Köln – Nicht nur Vereine in Not suchen im Winter nach torgefährlichen Offensivspielern. Tatsächlich wünscht sich jeder Trainer einen Fußballer in seinen Reihen, der zuverlässig das Tor trifft und das im besten Fall bereits auf höchstem Niveau unter Beweis gestellt hat. Daher hatte Horst Heldt eine schwierige Mission zu erfüllen. Denn abgesehen davon, dass der 1. FC Köln einen Spieler brauchte, den jeder will, musste der Sportchef mit leeren Taschen losziehen, um einen solchen zu besorgen.
Umso überraschender, dass der neue Mann schon am eigentlich freien Dienstag auf dem Trainingsplatz stand. Klar ist, dass man im Winter keinen in der Champions League erprobten Angreifer ohne Makel verpflichten kann, im Gegenteil gehörte es zum Suchprofil, einen Spieler in Schwierigkeiten zu finden. In der Regel bringen Winterzugänge Probleme mit zum neuen Verein, oft genug auch körperliche. Doch im Falle des Nigerianers Emmanuel Dennis, den der FC am Montag vom belgischen Meister FC Brügge verpflichtete, stehen zumindest die athletischen Qualitäten außer Frage. Der 23-Jährige hinterließ in der ersten Einheit in neuer Dienstkleidung einen wohltrainierten Eindruck.
Dennis ist der Prototyp eines Winterwechsels. Vor einem Jahr wäre einer wie er für einen Verein wie den 1. FC Köln außer Reichweite gewesen: Stammspieler bei einem belgischen Spitzenklub, der in der Champions League spielt. Jung, schnell, torgefährlich. Wenn ein solcher Mann wechselt, dann zu einem Verein aus dem oberen Drittel der Bundesliga – oder direkt in die Premier League.
Fehlverhalten dämpfte die Karriere
Doch der Transfermarkt im vergangenen Sommer war ein schwieriger für Spieler in Dennis’ Preisklasse. Die reichen Vereine gaben weiter ziemlich ungeniert das Geld aus, dann jedoch für die ganz großen Transfers. Der Rest des Transfersommers waren überwiegend Leihgeschäfte, Spieler wie Dennis mit einem Marktwert um 25 Millionen kein Kandidat für einen der ganz großen Klubs, wurden plötzlich nicht mehr gehandelt.
Dass er sich im November vor dem Champions-League-Spiel bei Borussia Dortmund weigerte, in den Mannschaftsbus zu steigen, weil sein angestammter Sitzplatz wegen der Hygienemaßnahmen nicht frei war, bedeutete dann einen schweren Schlag für seine Karriere – und eröffnete dem 1. FC Köln die Chance auf einen Spieler von Dennis’ Qualität. Brügge dominiert die belgische Liga, zuletzt hatten sich außerdem mehrere Nachwuchskräfte in der Offensive als zuverlässig erwiesen. Es fiel Trainer Philippe Clement nicht allzu schwer, Dennis nicht durchkommen zu lassen mit seinem Betragen.
Korrespondierende Interessen
Weil Brügge jedoch trotz großer finanzieller Möglichkeiten durch einen Investor kein Geld zu verschenken hat, entschied man sich nun, den Spieler in einer Top-Liga ins Schaufenster zu stellen, um bis zum nächsten Sommer dessen Marktwert womöglich wieder auf das alte Niveau zu hieven. Möglich ist das, dafür muss Dennis den 1. FC Köln nur vor dem Abstieg retten.Die Interessen von Spieler und beiden Vereinen passen also hervorragend zusammen, daher wird Dennis nun bis Mai 300 Kilometer weiter östlich trainieren. Nach einem zweiten negativen Corona-Test soll er am Mittwoch ins Mannschaftstraining eingegliedert werden. Damit stünde er schon am Sonntag (15.30 Uhr) im so wichtigen Duell mit Aufsteiger Arminia Bielefeld zur Verfügung.
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Viele seiner Tore sind auf Videoportalen anzuschauen. Dennis tritt da nicht gerade filigran auf, allerdings ist bemerkenswert, dass er oft aussieht, als werde er im Abseits angespielt – was vor allem dann daran liegt, dass er so extrem schnell ist. Dennis könnte also Ondrej Duda in die Situation versetzen, endlich jemanden zu haben, auf den der seine Passqualität anwenden kann.
In Brügge spielte Dennis entweder auf der rechten Offensivseite oder im Sturmzentrum, beide Positionen sind in Köln derzeit nicht besetzt, weil Zugang Sebastian Andersson verletzt, Anthony Modeste außer Form und Dimitris Limnios noch kein Bundesligaspieler ist – gleiches gilt für Dennis’ Landsmann Tolu Arokodare (20).
In die Bücher der Top-Klubs gespielt
Beim 0:3 in Hoffenheim am Sonntag stellte Markus Gisdol seine rechte Seite nach einer halben Stunde komplett um, nahm Ehizibue und Cestic vom Feld, beorderte Jorge Meré rechts in die Dreierkette und zog Marius Wolf eine Position zurück auf die rechte Bahn, obwohl Wolf zuletzt der Kölner war, der noch am meisten Torgefahr entwickelte. Dank Dennis kann Wolf nun weiterhin rechts spielen, zumindest ist das eine Hoffnung der Kölner.Diese Eigenschaften haben Dennis für den FC in diesem Winter zu einem außerordentlich interessanten Profi gemacht. „Emmanuel ist ein schneller Spieler, der im Sturmzentrum und auf den Außenbahnen zum Einsatz kommen kann. Mit seiner Abschlussqualität hat er sich in der letzten Saison in die Bücher zahlreicher Top-Klubs gespielt“, sagt Heldt.
Schnell, abschlussstark, auf hohem Niveau erprobt – einen solchen Spieler zu finden, ist schwierig genug. Einen zu finden, der zudem noch in eine derart prekäre Situation geraten ist, dass er für einen Verein wie den 1. FC Köln zu verpflichten ist – das war die größte Schwierigkeit.