Bayer 04 Leverkusen lässt sich in der Champions League von den Spielchen von Atlético Madrid irritieren und verliert 1:2. Nun steht die Werkself unter Druck.
„War ein guter Unterricht“Bayer 04 hadert mit seiner Reaktion auf Atléticos Provokationen
Es waren knapp 90 Minuten gespielt, als Julian Alvarez Bayers Torhüter Matej Kovar umkurvte und zum 2:1 einschob. Die Szenen danach hat man – zumindest gefühlt - schon so oft gesehen. Das Estadio Metropolitano wurde von einem brachial lauten „Gol“ aus knapp 70.000 Kehlen erfüllt und Atlético-Trainer Diego Simeone sprintete in seinem schwarzen Anzug mit den schwarzen Lackschuhen etwas ungelenk über den Rasen zur feiernden Spielertraube vor der Atléti-Kurve.
Bayer 04 Leverkusen war somit ganz offiziell das nächste Opfer der an der Grenze zum Zumutbaren spielenden Madrilenen - und muss nun um die direkte Qualifikation fürs Achtelfinale in der Champions League fürchten. „Es ist ja in der Halbzeitpause klar gewesen, dass Atlético versuchen wird, mit dem Stadion, mit ihren Mitteln, wie sie spielen, das Spiel zu unterbrechen, unruhig zu gestalten, gelbe Karten zu ziehen“, sagte Leverkusens Sportgeschäftsführer Simon Rolfes, der sich seinen 43. Geburtstag anders vorgestellt hatte.
Dabei sah vor allem in den ersten 30 Minuten alles so gut aus für den Deutschen Meister. Bayer 04 hatte die komplette Spielkontrolle und kam im Verlauf der Partie auch zu guten Torchancen samt Abseitstor. Zudem schwächte sich das Heimteam durch die Rote Karte von Pablo Barrios nach brutalem Tackling gegen Nordi Mukiele selbst. Leverkusen blieb ruhig, bespielte das nun noch tiefer verteidigende Atlético-Team und nutzte dann auch den viel zitierten psychologisch perfekten Moment kurz vor dem Halbzeitpfiff, um in Führung zu gehen. Piero Hincapie köpfte eine Flanke Mukieles gegen die Laufrichtung von Torhüter Jan Oblak ins Tor.
Jonathan Tah ärgert sich über Grätsche
„Wir haben dann in der Halbzeit darüber gesprochen, dass wir ein cooles Mindset brauchen, aber das 1:1 kam einfach zu früh“, sagte Bayers Coach Xabi Alonso. Leverkusen ließ sich nach Ballverlust im gegnerischen Strafraum durch einen einzigen langen Ball düpieren. Jonathan Tah ging ins Laufduell mit Julian Alvarez, war auch eher am Ball, klärte aber per Grätsche genau in den Lauf des argentinischen Nationalspielers. „Ich muss nicht runtergehen. So bringe ich mich raus aus der Situation. Meine Idee war, runterzugehen und den Ball nach oben zu klären. Das habe ich geschafft, aber nicht so hoch, dass er den Ball nicht mehr mitnehmen kann. Dann ist er schnell, dann kann kein anderer ihn einholen“, erklärte Tah.
Für alle Protagonisten war das 1:1 der Knackpunkt in diesem Spiel. „Dieses Tor hat alles geändert“, sagte Alonso. „Danach war der emotionale Teil des Spiels größer als der fußballerische. Es wurde zu verrückt. Wir konnten das Spiel nicht mehr kontrollieren. Es war wieder ein guter Unterricht nach 60 guten Minuten in Liverpool und auch einigen guten Minuten hier in Madrid. Aber auf diesem Niveau braucht man 95 gute Minuten.“ Nach dem Ausgleich wurde die Partie immer hitziger.
Schon vor dem 1:1 hatte Atlético mit vielen Nickeligkeiten, Provokationen und reichlich Trash Talk versucht, Bayer aus dem Konzept zu bringen. Nun wurde all das Fußballtheater noch einmal mehr. Ein Ziel der Provokationen war immer wieder Florian Wirtz. Der Jungstar gab Kontra, konnte aber auch keinen großen Einfluss mehr auf die Partie nehmen, hatte zudem Glück, dass er nicht mit einer Gelb-Roten Karte den Platz verlassen musste. „Wir alle müssen aus diesem Spiel lernen“, sagte Alonso. „Für Flo war es schwierig, er hatte viele harte Duelle im Mittelfeld. Es war nicht einfach für ihn, ruhig zu bleiben. Es ist eine gute Erfahrung für Flo.“
Leverkusen schaffte es in der Folge nicht mehr, die Breite des Spielfelds zu nutzen und den Ball laufen zu lassen. „Wir haben die Kontrolle abgegeben über das Spiel mit dem Ball“, betonte Tah. „Der Gegner hatte nur eine Möglichkeit, hier wieder ins Spiel zu kommen. Die haben wir ihm gegeben. Die Emotionen haben sich produzieren lassen. Es wurde ein wildes Spiel, in dem es in beide Richtungen gehen kann. Sie spielen zu Hause, haben ihr Publikum mitgenommen, das haben sie gut gemacht.“
Spätestens nach dem zweiten Platzverweis der Begegnung gegen Hincapie eine Viertelstunde vor dem Ende, war es eine völlig offene Partie. Atlético nutzte schließlich einen der wenigen technischen Fehler von Granit Xhaka und erzielte das 2:1. Damit steht Leverkusen nun unter Zugzwang. „Wir wollen noch viele Spiele in der Champions League machen, also von daher sind viele Englische Wochen jetzt nicht ein Thema“, sagte Rolfes, „aber wenn du schon sicher in der K.o.-Runde bist und nicht in die Play-offs musst, ist das einfach hilfreich, das wäre ein Vorteil.“
Ein Sieg gegen Sparta Prag am kommenden Mittwoch (21 Uhr) ist die Voraussetzung, um die Top-8 zu erreichen. Und dann geht der Blick auf die anderen Plätze. Am achten und letzten Liga-Spieltag der reformierten Königsklasse werden alle 18 Begegnungen zeitgleich ausgetragen.