Sebastiaan Bornauw war FC-Rekordtransfer im Sommer, der belgische Verteidiger kam aus Anderlecht nach Köln.
Im Interview spricht der 20-Jährige über den Druck, den die Ablöse mit sich bringt, seinen Berater Daniel van Buyten, seine Kindheit in Marokko und sein Einleben in Köln.
Köln – Herr Bornauw, Sie sind 20 Jahre alt, erst seit rund zwei Monaten beim FC und stehen seit dem zweiten Spieltag konsequent in der Startelf. Hatten Sie damit gerechnet?
Dass es so schnell geht, hätte ich nicht gedacht. Natürlich habe ich Vertrauen in meine Fähigkeiten, aber ich hätte schon mit mehr Eingewöhnungszeit gerechnet. Ich musste mich ja erstmal an das höhere Level der Bundesliga im Vergleich zur belgischen Liga gewöhnen. Aber die Situation ist ja eine positive und freut mich. Sich darauf auszuruhen, ist jetzt aber garantiert nicht angesagt: Ich kann und muss mich sicherlich noch verbessern. In der Bundesliga geht alles viel schneller, das heißt, man muss auch schneller reagieren, das Spiel richtig lesen und die richtigen Entscheidungen treffen. Am Spielaufbau kann ich sicherlich auch noch arbeiten.
16 Gegentore hat der FC in sieben Liga-Spielen kassiert. Das sind viele.
Das ist zu viel, allerdings hatten wir auch kein leichtes Auftaktprogramm. Die Leistungen waren oft in Ordnung – bis auf die Heimniederlage gegen Hertha (0:4, d. Red.), die ging gar nicht. Auch ich war an dem Tag nicht gut.
Zur Person
Sebastiaan Bornauw, geb. 22. März 1999 in Wemmel (Belgien), spielte von 2005 bis 2007 bei Wydad Casablanca (Marokko) und von 2009 bis 2019 in Belgien beim RSC Anderlecht. Weitere Stationen: Koninklijke Wolvertem SC (2007-08), FCV Dender (2008-09). Der 1,91 Meter große Verteidiger ist U21-Nationalspieler. Freundin Ines (21) ist Jura-Studentin. (ksta)
Stimmt es, dass Sie bis vor sechs Jahren noch Stürmer waren?
Ja. Mit 14 bin ich mehr oder weniger durch Zufall in die Abwehr gerückt, als sich in meiner Mannschaft beim RSC Anderlecht ein Verteidiger verletzt hatte. Das war anfangs schon eine große Umstellung. Aber ich bin glücklich, dass es so gekommen ist. Meine Technik hat sich dadurch enorm verbessert. Meine Stürmer-Karriere, die habe ich definitiv beendet (lacht).
Haben Sie Vorbilder?
Mehrere: Mein Landsmann und Ex-Trainer Vincent Kompany, früher Carles Puyol. Ich schaue zu Raphaël Varane auf, dessen Spielstil ich mag. Man versucht, sich von jedem das Beste herauszupicken und so gut es geht in die eigene Spielweise einzubauen.
Ihr Berater und Landsmann Daniel van Buyten war ebenfalls als starker Innenverteidiger bekannt und in der Bundesliga aufgrund seines körperbetonten Spiels gefürchtet.
Ja, zum Glück musste ich nie gegen ihn ran (lacht). Vor allem ist Daniel für mich ein super Typ und guter Berater, zu dem ich eine enge Beziehung habe. Er verfolgt meine Spiele ganz genau, nachher analysieren wir sie oft zusammen. Von seiner Erfahrung kann ich extrem profitieren. Er weiß genau, wie sich ein Spieler in bestimmten Situationen fühlt und gibt mir wertvolle Tipps.
Wie gefällt einem jungen Menschen das Leben in Köln?
Ich mag es sehr. Ich mag die offene Art der Menschen, man fühlt sich einfach willkommen. Und in der Stadt gibt es erstaunlich viele Grünflächen.
Waren Sie vor Ihrem Wechsel schon mal in Köln?
Nein, wirklich noch nie. Ich komme ja aus Brüssel. Das ist zwar nicht weit weg von Köln, aber die jungen Leute dort fahren am Wochenende gerne nach Amsterdam, nach Paris oder mit dem Zug nach London. Köln war da nie ein Thema. Köln ist sicherlich nicht wie Paris, aber die Stadt ist es absolut wert, sie zu besuchen – und nicht nur zur Weihnachtszeit, wenn dann auch meine Landsleute in Köln auf den Weihnachtsmärkten einfallen (lacht). Die Stadt hat schöne Ecken, das sage ich auch immer zu meinen Freunden.
Sie sind also auch Werbebotschafter Kölns, das ist löblich. Und wie gefällt es Ihnen beim FC?
Das ist immer noch ein bisschen unglaublich: Ich habe jahrelang für den RSC Anderlecht gespielt, in Belgien auch ein großer Klub. Doch wie in Köln Fußball gelebt wird, das ist mit Brüssel einfach nicht zu vergleichen. Ich habe das Gefühl: Jeder, der sich in Köln auch nur ein bisschen für Fußball interessiert, steht hinter dem FC und unterstützt den Verein. So sollte es auch sein. Ich mag diese Leidenschaft. Auch auswärts wird der FC von so vielen Fans unterstützt. Als wir in München im Spielertunnel standen, habe ich fast nur die Kölner gehört. Das war schon verrückt. Aber das Coolste überhaupt ist, wenn die FC-Hymne bei Heimspielen erklingt, alle Fans mit ihrem Schal wedeln und die Hymne mitsingen. Da bekommst du Gänsehaut und kannst den Anpfiff kaum erwarten. Ich kann leider nur die ersten Liedzeilen. Bei mir im Auto läuft die Hymne auch öfters, damit ich sie noch besser lerne (lacht).
In der vergangenen Transferperiode waren Sie der teuerste Einkauf des FC. Bedeutet das zusätzlichen Druck?
Ganz ehrlich, das wusste ich nicht einmal. Was das angeht, lebe ich in meiner eigenen Blase. Ich bin hier, um auf dem Platz mein Bestes zu geben und mich zu verbessern. Ich denke nicht darüber nach, wie hoch mein Marktwert ist oder was ich verdiene.
Das sollen wir einem Fußballprofi jetzt glauben?
Das ist für mich einfach kein Thema. Mein Vater und Daniel kümmern sich um die finanziellen Belange.
Aufgrund des Jobs Ihres Vaters Kenneth als Marketingmanager eines weltweit agierenden Konzerns hatten Sie wahrscheinlich keine alltägliche Kindheit. Sie zogen viel um, lebten auch in Paris oder Casablanca.
Als Kind ist es sicherlich nicht leicht, die gerade erst gewohnte Umgebung und Freude aufzugeben. Du verstehst das ja auch nicht richtig. Aber geschadet hat mir das sicherlich überhaupt nicht. Im Gegenteil, man macht so viele Erfahrungen. Die beste Zeit meiner Kindheit hatte ich in Marokko. Unsere Familie ging es in Casablanca zwar sehr gut, wir hatten ein schönes Haus mit Pool, ein tolles Leben. Aber ich habe auch Kinder getroffen, die nicht einmal das Geld hatten, sich neue Schuhe oder Fußballschuhe zu kaufen. Meine Mutter hat mir oft Klamotten oder Schuhe von meiner Schwester und mir mitgegeben, die ich dann weitergegeben habe. Das war uns wichtig. Schon als Kind habe ich gelernt, dass ich mich glücklich schätzen kann, so aufgewachsen zu sein. Sollte ich mal Kinder haben, würde ich ihnen gerne auch diese Erfahrung ermöglichen.