Der Trainer betont die Grundprinzipien seines Fußballs, das Spielsystem sei aus seiner Sicht eher nachrangig.
Erinnerungen an Aufstieg 2019Gerhard Struber will den 1. FC Köln ans Limit schicken
Erkenntnisse brechen offenbar in Zyklen über den 1. FC Köln herein, in diesen Wochen etwa wiederholt sich eine Geschichte, die sich sehr ähnlich im Jahr 2018 zutrug. Damals coachte Markus Anfang den FC nach einem Abstieg in die Zweite Liga. Der FC unter Geschäftsführer Armin Veh hatte sich einen gefährlich teuren Kader geleistet, um bloß direkt wieder aufzusteigen. Doch unter Markus Anfang sollte das System der Star sein und mit ihm vor allem sein Schöpfer Markus Anfang.
Köln spielte mit nur einer Spitze, und weil Simon Terodde gesetzt war, blieb etwa für Serhou Guirassy nur ein Platz auf der Bank – oder als Linksaußen. Es war spektakulär anzusehen, wie der hochtalentierte Stürmer, der in der vergangenen Saison den VfB Stuttgart zur Vizemeisterschaft schoss und der nun einer der Stars bei Borussia Dortmund ist, beim FC in der Zweiten Liga versagte, weil er seine Position nicht verstand.
Als Markus Anfang das System umstellte, stiegt der FC als Meister auf
Jhon Córdoba wiederum hatte in jenen Zeiten Schwierigkeiten, überhaupt auf Spielminuten zu kommen. Doch die Mannschaft war zu stark, um dauerhaft zu versagen. Köln punktete zuverlässig, leistete sich aber immer wieder Leistungsdellen, die das Vertrauen in die handelnden Personen erschütterten.
Nach zwei Pflichtspielpleiten in Folge soll Markus Anfang dann vor dem 13. Spieltag deutlich mitgeteilt worden sein, dass er seinen Job verlieren werde, sollte er es noch einmal wagen, nur einen Stürmer aufzustellen. Tatsächlich wechselte Köln daraufhin das System, stellte Córdoba neben Terodde auf und verteidigte mit Dreierkette. Und schlug Dynamo Dresden in Müngersdorf 8:1. Am Ende der Saison kamen Córdoba und Terodde auf gemeinsam 49 Tore, Köln stieg als Meister auf.
In der Saison 2024/25 hat der 1. FC Köln bereits nach zehn Spieltagen eingesehen, dass nicht Systeme Spiele gewinnen. Sondern Fußballer, jedenfalls in einer Zweiten Liga mit einem überlegenen Kader. Im Oberhaus mag das anders sein, dann muss jedes Rädchen ineinandergreifen und es braucht einen Außenseiterfußball wie zum Beispiel den des ehemaligen Kölner Trainers Steffen Baumgart, der versucht, den Gegner mit außerordentlicher Intensität zu ersticken, sei er noch so prominent besetzt.
Im Pokal gegen Kiel (3:0) und am Samstagabend bei Hertha BSC (1:0) landeten die Kölner im neuen 3-5-2-System kaum gefährdete Erfolge, die „uns Selbstvertrauen, Glauben und auch Hoffnung gegeben haben“, wie Gerhard Struber am Donnerstag sagte, zwei Tage vor dem Zweitligaspiel gegen die SpVgg Greuther-Fürth (Samstag, 13 Uhr). Den Systemwechsel wollte er nicht überbetonen. Viel wichtiger sei, dass die Intensität zurück sei im Kölner Spiel. „Die Liga hat uns gezeigt, wie weit man ans Limit gehen muss, um Punkte zu holen. Auch in Berlin waren wir alle am Anschlag. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen: Dass es Limit-Aktionen braucht, um Punkte mitzunehmen“, beschrieb der Österreicher.
Es gehe „um Intensität, um Leidenschaft, um die Basics. Und zwar unabhängig davon, in welchem System ich unterwegs bin. Diese Grundpfeiler sind sehr viel wichtiger als jedes System im Hintergrund“, erklärte Struber. Letztlich habe man nur einen weiteren Defensivspieler hinzugenommen. Allerdings bejahte Struber auch in diesem Zusammenhang, dass es eine Rolle spielt, wer dieser zusätzliche Verteidiger ist. „Wir haben einen Spieler dazu bekommen, der zusätzlich die Erfahrung von einigen Hundert Profispielen hat. Das macht auch noch etwas aus.“ Die Rede war von Dominique Heintz, der in Berlin nicht nur Tim Lemperles Siegtreffer vorbereitete. Der 31-Jährige lieferte insgesamt eine erwachsene Leistung ab.
Thomas Kessler war es ein Anliegen, der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass Struber nicht gegen Absprachen verstoßen habe. Zwar will man beim 1. FC Köln über alle Mannschaften hinweg eine einheitliche Spielidee implementieren und sein Personal nach den Erfordernissen dieser Idee ausbilden. Doch sei es jederzeit erlaubt, die Spielidee anzupassen. „Der Trainer hat alle Freiheiten. Es gibt Leitplanken, aber die wurden in diesem Fall nicht überschritten“, erklärte der Kölner Leiter Lizenz, und weiter: „Ich würde gern mit dem Mythos aufräumen, dass wir die Formation nicht verändern dürfen. Im Profifußball müssen wir flexibel sein, um auf Gegebenheiten reagieren zu können. Wenn der Trainer sich überlegt, mit einer Dreierkette zu spielen, ist es sein gutes Recht, das zu tun. Ich finde eher bemerkenswert, wie schnell er es mit seinem Team hinbekommen hat, diese Stabilität reinzubekommen.“
Struber wiederum betonte, in der Feinabstimmung des neuen Systems gehe es vor allem um Flexibilität, man wolle „fluide Übergänge“ habe zwischen den unterschiedlichen Formationen. Änderungen seien jederzeit möglich. „Die Dreierkette ist nicht in Stein gemeißelt. Wir müssen den Jungs etwas mitgeben, bei dem sie den Sinn spüren. Das heißt aber nicht, dass es am Wochenende nicht schon wieder ganz anders aussieht.“
Markus Anfang stand nach dem Systemwechsel und dem 8:1 gegen Dresden für den Rest der Saison nie mehr auf einem Nicht-Aufstiegsplatz. Und wurde dennoch nach vier sieglosen Spielen nach dem 31. Spieltag entlassen. Als Tabellenführer, woraufhin Interimstrainer Andre Pawlak zurück auf Viererkette stellte – und gegen Fürth den letzten nötigen Sieg holte. Auch damals galt also ganz am Ende, dass nicht das System den Aufstieg sichert. Sondern die Spieler.