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Nach 2:3 beim FC Bayern1. FC Köln zwischen Stolz und Enttäuschung

Lesezeit 5 Minuten
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Kölns Sebastian Andersson verlässt nach schwerem Kampf den Rasen. 

München/Köln – Die FC-Profis, die tags zuvor in der Allianz-Arena nicht oder nur für wenige Minuten gespielt hatten, waren am Montagmorgen bereits wieder am Geißbockheim am Ball. Steffen Baumgart und seine Assistenten hatten ein Spiel über den halben Platz angesetzt, sechs gegen sechs. Louis Schaub wagte ein Dribbling, narrte zwei Gegenspieler und erzielte mit einem satten Linksschuss einen sehr ansehnlichen Treffer. Es war nicht eindeutig zu verstehen, was Baumgart dem Österreicher hinterher brüllte, aber es war enorm laut – und die Botschaft klar: Hätte Schaub doch in der Münchner Arena derart tollkühn gedribbelt und geschossen, es wäre wohl mehr möglich gewesen als eine allseits beachtete 2:3 (0:0)-Niederlage des 1. FC Köln beim Rekordmeister.

Ohne Schaub zu nennen, merkte Baumgart in seiner Nachbetrachtung an, dass er gern noch ein wenig mehr Überzeugung bei seinen Spielern gesehen hätte. „Wir hatten Möglichkeiten – und schießen dann nicht aufs Tor“, sagte der 49-Jährige mit Blick auf die Partie gegen Bochum am Samstag (15.30 Uhr). Zehn Torschüsse gegen den FC Bayern, zwei Treffer – und dennoch merkt der Trainer anschließend an, man habe noch forscher auftreten können: Selten hört man Gäste nach einem Spiel in Fröttmaning solche Schwerpunkte setzen.

Nagelsmanns Versuche

Die Kölner waren gegen eine Münchner Mannschaft, die nach schwieriger Sommervorbereitung noch in der Findungsphase steckt und am Sonntag zudem mit den taktischen Versuchen ihres neuen Trainers Julian Nagelsmann zu kämpfen hatte, nach einer starken ersten Hälfte durch Lewandowski (50.) und Gnabry (59.) 0:2 in Rückstand geraten. Doch hatte Baumgarts Mannschaft an der Vorgabe des Trainers festgehalten und einfach weiter attackiert, obgleich die Gefahr gegeben war, dass die Partie in einem Debakel endet.

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In der 60. und 62. Minute waren dann die Treffer durch Modeste und Uth gefallen, die bayrischen Giganten wankten, auch konditionell baute der FC weit weniger ab als der Meister. Baumgart wechselte Duda und Andersson ein, zwei frische Angreifer, später noch Schaub. Köln spielte tatsächlich auf Sieg, es war ein Spektakel. Doch entschied nicht die Spielanlage über Sieger und Verlierer, sondern Einzelaktionen: Alphonso Davies flankte in den Kölner Fünfmeterraum, wo Timo Horn ohne Gegenspieler war, jedoch aus Scheu davor, den regennassen Ball fallen zu lassen das Mittel der Faustabwehr wählte – zentral an den eigenen Strafraum, wo Kimmich wartete und zu Gnabry köpfte, dessen Gewaltschuss einerseits nur wenige Spieler im Repertoire haben. Den Timo Horn aber bei besserer Positionierung aber womöglich hätte über die Latte lenken können. „Ich glaube, der Auftritt hätte einen Punktgewinn hergegeben. Hätten wir nicht nach dem Ausgleich so bald das 2:3 kassiert, wäre es noch interessant geworden“, kommentierte Baumgart.

Es folgten finale 20 Minuten, in denen die Gäste dann zwar eben keine nennenswerten Abschlüsse verbuchten. Jedoch klar mehr vom Spiel hatten als die Bayern, Schaub etwa kam in 15 Spielminuten auf 19 Ballaktionen. Dass eine Mannschaft von der Weltklasse-Besetzung der Münchner einen Relegationsteilnehmer allerdings auch dann schlagen kann, wenn der Außenseiter mit dem überlegenen System nahe dem läuferischen Maximum agiert, musste am Ende zwar auch Baumgart einsehen. Doch fiel ihm das trotz der Enttäuschung über eine vergebene Chance nicht allzu schwer. „Wir haben die Qualität der Bayern gesehen. Dennoch hätten wir es lösen können. Ich fand unsere Leistung richtig gut. Dennoch sind wir sehr vorsichtig in der Einschätzung unserer selbst“, sagte der Coach am Montag.

Es war Baumgarts drittes 2:3 in der Bundesliga gegen den FC Bayern nach zwei Versuchen mit dem SC Paderborn. Ob es sein bislang bestes 2:3 war, wollte er nicht beantworten, betonte aber den Lerneffekt des Spiels für seine Mannschaft. „Für den Moment nehmen wir etwas mit, aber für das Rückspiel bringt mir das nichts“, sagte er: „Ich war nah dran, aber immer noch weit weg.“

„Würde gern mal in Führung gehen“

Obwohl Baumgart nicht glücklich darüber ist, dass seine Mannschaft zuletzt zweimal nacheinander in Rückstand geriet, steht für den Trainer fest, dass man „über die Mentalität meiner Spieler nicht zu reden“ braucht: „Ich würde gern mal sehen, was passiert, wenn wir in Führung gehen.“

Auch Abwehrchef Rafael Czichos berichtete am Montag von einer getrübten Stimmung angesichts des Resultats. „Wir saßen im Bus und haben gesagt: Wenn, wäre es gestern möglich gewesen, etwas bei den Bayern zu holen. Darum sind wir eher traurig. Aber auf der Leistung können wir aufbauen.“

Laufstärkste Mannschaft der Liga

Die Kölner stellen nach dem zweiten Spiel die laufstärkste Mannschaft der Liga, die Arbeit des Sommers zahlt sich nun aus. Czichos sprach von einer „unmenschlichen Qualität im läuferischen Bereich.“ Das alles sei harte Arbeit. Aber der Auftakt gibt den Kölnern recht. Die Überzeugung ist trotz der Niederlage in München weiter gewachsen. „Der Trainer lebt vor, dass wir alles erreichen können. Man sieht, dass die Mannschaft daran glaubt“, sagt Czichos. Mit einem neuen Coach und einem neuen System seien solche Erfolge entscheidend, „es ist wichtig, zu merken, dass es funktioniert. Die Gunst der Fans hatte der Trainer schon relativ schnell, unsere Gunst hat er auch. Wir glauben daran“, sagt Czichos, der auch in München einen Steffen Baumgart erlebte, der 90 Minuten lang von der Seitenlinie coachte.

Die Spieler nehmen die Art ihres Trainers an, sie empfinden Baumgarts Eingreifen als hilfreich, selbst wenn der Aktionsradius ihres Trainers bisweilen kurios anmutet. Die Botschaften des Trainers erreichen die Spieler definitiv: „Das würde man auch hören, wenn 100  000 Zuschauer im Stadion wären.“