Der Weltmeister von 1990 soll neuer Beauftragter für die Nationalmannschaft werden. Auf ähnliche Art wurde er vor 23 Jahren Teamchef.
Deutscher Fußball-BundRudi Völlers Berufung ist wie eine Zeitreise ins Jahr 2000
Der 2. Juli 2000 war ein schöner Sonntag, wie gemacht für überraschende Personalentscheidungen im deutschen Fußball. In der Villa eines Verbindungsmannes traf sich in Frechen-Großkönigsdorf die Spitze des DFB um den damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Bundestrainer Erich Ribbeck war nach dem krachenden Aus in der Vorrunde der EM in Portugal gescheitert, Wunsch-Bundestrainer Christoph Daum durch ein Veto von Bayer 04 Leverkusen nicht verfügbar.
Also kam man auf neutralem Boden zusammen und stritt so lange, bis weißer Rauch aufstieg. Die Lösung: Rudi Völler, bis dahin Sportchef des Werksklubs, wurde Übergangsbundestrainer. „Plötzlich haben mich alle angeguckt“, erinnerte sich Völler später an den Prozess der Entscheidungsfindung. Gut ein Jahr sollte er den Job ausüben, bis Daum die Freigabe von Bayer 04 erhielt. Wie man weiß, kam es anders. Christoph Daum geriet durch die Kokain-Affäre ins Abseits, Völler wurde 2002 mit der Nationalmannschaft Vizeweltmeister und blieb insgesamt vier Jahre lang.
Rudi Völler als Schutzpatron für die Nationalmannschaft
Was am Donnerstag in der DFB-Zentrale in Frankfurt geschieht, wird niemanden mehr überraschen. Die Expertenrunde zur Aufarbeitung des WM-Debakels von Katar, der Rudi Völler (62) selbst angehört, wird Rudi Völler als Schutzpatron für die Nationalmannschaft vorschlagen. Die Gremien im Deutschen Fußball-Bund werden der Empfehlung sehr wahrscheinlich folgen, denn die Not ist groß. Der Ex-Torjäger soll vor der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land alle bösen Kräfte von der deutschen Auswahl fernhalten, die da wären: Unzufriedenheit, Miesepetrigkeit, Zweifel, Unlust und Kritik am Auftreten bei der WM 2022 in Katar, für deren skandalöse Umstände sie nichts konnte. Im Gegensatz zum sportlichen Auftreten, das unzureichend war.
Welcher Titel dem Weltmeister von 1990 umgehängt wird, ist noch nicht bekannt. Am falschesten wäre jedoch: Nachfolger von Oliver Bierhoff. Das einzige, was Völler mit dem durch Amtsverlust bestraften Bierhoff gemein haben kann, wird die permanente Nähe zur Nationalmannschaft sein. Von allen anderen Pflichten des obersten DFB-Direktors in einer Zeit voller Herausforderungen wird man ihn befreien. Projekte vorantreiben, die Rolle der Frauen stärken, den neuen DFB-Campus in Frankfurt mit Leben füllen, Nachwuchskonzepte erstellen: Das sollen andere tun.
„Das ist glaube ich auch klar, dass die Task Force gesagt hat: Wir suchen jemand für die A-Nationalmannschaft und für diesen Bereich. Dieser Riesenkomplex, der unter die Geschäftsführung Sport fällt, das wird man sich sicherlich nochmal anschauen müssen“, erklärte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Er hoffe, dass die Empfehlung dann durch die Gremien gehe und „hoffentlich zeitnah beendet ist“. Rudi Völler soll vor allem eins sein: Rudi Völler, der Mann, den offenbar alle respektieren und dem angeblich niemand böse sein kann.
Völler beim DFB: „Rudi ist ein Mensch, in dessen Nähe man sich immer wohlfühlt“
Das ist der Plan, den die Herren Watzke, Rummenigge, Kahn, Sammer, Mintzlaff und eben Völler als schnelle Eingreiftruppe, genannt Task Force, unter Neuendorfs Aufsicht geschmiedet haben. Denn die Zeit drängt. Im Juni 2024 beginnt das vierte große Fußball-Turnier nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, und es darf sportlich nicht misslingen. Völler soll alle emotionalen Hindernisse beseitigen. „Rudi ist ein Mensch, in dessen Nähe man sich immer wohlfühlt. Er ist jemand, der einem ein gutes Gefühl geben kann, er ist fachlich unglaublich gut“, hat Bayern-Chef Oliver Kahn gesagt.
Welche Auswirkungen das auf Völlers Rolle bei Bayer 04 Leverkusen haben wird, ist noch nicht entschieden. Beim Werksklub ist der im Juni 2022 nach einem Vierteljahrhundert in offiziellen Ämtern ausgeschiedene Weltmeister Teil des mächtigen Gesellschafterausschusses und Botschafter von Bayer 04. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass Völler seine Ämter in Leverkusen bis zum Ende der EM 2024 ruhen lässt, um sich ausschließlich auf sein neues Projekt von nationalem Interesse zu konzentrieren.
Ansonsten wirkt alles wie eine Zeitreise ins Jahr 2000. Weißer Rauch steigt auf. Und Rudi Völler macht es. Damals fiel übrigens noch eine Personalentscheidung: Manager der Nationalmannschaft wurde damals der spätere Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge. So schließt sich der Kreis.