Eine gewisse Sorglosigkeit entschied das Spiel für Leipzig und beendete die Rekordserie von Bayer 04 Leverkusen. Es ist aber auch eine Chance, meint unser Autor.
Bayer 04Eine Niederlage als Lehrstunde und Chance
Wenn eine Mannschaft nach mehr als 15 Monaten und 43 Partien im deutschen Profifußball mal wieder verliert, sollte die Kritik etwas sparsamer ausfallen. Bayer 04 Leverkusen war während dieser Rekordserie mehrmals knapp davor, ein Spiel zu verlieren. In einigen Fällen wäre es wohl verdienter gewesen, als am Samstag gegen Leipzig. Bayer 04 hatte zuvor in den drei Pflichtspielen in dieser Saison sein Glück bereits herausgefordert, bestraft wurde die Elf von Trainer Xabi Alonso aber nie. In dieser Hinsicht ist das 2:3 im Topspiel eine gute Lehrstunde. Es waren vielmehr sieben Lehrminuten – die Zeit zwischen dem 2:0 und dem Treffer zum 1:2 kurz vor der Halbzeitpause waren von entscheidender Bedeutung bei dieser Niederlage.
In dieser kurzen Phase verweigerte die Mannschaft ihrem Trainer den Gehorsam. Alonso versuchte in seiner Coaching-Zone – und auch über deren Grenzen hinaus – alles, um seinem Team die Bedeutung zu vermitteln, die eine 2:0-Führung zur Pause hätte. Doch seine Spieler waren nach dem fantastisch herausgespielten Treffer von Grimaldo im Offensivrausch, drängten auf das 3:0 und benutzten dabei gerne mal die Hacke oder versuchten den Gegner mit einer Portion Lässigkeit zu düpieren.
In dieser Gemengelage änderte sich auch das Defensiverhalten nach Ballverlust. Diese Sorglosigkeit spielte die entscheidende Rolle beim 1:2 quasi mit Pausenpfiff. Für Alonso war diese Laissez-Faire-Haltung seiner Mannschaft „der große Unterschied“ in der Partie. Er sagt zudem, man müsse „von den großen Fehlern“ lernen. Plural. Denn der nächste große Fehler war es, in der zweiten Halbzeit mit Ball zu hektisch und ohne Ball erneut zu passiv zu agieren. Das Wort Arroganz wollte keiner in den Mund nehmen, es wäre auch fehl am Platz gewesen. Dennoch gilt für Bayer 04 die alte Fußballerweisheit, dass es ohne die Grundtugenden nicht geht. Egal, wie groß die fußballerische Qualität sein mag.
Die Invicibles sind Geschichte
Sieben Gegentore in vier Pflichtspielen – in der vergangenen Saison kassierte Leverkusen den siebten Gegentreffer erst am achten Spieltag. Das Defensivverhalten wird auf Alonsos Trainingsplan samt Videostudium oben stehen, allerdings fehlen ihm durch die Länderspielpause nahezu alle wichtigen Akteure. Die Arbeit kann erst kurz vor dem Spiel bei 1899 Hoffenheim am übernächsten Wochenende beginnen. Alonso und alle Verantwortlichen drängen seit dem ersten Trainingstag der neuen Saison darauf, den Gewinn der Meisterschaft und des Pokals wertzuschätzen, ihn aber abzuhaken und nach vorne zu schauen. Diese Niederlage wird dabei helfen. Die Invincibles – die Unbesiegbaren – sind Geschichte. Als Alonso darauf hinwies, lächelte er. Als ob es ihm in die Karten spielen würde, er es als Chance sehen würde.
Gut für die Werkself: Sie hat genügend Führungsspieler in ihren Reihen – von Lukas Hradecky über Jonathan Tah, Robert Andrich und Granit Xhaka bis Florian Wirtz. Es ist davon auszugehen, dass Alonso nur kleine Impulse geben muss, damit sich leichte Selbstreinigunsprozesse in Gang setzen. Die Spieler wissen selbst am besten, was es braucht, um die Wahrscheinlichkeit auf Siege zu erhöhen. Leipzig hat gezeigt, wie Bayer 04 zu knacken ist, wenn es selbst nicht bereit ist, in allen Bereichen an die Leistungsgrenze zu gehen. Neben den Topspielen in der Bundesliga warten auf Leverkusen nun auch internationale Aushängeschilder in der Champions League wie Inter und AC Mailand, Atlético Madrid oder der FC Liverpool. Auch da wird jede Form der Sorglosigkeit gnadenlos bestraft.