Seit 2013 hat der Werksklub einen beträchtlichen Transferüberschuss hervorgebracht. Doch Bayer 04 hat mit Transfers auch Geld verbrannt.
Zweitteuerster Abgang der KlubgeschichteDiaby-Verkauf passt in profitable Transferpolitik von Bayer 04
In den vergangenen zehn Jahren gab es reichlich Beispiele von eklatanter Misswirtschaft bei vormals erfolgreichen deutschen Fußballklubs. Allen voran sind Traditionsvereine wie der FC Schalke 04, der Hamburger SV oder zuletzt Hertha BSC zu nennen. Wie es anders gehen kann, zeigt hingegen Bayer 04 Leverkusen seit Jahren. Nun steht der Verkauf von Moussa Diaby kurz vor dem Abschluss – sportlich sicher ein großer Verlust, finanziell aber der nächste gute Deal.
Bayer 04: Mehr als 210 Millionen Euro Transferüberschuss
Einige mögen jetzt anführen, dass der Klub aber ja auch vom Bayer-Werk finanziell unterstützt werde und dadurch einen entscheidenden Vorteil habe. Der Einwand hat sicher seine Berechtigung. Die 25 Millionen Euro, die die AG jährlich der Fußball GmbH zuschießt, sind ein nicht zu vernachlässigender Bonus gegenüber anderen Vereinen. Bayer 04 hat es im Gegensatz zu anderen Klubs allerdings verstanden, das Geld meist klug einzusetzen und durch kluge Transfers, Einnahmen zu erwirtschaften.
Seit 2013, also in einer Zeitspanne von zehn Jahren, hat der Werksklub mit seinen Top-10-Verkäufen mehr als 210 Millionen Euro Transferüberschuss gemacht. Und dabei ist der bevorstehende zweitteuerste Verkauf der Klubgeschichte noch nicht einmal eingerechnet: Moussa Diaby steht nach Informationen dieser Redaktion unmittelbar vor einem Wechsel von Leverkusen nach England.
Moussa Diaby könnte bis zu 60 Millionen Euro kosten
Aston Villa, das mit Trainer Unai Emery in den kommenden Jahren den Angriff auf die Top-5-Vereine der Premiere League wagen will, ist bereit, mehr als 50 Millionen Euro fixe Ablöse für den 24 Jahre alten französischen Flügelflitzer auf den Tisch zu legen. Durch verschiedene Klauseln kann der Betrag am Ende sogar auf bis zu 60 Millionen Euro anwachsen.
Diaby war im Sommer 2019 für rund 15 Millionen Euro von seinem Jugendklub Paris St. Germain zur Werkself gestoßen. Durch den anstehenden Wechsel nach Birmingham wächst der Bayer-04-Transferüberschuss bei den Top-10-Verkäufen der vergangenen zehn Jahre also auf fast eine Viertel-Milliarde Euro an.
Top-10-Abgänge nach Ablösesumme (Quelle: Transfermarkt.de)
- 80 Millionen Euro - Kai Havertz: 2020 zum FC Chelsea - kam aus der eigenen Jugend
- 32 Millionen Euro - Leon Bailey: 2021 zu Aston Villa - gekauft für rund 17 Milionen von KRC Genk
- 30 Millionen Euro - Heung-min Son: 2015 zu Tottenham - gekauft für 12,5 Millionen Euro vom Hamburger SV
- 25 Millionen Euro - Julian Brandt: 2019 zu Borussia Dortmund - gekauft für 500.000 Euro vom VfL Wolfsburg
- 25 Millionen Euro - Bernd Leno: 2018 zu FC Arsenal - gekauft für 8 Millionen Euro vom VfB Stuttgart
- 23,3 Millionen Euro - Hakan Calhanoglu: 2017 zu AC Mailand - gekauft für 15,5 Millionen Euro vom Hamburger SV
- 22 Millionen Euro - André Schürrle: 2013 zu FC Chelsea - gekauft für 14 Millionen Euro vom FSV Mainz 05
- 20 Millionen Euro - Kevin Kampl: 2017 zu RB Leipzig - kam für 11 Millionen Euro von Borussia Dortmund
- 20 Millionen Euro - Benjamin Henrichs: 2018 zu AS Monaco - kam aus der eigenen Jugend
- 17,8 Millionen Euro - Chicharito: 2017 zu West Ham United - kam für 12 Millionen Euro von Manchester United
Leverkusen Fehleinkäufe
Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings, dass diese Summe keinen Reingewinn darstellt. Schließlich haben die Leverkusener durchaus auch Geld mit Transfers verbrannt. Mit Aleksandar Dragovic und Panagiotis Retsos machte Bayer 04 hohe Millionenverluste. Paulinho, der 2018 für mehr als 18 Millionen Euro vom brasilianischen Klub Vasco da Gama kam, verließ den Klub nun ablösefrei. Der abwanderungswillige Kerem Demirbay ist mit 32 Millionen Euro Top-Einkauf der Vereinsgeschichte und wird diesen Betrag in diesem Sommer gewiss nicht annähernd wieder reinholen. Gleiches gilt wohl auch für Nadiem Amiri, der für neun Millionen Euro verpflichtet wurde.
Dennoch haben die Leverkusener mit ihren Transfers einen insgesamt mehr als ordentlichen Überschuss erwirtschaftet, woran vor allem der gewinnbringendste Verkauf der Klubgeschichte, Kai Havertz für mehr als 80 Millionen Euro zum FC Chelsea, einen großen Anteil hat, da er aus der eigenen Jugend kam und keine Ablöse kostete. Ähnlich profitabel dürfte deshalb auch ein Wechsel von Florian Wirtz werden, der Bayer 04 immerhin noch eine Spielzeit erhalten bleiben wird. Was danach passiert, ist völlig offen. Für Wirtz hatten die Leverkusener im Januar 2020 gerade mal 200.000 Euro an den 1. FC Köln überwiesen. Jetzt wird der Marktwert des 20-Jährigen auf 85 Millionen Euro geschätzt.
Für Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes liegen die Prioritäten jetzt aber ohnehin erstmal woanders. Es gilt, Teile der Diaby-Ablöse in weitere Zugänge zu investieren. Durch den französischen Nationalspieler geht der Werkself Tempo verloren. Zumal auch ein Abgang des ebenfalls pfeilschnellen Jeremie Frimpong noch nicht vom Tisch ist. Spieler mit Antritt und Endgeschwindigkeit werden also gesucht. Zudem ist der Kader insgesamt noch nicht tief genug. Es braucht auf einigen Positionen noch mehr Konkurrenzkampf und Qualität aus der zweiten Reihe.
Niclas Füllkrug weiter Thema bei Bayer 04 Leverkusen
Priorität bei den Leverkusener hat derzeit die Suche nach einem patenten Ersatz für Stoßstürmer Patrik Schick, der nach einer Adduktoren-OP noch mindestens bis Oktober ausfallen wird. Neben Nationalstürmer Niclas Füllkrug (Werder Bremen) steht auch der bullige Victor Boniface auf der Kandidatenliste. Bei den Europa-League-Duellen gegen Bayer 04 und Union Berlin in der Vorsaison hat der Angreifer von Royale Union Saint-Gilloise überzeugt.
Geht es nach der Philosophie der Leverkusener der vergangenen zehn Jahre dürfte Boniface die Nase im Duell mit Füllkrug vorne haben. Schließlich ist mit einem 22-Jährigen in der Zukunft sicher mehr Profit zu erwirtschaften als mit einem 30-Jährigen.
Wie die „Bild“ berichtet, könnte Boniface sogar schon ins Trainingslager nach Saalfelden, das am Sonntag beginnt, mitkommen. Spieler und Verein sollen sich bereits einig sein. Als Ablösesumme sind rund 20 Millionen Euro im Gespräch.