Im ersten Teil unseres Interviews spricht FC-Trainer Steffen Baumgart über Saisonziele, Neuzugänge und die Investoren-Frage.
FC-Trainer im InterviewSteffen Baumgart: „Deshalb war ich mit meinem zweiten Jahr in Köln zufriedener“
Herr Baumgart, das Startprogramm des 1. FC Köln ist schwierig. Welche Bedeutung hatte vor diesem Hintergrund der Sieg im Pokal in Osnabrück?
Steffen Baumgart: Es war genau das Spiel, das wir erwartet hatten. Osnabrück hat stark gespielt. Am Ende haben wir uns verdient durchgesetzt. Und das zählt. Wenn wir jetzt in Dortmund spielen, glauben viele, dass sie den Ausgang des Spiels schon kennen. Wir glauben daran, dass wir ein anderes Ergebnis einfahren können. Wir können in Dortmund gewinnen. Wir wissen, dass wir ein Hammer-Programm zum Auftakt haben. Aber wir wissen auch, dass wir es mit unserer Intensität jedem Gegner schwermachen können
Sie gehen jetzt in Ihre dritte Saison beim FC. Haben Sie das Gefühl, dass der Verein und sein Umfeld ruhiger geworden sind?
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In Köln ist es immer emotional, die Ausschläge sind groß. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass die Aufregung sofort ins Negative schlägt oder schlagen könnte. Die Kölner vertrauen ihrer Mannschaft. Sie wissen, dass die Jungs immer Vollgas geben.
Erleichtert das Ihre Arbeit?
Mit dem Wissen, dass unsere Arbeit zwei Jahre lang funktioniert hat, geht vieles einfacher. Die Spieler, die schon länger hier sind, wissen, dass unser Plan funktioniert und wir Erfolg damit haben können. Diese Erfahrung geben sie auch an die Neuzugänge weiter. Wir können also auf einem Fundament aufbauen.
Sie haben kein konkretes Saisonziel ausgegeben…
Doch, wir haben Saisonziele ausgegeben. Das sind aber keine, die die Öffentlichkeit hören will. Erstes Ziel ist: Wir wollen die Bundesliga erhalten und so schnell wie möglich 40 Punkte sammeln. Ein weiteres ist, dass wir gar nicht erst in schwierige Situationen im Tabellenkeller geraten wollen. Und wir wollen unseren Weg weitergehen und Spieler weiterentwickeln – das wäre dann das nächste Ziel. Wir haben zwar keine Punktezahlen oder Tabellenplätze ausgegeben. Dennoch haben wir ganz viele Ziele – und die gehen wir Schritt für Schritt an.
Der zuletzt verpflichtete Rasmus Carstensen macht einen richtig guten Eindruck. War er nicht ausschließlich als Backup für Rechtsverteidiger Benno Schmitz angedacht, falls dem etwas passieren sollte?
Das haben wir nie so gesagt. Der Junge ist wirklich gut. Rasmus hat eine schlechte Saison in Genk hinter sich und kaum gespielt. Wir hatten ihn aber bereits vorher auf dem Schirm, und schon da hat er gezeigt, welche Fähigkeiten er mitbringt. Rasmus hat es bisher bei uns sehr gut gemacht und sein Talent gezeigt. Der nächste Schritt ist dann, das auf Bundesliga-Niveau abzurufen.
Der FC hat Carstensen und Luca Waldschmidt mit Kaufoptionen ausgeliehen und mit Leart Paqarada, Jacob Christensen, Philipp Pentke und Jonas Nickisch vier ablösefreie Spieler geholt. Nur für Jeff Chabot, dessen Kaufoption über 2,5 Millionen Euro gezogen wurde, hat der FC Ablöse gezahlt. Ist das clever oder zu defensiv gewirtschaftet?
Wir können uns nicht mit der finanzkräftigeren Konkurrenz vergleichen. Deshalb gehen wir unseren Weg. Wolfsburg hat jetzt Lovro Mayer für angeblich mehr als 25 Millionen Euro geholt. Die Bayern haben für Harry Kane über 100 Millionen Ablöse gezahlt. Davon sind wir meilenweit weg, mit solch einem Transfer finanzieren wir uns über mehrere Spielzeiten.
Der 1. FC Köln hat in Jonas Hector und Ellyes Skhiri zwei Führungsspieler verloren. Ist das zu kompensieren?
Die Situation ist für uns sportlich nicht ganz neu, im letzten Jahr gingen Anthony Modeste und Salih Özcan, im Jahr davor Sebastiaan Bornauw. Sie waren alle nicht eins zu eins ersetzbar. Die Spieler, die wir für diese Positionen geholt haben, interpretieren ihre Rolle auf ihre Art und Weise. Ein Beispiel: Leart Paqarada ist ein sehr talentierter Spieler, er geht jetzt den nächsten Schritt, er wird Bundesliga spielen. Wenn ich eine Prognose aufstellen dürfte: Leart wird uns im Spiel nach vorn einen Schritt besser machen, defensiv wird er Jonas mit seiner Erfahrung und Klasse nicht eins zu eins ersetzen können. Das wollen wir aber auch gar nicht.
Das Wort von Hector, Skhiri oder auch Timo Horn hatte in der Kabine Gewicht. Wie lässt sich das auffangen?
Sie haben in erster Linie durch Leistung und Persönlichkeit überzeugt. Wenn ich jetzt überall lese, dass wir Spieler verloren haben, die in der Kabine das Sagen hatten: Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber ich glaube nicht, dass Jonas, Ellyes oder auch Timo dafür bekannt waren, laut durch die Kabine zu marschieren und alle zu pushen. Das sind eher ruhigere Typen. Sie hatten diese gewisse Aura und waren wichtig in der Kabine. Aber die Hierarchie ist hier nicht komplett aus den Angeln gehoben.
Wir haben Sie als ehrgeizigen Trainer wahrgenommen, der mit einem Klub vorankommen will. Stellt es Sie zufrieden, stets improvisieren zu müssen?
Wir müssen uns weiterentwickeln, das ist das Wichtigste. Und das geht nur in der Bundesliga. Wir haben es nach dem Ende der Pandemie geschafft, finanziell wieder auf soliden Füßen zu stehen und aus den roten Zahlen herauszukommen. Und dieser Prozess geht weiter. Es bringt mir nichts, mich damit zu beschäftigen, dass Union Berlin Spieler wie Robin Gosens oder Kevin Volland verpflichtet. Union holt sich vielleicht auch das Geld von woanders her als wir. Die 50-plus-1-Regel wird in Deutschland doch schon lange auf vielen Wegen umgangen. Wir haben uns bewusst für einen anderen entschieden.
Kann sich der FC ohne externes Geld weiterentwickeln?
Ich glaube, es geht ohne Investoren, der SC Freiburg ist ein gutes Beispiel dafür. Dass man keine Investoren möchte, bedeutet ja nicht, dass man keine Leute findet, die über Sponsoring oder andere Partnerschaften dem Verein Geld zukommen lassen. Du darfst nur nicht zu allem nein sagen.
Diese Saison gehört aber offenbar noch zum Paket Konsolidierung.
Wir wären auch in der Lage, Spieler für gewisse Summen kaufen zu können. Aber es muss auch eine Notwendigkeit dafür bestehen. Wir müssen nicht um jeden Preis fünf, sechs oder sieben Millionen Euro Ablöse bezahlen. Wir haben Leihen mit Kaufoptionen getätigt, die wir im nächsten Jahr ziehen können. Und dann kommen wir womöglich in diesen Ablöse-Bereich. Wir machen unsere Ziele nicht von Transfersummen abhängig, sondern von der Entwicklung der Mannschaft. Deshalb war ich mit meinem zweiten Jahr beim FC auch zufriedener als mit meinem ersten – trotz eines schlechteren Tabellenplatzes. Wir mussten in der vergangenen Saison mit ganz anderen Umständen zurechtkommen als zuvor. Die Mannschaft ist mit vielen Widrigkeiten sehr gut umgegangen – und das stimmt mich positiv für die aktuelle Saison.
Lesen Sie hier den zweiten Teil unseres Interviews mit FC-Trainer Steffen Baumgart.