Leverkusen – Die erste Einheit eines neuen Trainers bietet oft Überraschungen, für den Coach, die Spieler und Beobachter. Für die Profis ist es wie am ersten Tag an einer neuen Schule: Die inhaltlichen Schwerpunkte ändern sich im Vergleich zum bislang Bekannten, auch die Ansprache unterscheidet sich. Hannes Wolf, Bayer 04 Leverkusens neuer Fußballlehrer, hatte am Mittwoch seinen ersten Einsatz beim kriselnden Bundesligisten. Um 10.30 Uhr legten der 39-Jährige und sein Team los. Neben Klub-Ikone Peter Hermann wird Wolf von Miguel Moreira unterstützt. Der 37-Jährige kommt von Dortmunds U17 und ist ein Vertrauter Wolfs – beide kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in Stuttgart und Genk.
Eine große Stärke Moreiras wurde bereits nach wenigen Augenblicken auf dem Rasen deutlich: Er spricht Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Englisch fließend. So konnte Wolf seine neuen Trainingsformen und viele Ratschläge verständlich an alle Profis vermitteln. Im multikulturellen Kader von Bayer 04 gestaltet sich das nicht immer ganz unkompliziert. Mit viel Energie und Leidenschaft erklärte Wolf seine Vorstellungen zunächst auf Deutsch. Dann nahm er sich Jeremie Frimpong und Demarai Gray – die beiden Winter-Zugänge aus der Premier League – beiseite, und übersetzte das Gesagte ins Englische. Parallel scharrte sich Leverkusens Südamerika-Fraktion um den neuen Co-Trainer Moreira und ließ sich auf Spanisch und Portugiesisch instruieren.
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In Abwesenheit der Nationalspieler sowie der Langzeitverletzten hatte Wolf 18 Feldspieler und drei Torhüter versammelt, darunter insgesamt sechs A-Junioren. Paulinho und Lukas Hradecky trainierten individuell, Sven Bender und Leon Bailey absolvierten große Teile der Einheit mit der Mannschaft. Mit Ausnahme des Brasilianers, dessen Rückstand nach seinem Kreuzbandriss noch zu groß ist, sind sie bis zum Heimspiel am 3. April gegen Schalke 04 wohl einsatzbereit. Hinter Lars Bender (Meniskus-OP) steht hingegen noch ein Fragezeichen.
Wolf fordert mehr Präzision im Passspiel
Die zentralen Themen des neuen Trainers waren Geschwindigkeit und Präzision des Passspiels. „Wir haben so viel Tempo in der Mannschaft. Aber wir müssen es auch einsetzen. Das geht nur mit genauen Pässen, das ist der absolute Schlüssel“, sagte Wolf, nachdem er eine Spielform wegen wiederholter Fehlpässe unterbrochen hatte. Für Ex-Trainer Peter Bosz waren Ballbesitz und Spielkontrolle elementar. Als die Werkself in der Hinrunde vor Selbstvertrauen nur so strotzte, führte das zu herausragenden Auftritten und Ergebnissen. Als sich in den letzten Wochen die Verunsicherung breit machte, lähmte der viele Ballbesitz das Spiel von Bayer 04. Schnelle Kombinationen gab es kaum noch, das Tempo der Flügelstürmer wurde nur noch selten sinnvoll genutzt. Für Wolf liegt genau darauf der Fokus – was für eine Abkehr des Strebens nach viel Ballbesitz spricht. „Wir müssen die Spieler dazu bringen, dass sie wieder mit Kraft, Spielfreude und Leichtigkeit dabei sind. Und wir brauchen eine gute Positionierung und Abstimmung auf dem Feld“, hatte Wolf am Dienstag betont.
„Trainer des Jahres 2017“
Für den zunächst bis zum Sommer vom DFB ausgeliehenen Wolf ist der Acht-Spiele-Job in Leverkusen das erste Bundesliga-Engagement bei einem Topklub. 2009 hatte der gebürtige Bochumer in der Dortmunder Nachwuchsabteilung seine erste Anstellung als Trainer. Bis 2016 betreute Wolf erfolgreich im Wechsel die Reserve, die U19 und die U17: Er holte 2014 sowie 2015 die B-Jugend-Meisterschaft und 2016 den Titel der A-Junioren. Im Herbst 2016 verpflichtete der frisch in die 2. Bundesliga abgestiegene VfB Stuttgart das Trainer-Talent. Und Wolf führte die Schwaben zum direkten Wiederaufstieg. Nach einem guten Beginn im Oberhaus verließ Wolf und den VfB das Glück, im Januar 2018 wurde er entlassen. Als arbeitsloser Coach wurde Wolf vom DFB zum „Trainer des Jahres 2017“ gekürt, in Anerkennung für seine Erfolge in der BVB-Jugend und beim VfB. „Ich bin davon überzeugt, dass Wolf am Beginn einer sehr erfolgreichen Trainerkarriere steht“, hatte der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel gesagt.
Beim Hamburger SV gescheitert
Im Sommer 2018 wechselte der smarte Wolf aber zunächst Seiten und wurde TV-Experte der ARD für die WM in Russland. Anschließend sollte er das in Stuttgart gezeigte Aufstiegs-Kunststück beim Hamburger SV wiederholen, scheiterte 2019 aber und wurde gefeuert. Nach zehn durchwachsenen Monaten beim belgischen Klub Genk ging es für Wolf in die Jugendabteilung des DFB, zurück zu seinen erfolgreichen Wurzeln.
Ein Spiel des U-18-Nachwuchses betreute er aufgrund der Pandemie nicht, weshalb Wolf nun Bayer 04 als kurzfristige Lösung zur Verfügung stand. „Wir verfolgen seinen Weg schon lange. Er bringt viel Energie mit und ist ein absoluter Fachmann“, sagte Simon Rolfes. Am Mittwoch machte sich der Sportdirektor selbst ein Bild der ersten Einheit, auch Fernando Carro war gekommen. Sehr engagiert und temporeich habe es gewirkt, urteilte der Geschäftsführer nach dem ersten Arbeitstag des neuen Fußballlehrers.