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Bayer 04Nadiem Amiris emotionaler Weg vom Aussortierten zur Stammkraft

Lesezeit 3 Minuten
Torjubel von Bayer 04 Leverkusens Nadiem Amiri in Köln

Nadiem Amiri (unten) und Mitchel Bakker schreien ihre Freude über den Ausgleichstreffer in Köln heraus.

Hinter Nadiem Amiri liegen ereignisreiche Monate in Leverkusen. Zunächst wurde er Mittelfeldspieler aussortiert und verliehen. Bei Gerardo Seoane war er unerwünscht, kehrte dennoch zurück. Unter Xabi Alonso blüht Amiri nun auf.

Für einige Verantwortliche des 1. FC Köln war es nur „ein Spiel gegen eine Mannschaft aus der Nachbarschaft“ (Lizenzspielerchef Thomas Kessler). Bei Bayer 04 ist die Sprachregelung eine andere. Die Werkself ist seit Mittwochabend Derbysieger. Dabei sah das Leverkusener Spiel fast eine Stunde eher aus wie ein Hobbykick, es fehlten fast alle elementaren Merkmale von erfolgreichem Fußball. Dann allerdings wurde Nadiem Amiri eingewechselt – und das Duell nahm eine Wende.

Der 26-Jährige glänzte nicht nur durch sein Tor, sondern verbreitete auch durch Laufstärke und Sehnsucht nach Zweikämpfen als einer von wenigen Leverkusenern genau die Körpersprache, die man in einem Derby erwarten kann. Sein Tor feierte Amiri ausgelassen vor der eigenen Kurve, in vielen weiteren Szenen suchte er die Provokation und gestikulierte in Richtung Kölner Fans. „Wir wurden beim Warmmachen genug beleidigt. Dann kann man auch mal etwas zurückgeben“, sagte Amiri nach dem Sieg mit einem Grinsen.

Bei Gerardo Seoane hatte Nadiem Amiri keine Chance

„Ich habe keine Worte dafür, wie es mir gerade geht. So etwas habe ich noch nie erlebt: tot zu sein, und sich so zurückzuarbeiten. Dieses Gefühl, das ich gerade habe, ist unbeschreiblich“, sagte der Derby-Torschütze. „Vor einem Jahr saß ich zuhause und habe geheult. Das sind Sachen, die sieht ja keiner. Mein Vater hat gerade auf der Tribüne geweint.“

Dass sich der Ex-Nationalspieler zu einem entscheidenden Faktor beim Leverkusener Kampf aus dem Tabellenkeller mausern könnte, war vor wenigen Monaten kaum zu erwarten gewesen. Im Sommer war Amiri nach einem glücklosen Leihgeschäft zum CFC Genua ins Rheinland zurückgekehrt. In Italien hatte er den Abstieg des Klubs aus Ligurien nicht verhindern können, ein fester Wechsel kam deshalb nicht zustande.

In den Planungen des damaligen Bayer-Trainers Gerardo Seoane spielte Amiri allerdings keine Rolle mehr. „Es war hoffnungslos“, so Amiri. „Ich war der Einzige, der keine Chance bekommen hat.“ Zu selten hatte der U-21-Europameister von 2017 sein Können seit dem Wechsel aus Hoffenheim nach Leverkusen 2019 unter Beweis stellen können. Und auch bei den Fans hatte Amiri einen schweren Stand. Doch der gebürtige Ludwigshafener entschied sich – wohl auch, weil passende Angebote fehlten – für den Verbleib in Leverkusen.

Lob von Lukas Hradecky und Robert Andrich

„Ich bin großgezogen worden von meinen Eltern als Kämpfer. Ich bin zurückgekommen, um mich durchzubeißen“, sagte Amiri. „Und nicht, um einfach nur da zu sein. Das ist mir durch den Trainerwechsel bislang auch ganz gut gelungen.“

Tatsächlich darf sich der Offensivspieler als einer der größten Profiteure der Entlassung von Seoane sehen. Denn Nachfolger Xabi Alonso hatte alle Uhren mit Blick auf die tiefe Krise auf null gesetzt. Amiri nutzte die Chance, die der spanische Coach ihm bot.

Lob gab es auf von den Teamkollegen. „Man muss die richtige Lebenseinstellung haben. Wenn man sich durch harte Zeiten kämpft, egal, wie man aufgewachsen ist oder man erzogen wurde. Diese Werte brauchen wir in der Kabine, in der Hinrunde hatten wir bislang zu wenig davon“, sagte Leverkusens Kapitän Lukas Hradecky. Robert Andrich lobte die Einstellung des Jokers Amiri: „Wenn dann solche Raketen reinkommen, können die schon den Unterschied machen.“