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Vor dem Topspiel beim FC BayernGranit Xhaka übt scharfe Kritik an seiner Leverkusener Mannschaft

Lesezeit 4 Minuten
War nicht zufrieden: Bayers Stratege Granit Xhaka.

War nicht zufrieden: Bayers Stratege Granit Xhaka.

Bayer 04 Leverkusen gewinnt mit 4:3 gegen den VfL Wolfsburg. Aber Spieler und Trainer warnen vor dem Topspiel gegen den FC Bayern.

Es läuft die Nachspielzeit. Jeder der 29.250 Zuschauern, der es mit Bayer 04 Leverkusen hält, erhebt sich und steigt in die Anfeuerungsrufe ein. Ganz so, als würden sie wissen, was jetzt kommt. Schließlich haben sie es zuletzt so oft erlebt. Und dann passiert es: Der Ball kommt im Getümmel irgendwie zu Victor Boniface, der in eiskalter Torjägermanier mit einem Drehschuss das 4:3 für Leverkusen erzielt. Die Bay-Arena steht mal wieder Kopf.

Mit dem Sieg gegen den VfL Wolfsburg nach zweimaligem Rückstand hält der Doublesieger den Drei-Punkte-Rückstand auf den FC Bayern. Alles ist somit bereitet für das Topspiel am kommenden Samstag in München (18.30 Uhr).

Die Leverkusener Ultras hatten vor der Partie am Sonntagnachmittag noch einmal allen den aktuellen Status des Klubs vor Augen geführt: „Ungeschlagene Krieger – geführt vom König“ lautete der Slogan einer Choreografie. Auf einer Blockfahne über die gesamte Höhe der Nordkurve mit der Überschrift „Meister“ waren Ritter in rot-schwarzer Rüstung, die Meisterschale und Xabi Alonso abgebildet.

Der Trainer-„König“ änderte gegen die Niedersachsen seine Startformation auf fünf Positionen gegenüber dem 4:0 in der Champions League bei Feyenoord Rotterdam am Donnerstag. Doch er brachte nicht nur erstmals in der Bundesliga die Zugänge Nordi Mukiele und Jeanuel Belocian von Beginn an. Der Spanier änderte auch erstmals seine Grundformation. Das gewohnt starke 3-4-2-1 wurde zu einem 4-2-3-1. Dieser Schachzug sollte sich rächen. Neues Personal und neue Grundordnung, das schien selbst für den Doublesieger etwas zu viel zu sein.

Nordi Mukiele war schlicht überfordert

Die in dieser Saison ohnehin etwas wacklige Defensive präsentierte sich streckenweise desolat. Vor allem Mukiele, die Leihgabe von Paris St. Germain, wirkte komplett überfordert. Sein erster Fehler blieb noch unbestraft, der zweite führte zu einem Eigentor nach nur fünf Minuten – ein extrem bitterer Einstand. Es entwickelte sich ein wildes Fußballspektakel, bei dem beide Defensivreihen in unregelmäßigen Abständen nicht gut aussahen. Zunächst profitierte Bayer davon.

Der wieder einmal fabelhaft aufspielende Florian Wirtz traf nach einem Pass von Granit Xhaka zum 1:1, dann köpfte Jonathan Tah nach einer Ecke von Alejandro Grimaldo zum 2:1 ein. Wirtz hatte dabei mit einem cleveren Block den Weg freigemacht. „Das war so abgesprochen“, sagte Tah später. „Das hat er super gemacht.“ Doch selbst dieses schnelle Drehen des 0:1-Rückstands half Leverkusen nicht dabei, Sicherheit ins Spiel zu bekommen. Was in den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit passierte, ordnete Xhaka ohne Schönfärberei so ein: „Das war ein Riesenweckruf, wir können nicht zufrieden sein. Die drei Punkte zählen, aber wir können so nicht weitermachen, nicht so naiv verteidigen. Drei Gegentore im Heimspiel gegen Leipzig, heute wieder. Das wird so nicht reichen. Wir sind nicht bissig ohne Ball, geben dem Gegner zu viele Räume. Das sind zu einfache Tore, das darf auf diesem Niveau nicht passieren. Wir sagen, wir sind eine Spitzenmannschaft, aber eine Spitzenmannschaft kassiert nicht drei Tore gegen Wolfsburg.“

Beim 2:2 stand wieder Mukiele, der zur Halbzeitpause ausgewechselt wurde, bei einer Ecke nicht nahe genug beim Ex-Kölner Sebastian Bornauw, der einnicken konnte. Torhüter Lukas Hradecky sah sowohl bei diesem Treffer als auch beim 2:3 in der Nachspielzeit der ersten Hälfte durch einen Aufsetzer von Mattias Svanberg nicht gut aus. Alonso änderte die Grundordnung, kehrte zum altbewährten 3-4-2-1 zurück. Für Mukiele und Belocian kamen Piero Hincapie und Jeremie Frimpong. Die Maßnahmen fruchteten. Hincapie traf direkt nach Wiederanpfiff, wieder nach einer Ecke, wieder per Kopf. Auch er hatte kaum Druck eines Gegenspielers. Bayer stand nun stabiler, es wirkte, als würde das Spiel nun schnell wieder zugunsten der Hausherren kippen, doch es dauerte schließlich bis zur Nachspielzeit und dem Boniface-Drehschuss. Zu diesem Zeitpunkt hatte Leverkusen einen Mann mehr auf dem Platz. Der nächste Ex-Kölner spielte eine Rolle: Yannick Gerhardt sah nach einem Tritt an Jeremie Frimpong die Rote Karte – eine harte, aber vertretbare Entscheidung.

Jonathan Tah ebenfalls kritisch

Auch Jonathan Tah wollte nach der Partie nicht in zu großen Jubel verfallen, sondern legte wie Xhaka den Finger in die Wunde. „Wir kriegen zu viele Tore, das darf uns nicht passieren. Gut, dass wir das Spiel noch gewinnen mit unserer Mentalität“, sagte der Nationalspieler. Xabi Alonso betonte: „Normal bekommt eine Mannschaft keine Punkte, wenn sie drei Tore kassiert. Wir waren zu soft in der Verteidigung. Neun Gegentore nach vier Spielen sind zu viel. Wir müssen gegen den Ball besser werden, aber auch noch mit dem Ball.“

Die Fans sahen das Spektakel mit anderen Augen, jubelten ausgelassen und gaben dann auch lautstark die Marschrichtung für den kommenden Samstag vor: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus!“