionieren“, sagt Trainer Markus Gisdol.

Gisdol will dosieren

Jede Partie werden die Nachwuchsspieler dennoch nicht absolvieren; müssen sie auch gar nicht. Es seien enge Entscheidungen gewesen, die Spieler konkurrieren mit gestandenen Kollegen und haben keinen Bonus ob ihrer Jugend. Im Gegenteil, sagt Gisdol, der vorsichtig sein will. „Wir tun gut daran, das in der Rückrunde sauber zu steuern.“

Denkbar, dass zum Beispiel Jan Thielmann am Freitag (20.30 Uhr) bei Borussia Dortmund eine Pause erhält. Obwohl davon auszugehen ist, dass er gern Einsatzzeit hätte. Gleich neben der mächtigen Osttribüne des Signal Iduna Parks wurde er im Juni im Stadion Rote Erde Deutscher Meister. Sieben Monate später könnte er in der großen Arena auflaufen. Und vor 80.000 Zuschauern hat selbst Jan Thielmann noch nie gespielt.