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Interview mit Teamchef von Bora-hansgroheRalph Denk über Politt-Abgang: „Er hat den Fokus Klassiker bei uns nie bestätigt“

Lesezeit 4 Minuten
Ralph Denk, Manager des Profi-Radsport-Teams Bora-hansgrohe.

Ralph Denk, Manager des Profi-Radsport-Teams Bora-hansgrohe.

Der Radsport-Manager fordert angesichts großer Investitionen von Ländern der arabischen Halbinsel eine Budget-Obergrenze.

Kölner Stadt-Anzeiger: Herr Denk, am Mittwoch startet die neue Deutschland-Tour in ihre fünfte Auflage. Sie sind der Teamchef der einzigen deutschen World-Tour-Mannschaft, entsprechend groß dürfte die Bedeutung des Rennens für Sie sein.

Ralph Denk: Auf jeden Fall. Es ist mein und unser Anspruch, dass wir vor heimischem Publikum herausragende Leistungen zeigen. Das gilt letztlich für alle deutschen Rennen. In Hamburg am vergangenen Sonntag wurden wir mit Danny van Poppel Zweiter, der wiederum Rund um Köln im Juni gewonnen hat. Wir wollen diesmal besser sein als im Vorjahr, da haben wir eine Klatsche bekommen. Das wollen wir gerade biegen.

Der diesjährige Kurs ist etwas für Klassiker-Spezialisten, von denen Sie Nils Politt aus Hürth dabei haben, der 2021 die Deutschland-Tour gewonnen hat. Ist er Ihr Mann fürs Gesamtklassement?

Der Parcours nimmt sich einfacher aus als im Vorjahr, sodass ich auch in Richtung Nils Politt tendieren würde. Er ist richtig gut in Form, das hat er in Hamburg bewiesen, das gilt auch für Danny van Poppel. Die Konkurrenz ist sehr groß, es sind elf Teams der ersten Kategorie dabei, das spricht für das Rennen.

Bora-hansgrohe Chef Denk: Nils Politt konnte Ergebnisse nicht bestätigen

Politt wird Ihr Team Ende des Jahres verlassen, ab 2024 fährt er für UAE-Emirates, der Mannschaft von Tadej Pogacar. Wieso konnten Sie ihn nicht halten?

Wir sind traurig über seinen Wechsel. Es gibt keine Probleme zwischen uns. Nils Politt hat ein ordentliches Standing in unserem Team, die Zusammenarbeit mit ihm war richtig gut. Auf der anderen Seite muss man sagen: Nils kam mit 26 Jahren zu uns, er hatte tolle Ergebnisse aufzuweisen, etwa Platz zwei bei Paris-Roubaix und Rang fünf bei der Flandern-Rundfahrt. Daraufhin haben wir gedacht: Wow, das ist ein super Fahrer, vielleicht kommt da noch mehr.

Aber leider hat Nils diese Ergebnisse bei uns in den Klassikern nie bestätigen können. Dennoch war er ein wichtiger Fahrer für uns, als Helfer, aber auch als Sieger der Deutschlandtour, von Rund um Köln und einer Tour-Etappe. Aber den Fokus Klassiker hat er bei uns nie bestätigen können. Ich sage aber dennoch: Schade, dass er uns verlässt, es wird gewiss auch um ein besseres Gehalt gegangen sein.

Trauen Sie ihm zu, diesen Sprung zum Topmann für die Klassiker in seinem neuen Team zu schaffen?

Das traue ich ihm prinzipiell schon zu. Vielleicht hat es bei uns auch an Unterstützung gefehlt, das muss ich auch selbstkritisch sagen. Vielleicht stellen sie Nils bei UAE eine auf ihn abgestimmte Klassikermannschaft zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn er seine Top-Ergebnisse noch einmal bestätigt oder sogar steigert. Ich muss ja am Ende einer Vertragslaufzeit immer überlegen: Was gebe ich aus, was kommt rein? Die Balance hat da meiner Meinung nach nicht mehr gepasst. Nils ist ja keiner der günstigen Fahrer.

Ihre Mannschaft für die neue Saison steht weitestgehend, auffällig ist, dass Sie keinen großen Namen verpflichtet haben. Weil es nicht nötig ist?

Wir setzen auf Kontinuität und auf die Zukunft. Emil Herzog ist nun bei uns, er ist noch 18 Jahre jung, er hat aber ein großes Potenzial.

Ralph Denk: Budget reicht wegen Einfluss aus Mittleren Osten nicht mehr aus

Welche Entwicklungsschritte sind noch möglich für Sie?

Wir sehen durch den Einfluss aus dem Mittleren Osten, mit den Ländern, die in den Radsport investieren, also Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Saudi-Arabien, dass wir in Bezug auf unser Budget nicht mehr mithalten können. Wir müssen hoffen, dass wir die finanzielle Lücke schließen können. Wir sind sehr glücklich über unsere Hauptsponsoren Bora und hansgrohe, aber das sind Mittelständler und keine Weltunternehmen. Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wir verpflichten einen Fahrer wie Pogacar, oder wir bilden ihn selbst aus.

Wie bewerten Sie das Engagement der Länder von der arabischen Halbinsel?

Das werden wir nicht aufhalten können, siehe die Entwicklung im Fußball. Wenn man das in den Griff bekommen will, ist die UCI gefragt, der Radsport-Weltverband. Die UCI muss Reglementierungen festlegen, die es bisher nicht gibt im Radsport. Wenn man möchte, dass in fünf Jahren nur noch Saudi-Arabien gegen Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate fährt, dann kann man es auch laufen lassen. Aber wenn man Mittelständler auch weiter dabei haben will, muss die UCI, das Kontrollorgan unseres Sports, auch mal über Maßnahmen nachdenken. Und sich nicht feiern lassen, wenn diese Teams wieder einen Rekord-Etat verkünden. Am Ende brauchst du 18 Mannschaften für die World Tour.

Wie könnte ein solcher Kontrollmechanismus aussehen?

Es gibt mehrere Ansätze: Budget- oder Gehaltsobergrenzen. Dazu Draft-Regeln.

Werden Sie diese Ideen offensiv an die UCI herantragen?

Na klar. Wir tauschen uns ja aus. Wir als Team haben da eine geringe Macht. In der Teamvereinigung sitzen allerdings auch die von den genannten Ländern unterstützten Teams. Also: Die UCI ist hier gefragt.


Der 49-jährige Ralph Denk ist schon seit seinem zwölften Lebensjahr im Radsport involviert. Als Radrennfahrer im Amateurbereich wurde er unter anderem mehrmals Bayerischer Meister. Ab 1996 widmete er sich dem Management-Sektor im Radsport und leitete mehrere Teams. 2010 gründete er das "Team NetApp", das inzwischenunter dem Namen Bora-hansgrohe bekannt ist.

Das Gespräch führte Stephan Klemm.