Bayers EM-FahrerDarum vermisst Julian Baumgartlinger die Bender-Zwillinge
Leverkusen – Als Julian Baumgartlinger vergangene Woche in seiner österreichischen Heimat zum trainingslagernden Leverkusener Team stieß, sah er viel Ungewohntes. Während seiner Abwesenheit hatten sich Änderungen im Kreis der Trainer und Kollegen ergeben. „Es sind doch viele vertraute Gesichter weg. In der Mannschaft und um die Mannschaft herum hat sich viel getan. Im Trainerteam auch. Da muss man erst einmal ein Gefühl für die Gruppe bekommen, für die Abläufe“, sagt Baumgartlinger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „ich musste erstmal schauen, was man zum Essen anzieht, um ein banales Beispiel zu nennen.“
Inzwischen sind eine Trainingswoche und 45 Testminuten im Spiel gegen Freiburg (0:0) vergangen, aber manches vermisst der 33-Jährige immer noch. Die Bender-Zwillinge zum Beispiel, die ihre Karriere beendet haben. „Die beiden waren sehr spezielle Charaktere, auch außerhalb des Platzes. Sie gehörten zu einer aussterbenden Gattung von Fußballern, die sich so aufarbeiten und so professionell und fokussiert sind und nicht einfach eine Marke aus sich machen. Die in jedem Training und im Spiel alles geben und sich dann ärgern, nicht den entscheidenden Pass gespielt zu haben. Das gibt es nicht mehr so oft“, sagt Baumgartlinger und vermisst die Gefährten, die nicht wiederkommen. „Dass Lars und Sven rausgehen und am nächsten Tag da zwei Neue wie sie sitzen, das geht einfach nicht.“
Der Dinosaurier im Bayer-Kader
Julian Baumgartlinger erwähnt nicht, dass auch er ein Dinosaurier dieser Art ist. Trainer Gerardo Seoane wird schnell erkannt haben, dass der Erfahrene zu den Spielern gehört, die mit der Umschreibung geadelt werden, sie seien „wichtig für die Kabine“. Baumgartlinger will aber auch wichtig auf dem Platz sein. Dafür hat er nach seiner Kreuzbandverletzung vier Monate für ein Comeback geschuftet, das ihm mit Österreich die Teilnahme an der EM-Endrunde ermöglichte. „Ich bin so demütig, zu wissen, dass es nicht selbstverständlich war, innerhalb von vier Monaten zurückzukommen. Rückschläge kommen, aber ich kann mir vorstellen, innerhalb von drei, vier Wochen da hin zu kommen, wo ich war“, sagt Baumgartlinger, „die Idealvorstellung ist schon, dass ich Mitte August wieder dort bin von der Fitness und vom Selbstvertrauen, dass ich dem Trainer dann zumindest ein gutes Angebot machen kann.“
Die ungeklärte Situation im defensiven Mittelfeld der Leverkusener ist eine Chance für den Profi, der zum Zeitpunkt seiner Verletzung am 24. Januar im Heimspiel gegen Wolfsburg in der besten Form seit seinem Wechsel von Mainz nach Leverkusen im Sommer 2016 war. Gut möglich, dass Gerardo Seoane seinen österreichischen Haudegen bald brauchen wird, dessen auslaufender Vertrag unmittelbar nach der Verletzung um ein Jahr bis 2022 verlängert worden war.
Baumgartlinger ist neugierig auf Trainer Seoane
Julian Baumgartlinger hat das nicht als Gnadenakt für einen verdienten Spieler empfunden. „Ich denke schon, dass es auch ohne Verletzung hier für mich weitergegangen wäre“, sagt er und ist ziemlich gespannt auf die nächsten Tagen und Wochen unter dem sechsten sportlichen Vorgesetzten in seiner Leverkusener Zeit: „Wenn man den einen oder anderen Trainer miterlebt hat, in der Nationalmannschaft oder im Verein, dann hat man eine gewisse Neugier, was jetzt kommt. Ich jedenfalls habe das. Wie ist die Ansprache, wie sind die Videoanalysen, wie wird es beim Spiel sein, wie bereitet er das Spiel vor, wann sagt er die Aufstellungen? Da freue ich mich jetzt schon drauf.“
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Angst davor, sich nach seiner schweren Verletzung wieder zu verletzen, hat Julian Baumgartlinger jedenfalls nicht. „Tatsache ist: Du musst nur einmal mit dem Fuß zur falschen Zeit am falschen Ort sein und bist vier Monate in der Reha. Aber wenn es verheilt ist, geht alles wieder weg. Das ist ja das Verrückte, dass man dann irgendwann wieder seinen Fuß und sein Knie hinhält, als wäre nie etwas passiert. Und das ist gut so.“