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Wachstum in allen BereichenSo will Bayer 04 den Hype der Doublesaison nutzen

Lesezeit 5 Minuten
Trainer Xabi Alonso von Bayer Leverkusen bei den Meisterfeierlichkeiten 2024.

Trainer Xabi Alonso von Bayer Leverkusen bei den Meisterfeierlichkeiten 2024.

Die Doublesaison katapultierte Bayer 04 Leverkusen ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Nun gilt es, diesen kurzfristigen Boom in nachhaltige Begeisterung für den Verein umzuwandeln.

Vor etwas mehr als zwei Wochen gastierte Bayer 04 Leverkusen in Donaueschingen. Im beschaulichen Schwarzwald bereitete sich der Meister und Pokalsieger auf die neue Saison vor. Das weckte das Interesse der Bewohner sämtlicher Gemeinden im Umland. So kamen täglich rund 800 Fans zum Sportplatz des SV Aasen, um Xabi Alonso, Florian Wirtz oder Robert Andrich zu sehen. Die kleine Anlage am Rande der 22 000-Einwohner-Stadt war allerdings nicht wirklich für diesen Ansturm ausgelegt, schließlich wurde es zu einem großen Gedränge in einem mit Zäunen abgesperrten Bereich am Rande des Rasens. „Das müssen wir wohl noch lernen“, sagte ein Vereinsmitarbeiter. Dass Bayer 04 Leverkusen plötzlich in Deutschland und auch über die Grenzen hinaus für Aufsehen sorgt, daran muss man sich sogar noch bei Bayer 04 selbst gewöhnen.

„Ich kann mich erinnern, als ich angefangen habe, wurde mir gesagt, dass die Fans ein Spiel in der Arena zur Saisoneröffnung wollen“, sagt Fernando Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Bayer 04, „dann haben wir eines gemacht und es wurde nicht so gut besucht. Also habe ich gesagt: Warum sollen wir denn überhaupt ein Spiel machen, wenn da kein Schwein kommt. Aber jetzt ist es anders, jetzt macht es natürlich Spaß.“ Knapp 30 000 Zuschauer kamen am vergangenen Samstag zum letzten Testspiel vor der Saison gegen Real Betis Sevilla. Es ist noch nicht allzu lange her, da war es schwer bis unmöglich, solche Besucherzahlen für Pflichtspiele in Leverkusen zu erreichen – besonders bei Europapokalspielen unter der Woche.

Doch Erfolg und guter Fußball machen eben sexy. Das erkannten die Anhänger bereits in der Saison vor dem Doublegewinn, das Stadion füllte sich immer mehr. In der vergangenen Spielzeit war dann der Heimbereich der 30 210 Zuschauer fassenden Bay-Arena bei allen Heimspielen ausverkauft. „Als wir in der Europa League 2022/2023 bis ins Halbfinale gegen Rom gekommen sind, da haben viele Blut geleckt. Da hat sich schon einiges entwickelt – und vergangene Saison ist es explodiert“, sagt Carro. Weitere Kennzahlen unterstreichen das gesteigerte Interesse an der vielerorts belächelten Werkself. 2022/2023 hatten die Leverkusener noch 34251 Mitglieder. Zwei Jahre später sind es mehr als 62000.

Vierfache Nachfrage nach Heimtrikot

Das Meister-T-Shirt war der erfolgreichste Fanartikel der Bayer 04-Historie. Das neue Heimtrikot 2024/25 übertraf beim Verkaufsstart im Juni die Zahlen des Heimtrikots von 2023/24 um das Vierfache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Selbst in Köln trauen sich nun mehr Menschen mit Leverkusen-Shirts auf die Straße – besonders beim jungen Publikum. Das unterstreichen auch die Zahlen in den Sozialen Medien. 16,8 Millionen Follower hat der Verein aktuell bei seinen Internetpräsenzen. Damit stieg die Anzahl im Vergleich zu 2022/2023 um 6,2 Millionen (ein Wachstum von 65 Prozent). Bei den Interaktionen der Follower gab es gar eine Steigerung von 345 Prozent.

Beim Dauerkartenverkauf für die kommende Runde machte der Klub bei 21 400 Abonnements Schluss. Auf der zur laufenden Saison eingeführten Dauerkarten-Warteliste wurden mehr als 13 500 Dauerkarten-Wünsche platziert. „Das ist natürlich eine Sache, die ich mir vor sechs Jahren, als ich angefangen habe, gar nicht vorstellen konnte. Aber wir haben auch da gute Arbeit in diesen Jahren gemacht, und der sportliche Erfolg gibt uns natürlich einen Riesen-Rückenwind“, erklärt Carro, der in der jüngeren Vergangenheit deshalb bereits anregte, die Bay-Arena zu vergrößern. „Das Stadion ist im Prinzip zu klein geworden“, sagt der Spanier und ließ eine Erweiterung um 4000 bis 8000 Plätze im Bereich der Südtribüne prüfen. „Das ist sehr schwierig. Mir ist schon gesagt worden, dass die Chancen gering sind“, betont Carro und fügt an: „Dazu kommt, dass selbst bei theoretischer Machbarkeit die wirtschaftliche Belastung sehr hoch sein würde. Wir schauen uns das genau an, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.“

Alonso berichtet, dass der Hype wirklich keine Grenzen kennt: „Ich habe es, gesehen, als ich in den Urlaub gefahren bin: Jeder kannte Bayer Leverkusen. Ich war auf den Seychellen, und jeder wusste über die Saison Bescheid, was passiert war. Das macht den Verein, die Marke noch größer.“ Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass in Donaueschingen viele Besucher mit Nationalmannschaftstrikots mit den Namen Wirtz und Andrich kamen, nicht in dem Shirt mit dem Bayer-Kreuz auf der Brust. Andere wollten unbedingt einmal Xabi Alonso aus nächster Nähe sehen.

Das steht exemplarisch für den Hype um Bayer 04. Das Interesse wird neben dem mannschaftlichen Erfolg vor allem an den schillernden Personen festgemacht. Doch was passiert, wenn Alonso und Wirtz eines nicht so fernen Tages nicht mehr da sind? Für den Klub geht es nun darum, den kurzfristigen Boom zum nachhaltigen Interesse an Bayer 04 Leverkusen umzuwandeln. „Wir gucken ein bisschen, was bei Werder Bremen nach der Doublesaison 2004 passiert ist“, betont Carro. „Simon Rolfes, der das damals als Spieler miterlebt hat, und ein paar andere erzählen mir, dass es in Bremen dann auch ein nachhaltiger Erfolg war. Wir sind uns bewusst, dass es derzeit sehr viel ist, dass es ein auch ein Hype ist, aber die Dauerkarten-Warteliste spricht ja auch dafür, dass es so bleiben kann.“

Auch am Samstagabend beim Duell um den Supercup gegen Vizemeister VfB Stuttgart (20.30 Uhr/Sat.1) ist die Bay-Arena ausverkauft. Die aktiven Fanszenen beider Vereine werden allerdings auf einen Besuch des Spiels verzichten, wie zahlreiche Fanszenen anderer Klubs in den Jahren zuvor auch. Die Ultras kritisieren den Supercup als ein kommerzialisiertes Freundschaftsspiel, das die erste Runde im DFB-Pokals torpediert und für ein weiteres Spiel unter der Woche sorgt. „Wir brauchen eine gute Stimmung. Wir brauchen trotzdem ein lautes Stadion“, sagt Xabi Alonso. „Alle Leute können singen. Wenn das passiert, haben wir mehr Kraft, mehr Energie. Wir brauchen das.“ Generell will der Coach die Steigerung des Interesses an dem Klub nutzen, um auch in der kommenden Spielzeit „einen positiven Weg“ einzuschlagen.