Straßenrad-WeltmeisterVan der Poel triumphiert in Glasgow: „Mir bedeutet dieser Sieg alles"

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Der Niederländer Mathieu van der Poel lässt sich nach seinem Sieg in Glasgow feiern.

Der Sieg von Mathieu van der Poel bei der Straßenrad-WM in Glasgow wurde mit Gold und Regenbogentrikot belohnt.

Er stürzte, sein rechter Schuh machte Probleme – dennoch Sieg: Mathieu van der Poel holte Gold im Straßenrennen bei der Rad-WM in Glasgow.

Gut 22 Kilometer waren noch zu fahren in einem spektakulären und ereignisreichen Rennen um den Titel des Weltmeisters in den kurvenreichen Straßen von Glasgow, als Mathieu van der Poel in der vorletzten von zehn Runden à 14,3 Kilometer an die Spitze preschte.

Schnell wuchs der Vorsprung des Niederländers an, über eine halbe Minute hatte er sich bereits von seinen Verfolgern Wout van Aert (Belgien), dem Slowenen Tadej Pogacar und dem Dänen Mads Pedersen abgesetzt – und dann schien doch alles vergebens. Sturz in einer Rechtskurve, van der Poel rutschte auf regennasser Fahrbahn unter die Streckenbegrenzung. Das alles passierte knapp 17 Kilometer vor dem Ziel, 254 Kilometer hatte der Führende da bereits in den Beinen.

Doch sein Rad blieb funktionsfähig, nur die Schnalle seines rechten Schuhs bereitete Probleme, die er aber in den Griff bekam. Also machte sich van der Poel erneut auf und davon und gewann schließlich die Goldmedaille. Hinter der Ziellinie wurde er jubelnd von seiner Freundin Roxanne Bertels empfangen.

Van der Poel ist schon Weltmeister im Cyclocross

Seinen ersten Verfolger hatte der Sieger bei der Zielpassage schon wieder um 1:37 Minuten distanziert, es war van Aert. Beide sind 28 Jahre alt und sie duellieren sich seit Kindheitstagen auf dem Rad, zu Beginn zumeist in Cross-Rennen, einer Disziplin, die sie beherrschen und in der van der Poel bereits mit 5:3-Titeln gegen van Aert führt. Und nun zudem mit 1:0 in Bezug auf die Siege bei den Straßenweltmeisterschaften.

Van der Poel ist der erste Radprofi, der es in einem Jahr schaffte, Weltmeister im Cyclocross und auf der Straße zu werden. Auch diese Sammlung unterstreicht die Extraklasse des wohl vielseitigsten Radstars der Gegenwart. Denn bei den Olympischen Spielen in Paris im kommenden Jahr plant van der Poel wie schon in Tokio 2021 einen Einsatz im Mountainbike-Rennen. Dort war er vor zwei Jahren allerdings gestürzt.

Van der Poel darf ein Jahr das Regenbogentrikot fahren

Nun also ist van der Poel auf dem Radsport-Thron angekommen, es war sein dritter herausragender Sieg in diesem Jahr nach seinen Erfolgen bei der Eintages-Monumente Mailand-Sanremo im März und bei Paris-Roubaix im April. „Es ist ein unglaubliches Gefühl. Mir bedeutet dieser Sieg alles. Dieser Titel war eines der großen Karriere-Ziele, das ich noch nicht erreichte. Das hier ist mein wohl wichtigster Sieg auf der Straße“, sagte van der Poel nach dem Rennen mit Tränen in den Augen. „Ich kann mir noch gar nicht das Glück ausmalen, nun ein Jahr im Regenbogentrikot fahren zu dürfen“, ergänzte er. Nach seinem Sturz habe er für einen Moment geglaubt, alles sei vorbei, doch recht schnell habe er wieder zu sich gefunden.

Mathieu van der Poel kurz nach seinem Sieg in Glasgow – den er trotz Sturz und kaputtem Schuh schaffte.

Mathieu van der Poel kurz nach seinem Sieg in Glasgow – den er trotz Sturz und kaputtem Schuh schaffte.

Das Rennen war sehr hart und es wurde brutal gefahren. Nach einer Unterbrechung nach 80 Kilometern wegen Umweltaktivisten in der Einöde der schottischen Landschaft zwischen dem Startort Edinburgh und dem Ziel in Glasgow wurde die Jagd nach WM-Gold chaotisch – und immer schneller ausgefahren.

Van der Poel tritt in Fußstapfen seiner Familie

Im Finale mischte sich zudem strömender Regen ein. Früh zeigten sich die Topfavoriten ganz vorn – van Aert und Pogacar vor allem, aber auch Pedersen sowie zudem Vorjahressieger Remco Evenepoel, van Aerts Landsmann, der aber im Finale zurückfiel. Van der Poel ließ es ruhiger angehen, fand aber zum richtigen Zeitpunkt in die überragend besetzte Vierer-Gruppe. Bronze ging an Pogacar, den Zweiten der Tour de France.

Van der Poel, Enkel von Frankreichs-Radsport-Held Raymond Poulidor und Sohn des erfolgreichen Ex-Profis Adrie van der Poel, hat nun eine fabelhafte Siegesliste beisammen: WM-Gold, Siege in Sanremo und Roubaix, bei der Flandern-Rundfahrt, beim Amstel-Gold-Race und bei Strade Bianchi, dazu ein Etappenerfolg bei der Tour de France, bei der in diesem Jahr die vier Tagessiege seines Teamkollegen Jasper Philipsen in Weltklasse-Manier vorbereitete.

Van der Poel ist der erste niederländische Rad-Weltmeister auf der Straße seit Joop Zoetemelk im Jahre 1985, als er im Alter von 38 Jahren im italienischen Giavera del Montello den Titel gewann.

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